Beitrag gelesen: 13920 x |
||
Wochenlang fiebern die Finanzmärkte auf die Wahlen in Griechenland hin, um den Erfolg der "alten Garde" oder der "Pro-Europa-Garde" ganze 66 Minuten zu feiern. Um 10:06 Uhr am Montag wurden die Ergebnisse einer weiteren Auktion spanischer Staatsanleihen veröffentlicht, die Finanzierungskosten waren trotz der erfolgreichen Wahl in Griechenland auf über 7% gestiegen, und so brachen die Märkte wieder ein.
Ist Griechenland also unbedeutend für die Finanzmärkte? Oder sind positive Meldungen einfach nicht gewünscht? Oder wäre ein negativer Wahlausgang etwa negativ gewesen, der positive Wahlausgang wurde hingegen neutral aufgenommen? Richten sich nun alle Blicke auf Spanien? Oder auf Italien? Nein! Anleger haben sich an das Notfallmanagement Europas gewöhnt. Es gibt keine Einigung bis zur letzten Sekunde. Es gibt keinen Plan, keinen Ausweg aus der Krise, und wenn ein Land, eine Situation zu kollabieren droht, werden plötzlich neue Rettungsinstrumente aus der Tasche gezogen. Viele wünschten sich einen Austritt Griechenlands, damit Europa endlich zum Handeln gezwungen wird. Immerhin hatten die Finanzminister und Notenbanken der G7 vor dem Wochenende eine konzertierte Aktion in Aussicht gestellt, wenn das griechische Drama ein Chaos in Europa anrichten würde. Doch diese konzertierte Aktion wurde nun nicht notwendig. Griechenland ist weiterhin Mitglied im Euroland und darf nun mit einer etwas milderen Behandlung rechnen - sozusagen zum Dank für den positiven Wahlausgang. Eine mildere Behandlung ist für Anleger gleichbedeutend mit einer längeren Behandlungsdauer. Selbst die exorbitant hohen Refinanzierungskosten für Spanien führen nicht zu einem Ausverkauf an den Märkten, denn es wird ja sicherlich eine Notfallmaßnahme geben, wenn es soweit ist. Am Abend kam jedoch nochmals Unsicherheit auf: Das G20-Treffen in Mexico drohte in einem Eklat zu enden. Die ganze Welt hackte auf Europa und insbesondere Angela Merkel herum, das Krisenmanagement in Europa sei unzureichend. Die Weltwirtschaft werde in Mitleidenschaft gezogen. Ein von US-Präsident Obama initiiertes Treffen am Montag Abend wurde kurzfristig abgesagt. Zunächst hieß es, es gebe nichts zu besprechen. Waren die Fronten so verhärtet? Oder stimmt die Erklärung, die am nächsten Tag nachgereicht wurde: Die Teilnehmer waren nach einem langen Tag und noch längeren Abendessen zu müde und haben das Treffen auf den nächsten Tag verschoben? Nun, zumindest haben sie sich dann noch getroffen. Merkel hat an ihrer harten Position festgehalten, und nach dem Treffen wurde allerorten das Krisenmanagement Europas gelobt. Am Dienstag Nachmittag, nachdem diese frohe Botschaft auf die Märkte traf, stiegen die Kurse wieder kräftig an. Zwischenzeitlich gibt es erste Informationen über den Kompromiss beim Fiskalpakt, der parteiübergreifend vom Bundestag verabschiedet werden muss. "Projektanleihen" stehen drin, also Wachstumsprogramme, bei denen nicht Geld von Deutschland an die Club-Med Länder überwiesen wird, sondern von Deutschland direkt in bestimmte Strukturprogramme. Ein Kompromiss, der wieder einmal eine drastische Verschlimmerung der Situation verhindern dürfte. Doch ist es eine Lösung der Schuldenkrise? Werden die Vorschläge überhaupt auf EU-Ebene angenommen werden? Direkt nach dem G20-Treffen haben Italien und Frankreich erneut eine europäische Bankenunion gefordert. Auch Christine Lagarde vom IWF stellt inzwischen entsprechende Forderungen. Ich halte diese Forderung für nicht umsetzbar, zumindest solange Angela Merkel mit entscheiden darf. Und das ist beruhigend. Es dürfte aber ein Druckmittel sein, um zumindest andere wachstumsfördernde Forderungen durchzubekommen. So bleibt die Situation angespannt. Forderungen und Zugeständnisse rücken in meinen Augen immer enger zusammen, doch die Rhetorik der Politiker läßt dies kaum erkennen. Entsprechend haben die Aktienmärkte in den vergangenen Tagen weder einen Kurseinbruch erlebt noch eine Rallye. Eigentlich gibt es nämlich nichts Neues, wir machen weiter wie bisher. Schauen wir uns einmal die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich an: Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (21.6.2012) | Woche ? Dow Jones: 12.574 | -0,6% DAX: 6.343 | 3,3% Nikkei: 8.798 | 2,7% Euro/US-Dollar: 1,26 | -0,6% Euro/Yen: 100,85 | 1,2% 10-Jahres-US-Anleihe: 1,62% | 0,01 Umlaufrendite Dt: 1,28% | 0,04 Feinunze Gold: $1.569 | -3,3% Fass Brent Öl: $90,29 | -7,7% Kupfer: 7.293 | -2,8% Baltic Dry Shipping: 978 | 7,2% Der DAX hat den späten Kurseinbruch des Dow Jones von gestern Abend noch nicht mitgemacht und schneidet daher deutlich besser ab. Doch gerade in den USA war die Stimmung in dieser Woche besonders schlecht: Nachdem sich die Amerikaner über Monate damit bei Laune gehalten haben, dass man als Weltretter die Konjunktur der Welt durch den eigenen Aufschwung bei der Stange halten werde, wurde diese Hoffnung am Mittwoch durch US-Notenbankchef Ben Bernanke zerstört. Auch die USA laufen auf eine wirtschaftlich problematische Phase zu und er stehe bereit, die Geldpolitik entsprechend anzupassen, sofern es nötig werde. Die bestehenden Maßnahmen wurden verlängert, die USA werden für eine lange Zeit ein günstiges Zinsniveau haben und können sich weiterhin darauf verlassen, dass die US-Notenbank lang laufende Anleihen aufkauft und gegen Kurzläufer mit niedrigerem Zins tauscht. Durch diesen Trick bleiben die langfristigen Finanzierungskosten für Unternehmensinvestitionen künstlich niedrig. Anleger reagierten enttäuscht auf diese Meldung. Die einen hatten gehofft, mehr Zuversicht in die eigene Wirtschaft aus den Worten des Notenbankchefs herauslesen zu können. Die anderen hatten gehofft, im Falle einer Verschlechterung seiner Einschätzung weitere Liquiditätsspritzen zu erhalten. Beide wurden enttäuscht. Es bleibt alles beim Alten. Es ist die Erkenntnis der US-Amerikaner, dass sie alleine nicht die Welt werden retten können. Gold, Öl und Kupferpreis sind in Folge dieser Erkenntnis eingebrochen. Gleichzeitig hatte China schlechte Konjunkturdaten ausgegeben, und auch aus Indien wurden Konjunkturprobleme bekannt. Na, wenn die Weltkonjunktur nun wirklich einbricht, dann wird auch die Rohstoffnachfrage zurückgehen und entsprechend wird es niedrigere Rohstoffpreise geben. Den konjunkturfördernden Effekt des niedrigeren Ölpreises will derzeit noch niemand sehen. Der Ölpreis ist wie eine Steuer für die produzierende Industrie. Je niedriger, desto günstiger die Produktionskosten und desto höher der Gewinn. Doch das wird sich erst in einigen Monaten auswirken. Schauen wir einmal, wie die Stimmung unter den Anlegern auf diese Entwicklungen reagierte: Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten entwickelt: SENTIMENTDATEN Analysten Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 01.06.- 08.06. (163): 42% / 20% 08.06.- 15.06. (212): 52% / 12% 15.06.- 22.06. (205): 53% / 12% Kaufempfehlungen der Analysten Apple, Sanofi, Aegon Verkaufsempfehlungen der Analysten Nokia, K+S, Hennes + Mauritz Privatanleger 23. KW: 46% Bullen (169 Stimmen) 24. KW: 40% Bullen (142 Stimmen) 25. KW: 54% Bullen (142 Stimmen) Kaufempfehlungen der Privatanleger Axa, ThyssenKrupp Verkaufsempfehlungen der Privatanleger Duerr, Sky Dt., SMA Solar Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Mit einer Woche Verspätung ist nun auch die Zuversicht bei den Privatanlegern zurückgekehrt. In der Öffentlichkeit ist die Diskussion um Griechenland wesentlich präsenter als das Refinanzierungsniveau von Spanien und Italien. Und auch die Aussicht auf eine Einigung hinsichtlich des Fiskalpakts wird in meinen Augen von Privatanlegern als extrem bullisch gewertet. Zu Recht. Auch Analysten werden wieder bullischer, eine ganze Reihe von DAX-Unternehmen haben nach deren Ansicht ein Kurspotential von über 50%. TOP ANALYSTENZIELE Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt: Unternehmen | Analyse v. | Kurs | Kursziel | Upside Epigenomics | 20.6 | 0,97 € | 5,50 € | 467,01% Deutz | 21.6 | 4,17 € | 22,00 € | 427,58% Wilex | 19.6 | 3,62 € | 9,00 € | 148,62% ThyssenKrupp | 18.6 | 12,80 € | 24,00 € | 87,50% Hochtief | 20.6 | 37,72 € | 67,00 € | 77,62% K+S | 20.6 | 32,16 € | 57,00 € | 77,24% Porsche | 20.6 | 40,28 € | 71,00 € | 76,27% Design Bau | 19.6 | 1,52 € | 2,60 € | 71,05% Daimler | 22.6 | 35,31 € | 60,00 € | 69,92% SAP | 19.6 | 45,91 € | 77,00 € | 67,72% Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen. Wie könnte denn nun die Lösung für die Euro-Schuldenkrise aussehen? Am 29. Juni werden wir mehr darüber erfahren. Ich habe so meine Erwartungen, und ich habe auch eine Meinung dafür, wie die Börsen darauf reagieren werden. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
|