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Die Ereignisse haben sich diese Woche überschlagen, entsprechend schwer ist es für mich, einen roten Faden zu legen. Ich setze hier im Heibel-Ticker die Finanzbrille auf, auch wenn viele Ereignisse deutlich weitreichender sind.
GOLDPREISEINBRUCH: NICHTS IST PASSIERT. Am Montag brach der Goldpreis um 8% ein. Die fundamentalen Begründungen sind vielfältig, letztlich waren Anleger verunsichert, ob das hohe Niveau des Goldpreises der vergangenen drei Jahre nach wie vor gerechtfertigt ist. Diese Verunsicherung reichte aus, um Anleger von Nachkäufen abzuhalten, was zu dem massiven Einbruch führte. Hier kurz die einzelnen Gründe bzw. Vermutungen, die diskutiert wurden: Die wichtige Unterstützung bei 1.530 USD/Oz wurde unterschritten und aktivierte automatische Verkaufsorders. Der zypriotische Goldschatz, der im Rahmen der Rettungsaktion an die EZB abgegeben werden musste, wurde verkauft. In Indien wurde zum Jahreswechsel die Umsatzsteuer auf Goldkäufe von 2% auf 6% erhöht. Indien ist einer der wichtigsten Goldabnehmer der Welt. Meine Einschätzung: Die Welt und insbesondere Euroland steht nun seit drei Jahren täglich unmittelbar vor dem Abgrund. Wie oft haben wir gehört, dass der Euro auseinanderbricht. Wie oft haben wir gehört, dass die Stabilität Europas an einem seidenen Faden, nämlich der Hilfsbereitschaft Deutschlands, hängt und wie oft haben wir gehört, dass die Hilfsbereitschaft Deutschlands irgendwann das Hilfsvermögen übersteigen könnte. So ist der Preis für das glänzende Edelmetall bis nahe an 2.000 USD/Oz gestiegen. Doch Euroland steht noch, der Euro hat gehalten, und für das zweite Halbjahr 2013 wurde bereits eine wirtschaftliche Erholung in Aussicht gestellt. Klar, auf Kosten von Inflationsgefahr, und genau dagegen kann Gold Sie schützen. Doch der Goldpreis stand inzwischen weit höher als die pure Inflationsgefahr rechtfertigen konnte. Der Goldpreis hatte die oben genannten Katastrophen eingepreist. Und das seit nunmehr drei Jahren. Irgendwann gehen auch dem letzten Weltuntergangspropheten die Texte aus. Zudem hat sich der Goldmarkt in den vergangenen Jahren verändert: Nicht mehr Angebot und Nachfrage bestimmen den Goldpreis, sondern nur noch die Erwartungen der Finanzinvestoren und die Mittelzuflüsse der großen Goldfonds und Gold-ETFs. Die Finanzindustrie hat mit einigen Federstrichen Finanzprodukte für den Goldmarkt geschaffen, die in kürzester Zeit mehr Geld aufnehmen konnten als Zentralbanken und Privatanleger in Matratzen nähen können. Nicht mehr langfristig orientierte Sicherheitsfanatiker legten sich die Goldbarren in ihre millionen Schließfächer bei ihren jeweiligen lokalen Banken, sondern Hedgefonds und Spekulanten wetteten auf den Untergang des Euros, auf die katastrophalen Folgen der automatischen US-Haushaltsbudgetkürzungen oder auf Unruhen beim Regierungswechsel in China. Und was passierte? Nichts. Doch, eines ist in den vergangenen Tagen passiert: In den USA haben die Notenbanker begonnen darüber zu diskutieren, wann die Liquiditätsflutung zurückgefahren werden könnte. Für paranoide Spekulanten ist das eine dramatische Wendung: Bislang wurden immer mehr und mehr Liquiditätsmaßnahmen notwendig, um das Land vor dem Untergang zu bewahren. Das Zinsniveau ist bei 0%, das Spekulieren auf den Untergang mit geliehenem Geld war in den vergangenen drei Jahren nahezu kostenfrei. Eine nahezu kostenlose Versicherung gegen Chaos mit Geld, das man nicht hat, während man mit dem Vermögen der Kunden Aktien kaufen konnte. Doch nun droht diese Versicherung bald Geld zu kosten, denn nichts anderes bedeutet eine sukzessive Rückführung der Liquiditätdsflutung. Es dauert zwar noch eine Weile, bis die außergewöhnlichen Maßnahmen zurückgefahren sind und bevor dann irgendwann eine erste Zinserhöhung erfolgen könnte. Doch die Richtung der Notenbankpolitik hat sich verändert, und das ist für viele Spekulanten und Hedgefonds Alarmsignal genug. Der Verkauf zypriotischen Goldes mag der Auslöser gewesen sein. Der Grund ist die Stabilisierung der Situation in den USA, in Euroland und in China. DAX-EINBRUCH AUF EUROPA BEGRENZT Am Montagabend detonierten in Boston am Ziel des Marathons zwei Bomben und rissen drei Passanten in den Tod, es gab viele Verletzte. Bis zur Stunde ist nicht klar, ob es sich um einen terroristischen Akt handelte mit Unterstützung einer internationalen Terrororganisation oder aber um die Einzeltat zweier junger Männer. Die Unsicherheit hinsichtlich des Hintergrunds dieser Tat schlägt sich auch auf die Entscheidungsfreude an den Finanzmärkten nieder. Am Montagabend gab der Dow Jones nochmals kräftig ab. Nach dem Goldpreiseinbruch am Montag beobachteten wir gespannt, ob es am Dienstag bereits zu einer Gegenbewegung kommen würde. Dies geschah nicht. Auch die Aktienindizes, die am Montag im Rahmen der allgemeinen Unsicherheit ins Minus drehten, konnten sich am Dienstag kaum nennenswert erholen. Wir waren nun in der Phase in der sich Anleger fragten, warum man Gold kaufen müsse und warum man Aktien kaufen müsse. Die Gründe sind bekannt: Gold ist die Versicherung gegen das Chaos und Aktien sind die einzigen Anlageorte für Ihr Vermögen, mit dem Sie sich gegen die Entwertung Ihres Vermögens durch Inflation absichern können. Doch die Argumente kennen wir ebenfalls seit vielen Jahren, und Anleger wurden unsicher, ob das denn nun auch wirklich stimme. So bliebt die Gegenbewegung aus, die Unsicherheit blieb im Markt. Am Mittwoch früh gegen halb zehn brach sodann plötzlich der DAX ein. Binnen acht Minuten gab er über 2% ab. Man sprach davon, dass das tripple-A Rating Deutschlands in Gefahr sei, die Rettungsaktionen hätten Deutschlands Finanzen überstrapaziert. Es gab schnell die Erklärung des "Flash-Crashs", das Unterschreiten einer bestimmten Unterstützung zog automatisch erzeugte Verkaufsorders nach sich, sodass sich der Abwärtssog beschleunigte. Auch der berühmte dicke Finger wurde als Begründung bemüht. Der dicke Finger beschreibt einen ungeschickten Händler, der bei einer nennenswerten Verkaufsorder versehentlich drei Nullen zuviel dranhängt und damit den Markt in den Abgrund reißt. Im vergangenen Jahr hat sich der DAX als Hort der Stabilität Europas profiliert, er legte um 30% zu. In den ersten dreieinhalb Monaten diesen Jahres stieg der Dow Jones von Allzeithoch zu Allzeithoch, der DAX konnte sein Niveau halten. Hintergrund ist die sich verbessernde Konjunktur in den USA, in Deutschland hingegen verschlechterte sich die Situation im gleichen Zeitraum. So kamen Zweifel auf, was einen DAX nahe seiner Allzeithochs rechtfertige, wenngleich er sie auch nicht übersprang, während sich Europa gleichzeitig kaputtspart und inzwischen erste schwache Konjunkturdaten auch aus Deutschland gemeldet werden? Reicht es aus, dass Europa nicht in den Abgrund stürzt, dass Euroland zusammen hält, um den DAX auf neue Rekordhochs zu schicken? In meinen Augen ja, aber die meisten Anleger waren sich da nicht so sicher. Und so blieb bislang auch nach dem plötzlichen Einbruch im DAX das Kaufinteresse bei den Anlegern gering, eine Gegenbewegung fand auch hier nicht statt, die Abwärtsbewegung beschleunigte sich im weiteren Tagesverlauf. Schauen wir uns also einmal das ganze Ausmaß des Chaos anhand der wichtigsten Indizes im Wochenvergleich an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (18.04.2013) | Woche Δ Dow Jones: 14.537 | -2,2% DAX: 7.474 | -5,1% Nikkei: 13.316 | -1,1% Euro/US-Dollar: 1,31 | -0,2% Euro/Yen: 129,77 | -0,4% 10-Jahres-US-Anleihe: 1,69% | -0,10 Umlaufrendite Dt: 1,06% | -0,02 Feinunze Gold: $1.414 | -9,4% Fass Brent Öl: $99,62 | -4,5% Kupfer: 7.011 | -7,9% Baltic Dry Shipping: 885 | 2,3% Der DAX hat zwar Dow Jones und Nikkei beeinträchtigt. Den heftigen Ausverkauf haben die Amerikaner und Japaner jedoch nicht mitgemacht. Ein Indiz dafür, dass die Sorge insbesondere Deutschland und Europa betrifft. Diesbezüglich gab es am Donnerstag zwei Meldungen: Eine kleine, mir bislang unbekannte Agentur hat das Rating für Deutschland tatsächlich herabgesetzt. Moodys hingegen reagierte prompt und bestätigte das tripple-A Rating für Deutschland und lobte die Haushaltskonsolidierung. Der bereits zuvor bestehende negative Ausblick Moodys für Deutschland beruhe auf den Entwicklungen in Europa. INTERNATIONALE SORGEN UNBEGRÜNDET Eine andere Begründung für den Ausverkauf bezieht China ein: 7,7% betrug das Wirtschaftswachstum Chinas im Jahr 2012 wurde am Wochenende bekanntgegeben, erwartet wurden 7,9%. China braucht ein Wachstum von deutlich über 6% um allein den Zustrom der Landbevölkerung in die Städte ohne ausufernde soziale Spannungen zu bewältigen. Wenn schon China das erwartete Wachstum von 7,9% nicht erreicht, dann bedeutet dies, dass China trotz der großen Finanzreserven nicht in der Lage ist, sein Land in die gewünschte Richtung zu lenken. Und was könnte der Grund dafür sein? Nun, Europa, speziell Deutschland. Der Binnenmarkt Chinas wurde von Marktbeobachtern kurzerhand ignoriert und mit einem Mal wurde ein Bild verbreitet in dem China nur wachsen kann, wenn all die mit deutschen Maschinen produzierten Güter auch von deutschen Konsumenten gekauft würden. Eine schwächelnde Wirtschaft in Deutschland, vielleicht sogar eine drohende Rezession könne, so die Befürchtung, jegliche Wachstumsanstrengungen Chinas vereiteln. China könne doch nicht Spielsachen und iPhones auf Halde produzieren, oder? Anschließend wurde nicht etwa die Nachfrage nach chinesischen Produkten aus den USA als rettender Anker angeführt, nein, es wurde die Abhängigkeit der USA von Europa in den Vordergrund gestellt. Genau wie China seien auch die USA eng mit der deutschen Wirtschaft verknüpft, und eine Rezession in Deutschland würde sofort auch das zarte Wachstumspflänzchen in den USA absterben lassen. Nun, weder der chinesische Aktienmarkt noch der Amerikanische folgten dieser Erklärung, das Minus blieb begrenzt. Bären werden nun sagen "noch", Bullen werden sagen "dann wird auch der DAX bald wieder aufholen". Schauen wir uns ein paar Unternehmensmeldungen an, denn diese Woche gab es mehr Quartalszahlen als in irgendeiner anderen Woche. QUARTALSZAHLEN DURCHWACHSEN, SCHWACHE AUSBLICKE Beginnen wir mit den US-Banken, die allesamt durchwachsene Zahlen meldeten und einen sehr verhaltenen Ausblick gaben. Insbesondere der verhaltene Ausblick verstörte die Anleger, doch ich halte das für ein Resultat der Finanzkrisen. Noch immer stehen die Banken unter Beschuss, Dividenden dürfen nur in Ausnahmefällen ausgeschüttet werden, und Managergehälter sind immer wieder Anlass für öffentliches Ärgernis. Da traut sich kein CEO, einen rosigen Ausblick zu geben. JPMorgan berichtete herausragende Zahlen für die Sparte der Vermögensverwaltung. Die Kernkapitalquote hat sich vorteilhaft entwickelt. Das internationale Geschäft ist stark. Doch aus dem Geschäft mit den US-Immobilienfinanzierungen hält sich das Unternehmen raus, das wurde als Schwäche ausgelegt. Wells Fargo hat ebenfalls Zahlen abgeliefert, die im Rahmen der Erwartungen ausfielen. Allerdings ist das Geschäft mit Immobilienkrediten "nur" um 13% angestiegen, das war Anlegern nicht genug. In den USA kommt Kritik an den Behörden auf, von einer Überregulierung ist die Rede. Inzwischen sind eine Reihe schwerreicher Amerikaner vor die Kamera gegangen und haben ausgesagt, dass sie nicht die Anforderungen für einen Immobilienkredit erfüllen würden, die von den Behörden inzwischen vorgegeben wurden. Der Immobilienmarkt erholt sich, Finanzierungen sind aber nicht zu haben. Eine Kritik, die in den kommenden Wochen noch häufiger zu hören sein dürfte. Citigroup hat in allen Bereichen die Erwartungen übertroffen, insbesondere der Zinsgewinn war überproportional angestiegen. Dieses gute Ergebnis reichte gerade einmal dafür, dass die Aktie unverändert aus dem Handelstag ging. Goldman Sachs ist, wie sollte es anders sein, in Zypern involviert. Alle anderen Geschäftsbereiche haben herausragende Zahlen gemeldet, das internationale Geschäft wurde jedoch von Zypern beeinträchtigt. Die Aktie wurde kräftig ausverkauft. Fast überall ist also ein Haar zu finden, wenn man nur genau genug sucht. Da wird kein CEO auch nur einen verhalten optimistischen Ausblick geben. Und diese Zurückhaltung verunsichert die Anleger, denn niemand kann die Verfassung der Wirtschaft besser einschätzen als die Banken. Apple war wieder einmal unter Beschuss. Das Unternehmen werde weniger iPhones verkaufen als geplant, zudem hielten sich die Kunden beim Kauf des iPad Mini zurück, um die Einführung des Nachfolgemodells abzuwarten. Cirrus Logic, Anbieter von High-End Soundchips, gab eine Meldung aus, die diese Befürchtung zu bestätigen scheint. Entsprechend sind alle mit Apple assoziierten Aktien in den Keller gerauscht. Angefangen in Deutschland mit Dialog Semiconductor, über Broadcom, Qualcomm, Lam Research bis hin zu Applied Materials. IBM hat heute überraschend schwache Zahlen vermeldet. Dienstleistungen waren wie erwartet, aber Soft- und Hardware blieben hinter den Erwartungen zurück. IBM notiert heute mit 8% im Minus und reißt Hewlett Packard mit in den Abgrund. Intel reduziert seine Investitionen. Das ist gut für die Kostenstruktur, derzeit wird es aber negativ für die Innovationskraft ausgelegt. General Electric hat ebenfalls in einzelnen Geschäftsbereichen nicht die Erwartungen erfüllt, wenngleich insgesamt die Zahlen gut aussahen. Energie und Wasserversorgung blieben hinter den Umsatzerwartungen zurück (Umsatzrückgang von 26%), auch der Öl- und Gasbereich war schwach, der Umsatz blieb "nur" stabil. Auch McDonalds konnte die Erwartungen nicht erfüllen, überall ließ sich ein Haar in der Suppe finden. Tja, bei einem Dow Jones auf Allzeithoch sind Anleger offensichtlich darauf aus, Haare in der Suppe zu finden - und das mit Erfolg. ROHSTOFFMÄRKTE UNTER FINANZDRUCK Wie eingangs schon zum Goldpreiseinbruch angedeutet, möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass sich der gesamte Rohstoffmarkt schon lange von der Realwirtschaft gelöst hat. Irgendwann nach der Internetblase haben Anleger beschlossen, dass Rohstoffe wahre Werte sind, da hat man was in der Hand, und somit gehören Rohstoffe in jedes konservative Portfolio. Die Finanzbranche ist da erfinderisch und kreiert Fonds und ETFs im Akkord, Anleger kaufen alles, wo Rohstoff draufsteht, ohne über den wirklichen Inhalt Bescheid zu wissen. Doch es sind nicht nur Zahlen, die da durch die Datennetze sausen, es sind auch beispielsweise Öltanker, die vor den Küsten mit vollen Tanks kreuzen. Anleger haben ihr Kapital gebündelt und zusammen Tanker gemietet, die voll beladen mit Öl auf einen Preisanstieg des Öls warteten. Es gab eine Zeit, in der Öltanker reichlich vorhanden waren. 2009 waren Reeder froh, wenn sie nur einen Auftrag bekamen, der die Verluste zumindest ein wenig eingrenzte. Heute ist es üblich, Schiffe mit Rohstoffen zu beladen und so lange kreuzen zu lassen, bis der Rohstoff einen besseren Preis erzielt. Diese Praxis verzerrt natürlich die Preisfindung in der Wirtschaft, wo Angebot und Nachfrage über den Preis stets in ein Gleichgewicht kommen. Diese Praxis führt dazu, dass aufgrund von Finanzmarktereignissen plötzlich die Rohstoffmärkte mit Rohstoffen überschüttet werden. Der Ölpreis ist diese Woche um 4,5% eingebrochen, der Kupferpreis um 7,9%. Steht die Wirtschaft still? Fehlt das Geld für Finanzierungen? Nein, die Finanzindustrie benötigt Geld und hat daher ein paar Rohstoffschiffe gelöscht. Ist dies nun eine intelligente Erklärung eines unverbesserlichen Optimisten? Oder sind die Preiseinbrüche tatsächlich nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang zu bringen? | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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