Alt 20.02.12, 16:31
Standard Glaubwürdigkeit, Redlichkeit und Aufrichtigkeit als nachhaltige Werte – gibt es das auch an der Börse?
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(Ex-) Bundespräsident Christian Wulf warf am Freitag nach nur fast 600 Tagen Amtszeit das Handtuch, weil gegen ihn von der Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsgewährung und Vorteilsinanspruchnahme eingeleitet und der Antrag auf Aufhebung der Immunität beim Bundestag eingereicht wurde, was ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist. Das war zu viel für Wulf und das Fass an leichtfertigen Verhaltensweisen während seiner Amtszeit als Ministerpräsident war wohl auch übergelaufen.

Für die Medien war Wulf ein gefundenes Fressen. Auch wenn die „Berichterstattung“ zuweilen penetrant übertrieben wurde, dürfen wir uns doch freuen, dass es den Medien gelingt, einiges aufzudecken, was in anderen Ländern unmöglich wäre. Die freie Presse bleibt ein wichtiges Regulativ in der Demokratie. Dies wäre in Italien oder in Russland wohl nicht möglich gewesen. Insofern ist es auch ein Sieg der Demokratie, auch wenn weiterhin die Unschuldsvermutung für Wulf gilt.

Ein Bundespräsident ist auch eine moralische Instanz, dass nachhaltige Werte wie Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Aufrichtigkeit, Vertrauen und Redlichkeit der Jugend vermitteln soll. Ich schätze Wulf nicht so ein, dass er sich vorsätzlich Vorteile während seiner Amtszeit verschaffen wollte oder andere vorsätzlich begünstigt hat. Da gibt es ganz andere Kaliber in der Wirtschaft, die so etwas zum Teil unentdeckt auch heute noch tun. Bei Siemens und VW wurde einiges an recht eigenwilligen Geschäftsgebaren – auch wieder von der Presse - aufgedeckt und im Kölner Karneval wurde schon immer geklüngelt und wird es auch heute noch.

In Osteuropa gehört Korruption fast zum guten Ton. Dort gibt es wohl nur wenige Politiker, die tatsächlich ohne Vorteilsgewährung und Vorteilsinanspruchnahme auskommen könnten. Dennoch: sein Verhalten als Ministerpräsident Niedersachsens war fahrlässig. Auch wenn sich vieles – gerade aus der Sicht des Auslands, wo andere Regeln gelten, wie Bagatellen anhört, sind einige Verhaltensweisen wie bargeldlose Begleichungen von Rechnungen zumindest anrüchig und unüberlegt. Es gelingt wohl keinem, päpstlicher als der Papst zu sein; insofern sollten auch einige vollmundige Oppositionspolitiker die Kirche im Dorf lassen und sich auch einmal in den eigenen Spiegel schauen.

Die Suche nach einem neuen Kandidaten wird jetzt umso schwerer, weil alle Parteien sich auf einen Kandidaten mit einer sauberen Weste und einem hohem Ansehen einigen müssen. Gibt es sowas überhaupt? Im Gespräch sind jetzt Gauck und Fischer als würdige Nachfolger. Wenn Medien sich auf jemanden einschießen, finden sie auch immer was. Fischer hat in seiner wilden Zeit auf Polizisten mit Steinen geschmissen. Jetzt ist er aber als ehemaliger recht respektabler Außenminister gesalbt und kommt wieder in Frage. Da wir aber wohl auch wieder in unruhige Fahrwasser kommen werden, muss es auch einer starke Persönlichkeit sein, deren Worte Gewicht haben und die auch von der Jugend gehört werden.

Es wäre wünschenswert, wenn es so eine – zumindest im Anspruch - moralische und integere Instanz wie die des Bundespräsidenten auch an der Börse geben würde, wo Leitlinien für nachhaltiges Wirtschaften festgelegt und von der Presse dann mit gleicher Energie und Dynamik nachgeprüft werden. Ich fordere schon lange das Fach Wirtschaftsethik in Oberschulen und auch bei den wirtschaftlichen Studiengängen als Pflichtfach, wobei hier auch die Aufsichtsräte Leitlinien der Geschäftspolitik entwickeln müssen. Es geht dabei um Transparenz, Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Kundenbindung und nachhaltige Werte. Die Sehnsucht nach nachhaltigen und auch wahren Werten wird umso größer, je schneller sie sich durch externe Schocks auflösen können. Auch an der Börse werden Aufrichtigkeit, Redlichkeit und Glaubwürdigkeit von Aussagen von Unternehmensvorständen immer wieder auf die Probe gestellt.

Bei Banken weiß man nicht so recht, ob man den Bilanzen und auch den Aussagen von Unternehmensvorständen noch trauen kann. Seit dem Lehman Brothers-Debakel hat die Glaubwürdigkeit arg gelitten und in Krisenzeiten trauen sich selbst die Bankenvorstände untereinander nicht mehr.


Der Rücktritt des Ex-Bundexpräsidenten Wulf konnte die Börse am Freitag nicht erschüttern, weil der Bundespräsident keine politische Macht hat. Im Gegenteil: Der DAX stieg – unterstützt durch die Wall Street - um 1,42% auf 6848 Indexpunkte. Da Iran nun an Frankreich und an Großbritannien kein Öl mehr liefert, stieg der WTI-Ölpreis um 1,16% auf ein neues Jahres-Hoch von 103 USD/Barrel. Davon profitierte wiederum der russische Aktienmarkt. Der RTS-Index konnte um 0,91% auf 1656 Indexpunkte zulegen. Damit stiegen sowohl der DAX als auch der RTS-Index seit Jahresbeginn schon um über 16% an, was man einen wahrhaft gelungenen Jahresauftakt bezeichnen kann.

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