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Die Berichtssaison steht im Schatten der Politik. Kaum jemand interessiert sich für die Quartalszahlen der Unternehmen, wenn in Washington mit dem Feuer gespielt wird. Diese Woche brachte nun endlich den, wenn auch kleinen, Durchbruch, die Börse hat euphorisch darauf reagiert. Lassen Sie uns chronologisch vorgehen.
JANET YELLEN WIRD FED-CHEFFIN Obama hatte auf Larry Summers als Nachfolger Ben Bernankes gesetzt. Summer war Finanzsektretär unter Bill Clinton und zuvor Chefvolkswirt der Weltbank. Zuletzt war er Präsident der Eliteuni Harvard und Regierungsberater. Durchaus ein Lebenslauf, der ihn für das Amt des Notenbankchefs qualifizieren würde. Doch er gilt als sehr konservativ, den Republikanern näher als den Demokraten, und Präsident Obama hatte ihn ins Gerede gebracht als Zugeständnis für die Republikaner im Rahmen von Verhandlungen um diverse andere Themen. Während nämlich Obama mit den Demokraten im Kongress die Mehrheit hat, lässt sich keine wesentliche Entscheidung ohne den Senat umsetzen, und dort haben die Republikaner die Mehrheit. Die Demokraten laufen derzeit herum und zählen auf, bei welchen Themen Obama den Republikanern Zugeständnisse gemacht hat: Eine Verschärfung des Waffengesetztes ließ sich ohne die Republikaner nicht umsetzen. Eine beabsichtigte Lockerung des Einwanderungsgesetzes hat Obama ebenfalls verworfen. Na, und aus Obama-Care (Reform des Gesundheitswesens) sind viele tragende Elemente von den Republikanern herausgestrichen worden. Nun haben die Republikaner eine Erhöhung der Defizitgrenze an weitere politische Zugeständnisse, insbesondere in Sachen Obama-Care geknüpft. Insbesondere der ultrakonservative Tea-Party Flügel der Republikaner war augenscheinlich bereit, die USA in die Insolvenz zu führen, wenn nicht Obama-Care weiter beschnitten wird. Obama zeigte sich nicht mehr offen für weitere politische Verhandlungen, wenn die Solvenz des Landes auf dem Spiel stehe. Und als ein Zeichen, dass er keine weiteren Zugeständnisse mehr machen werde, ernannte er nun die den Demokraten nahestehende Janet Yellen als Nachfolgerin Ben Bernankes. Janet Yellen ist mit dem Nobelpreisgewinner Geoge Akerlof verheiratet und machte als Professorin an der Kalifornischen Universität Berkeley Karriere. Seit Präsident Bill Clinton hat auch sie bereits mehrfach politische Ämter und Beraterposten eingenommen. Derzeit ist sie bereits Vizecheffin der Fed. Sie vertritt die Ansicht, dass eine lockere Geldpolitik nicht automatisch Inflation nach sich ziehe, sofern der Arbeitsmarkt nicht mitziehe. Wir dürfen von ihr erwarten, dass Sie die lockere Geldpolitik Bernankes noch lange fortsetzen wird, bis der Arbeitsmarkt gesundet. Dann allerdings, und daran lässt sie keinen Zweifel, müsse man die Liquiditätsflut vehement zurückfahren. Sie steht damit im krassen Gegensatz zum deutschen Ansatz, der den Arbeitsmarkt vollständig der Politik überlässt. Der Arbeitsmarkt kann nach deutschem Verständnis nur durch Strukturreformen verbessert werden. Eine exzessive Geldpolitik manifestiert Systemprobleme und führt zu einer überflüssigen Geldentwertung. Daher wehren sich die Deutschen immer wieder gegen EZB-Chef Mario Draghi, der die Aufgabe der EZB über die pure Geldwertstabilität hinaus immer wieder in, unserer Ansicht nach politische, Bereiche hinein ausweitet. In den USA ist die Notenbank Fed von Anfang an auch für den Arbeitsmarkt zuständig gewesen. Mit Janet Yellen erhält der Arbeitsmarkt nun ein noch stärkeres Gewicht bei künftigen Entscheidungen, die Geldwertstabilität tritt weiter in den Hintergrund. Für eine Nation, deren Binnenwirtschaft stärker ist als irgendwo sonst auf der Welt und deren Schulden zum Großteil von Chinesen und anderen Ausländern gehalten werden, ist diese Strategie sicherlich lukrativ. Janet Yellen hat zwei Trümpfe in der Hand: Zum einen hat sie in den vergangenen vier Jahren die besten Arbeitsmarktprognosen unter allen Notenbankmitgliedern erstellt. Der für Sie so wichtige Arbeitsmarkt wird von ihr also gut verstanden. Zum anderen war sie die treibende Kraft hinter der Transparenz-Offensive Bernankes: Anders als Alan Greenspan hat Ben Bernanke die Entscheidungen der Notenbank stets ausführlich begründet und die zugrunde liegenden Fakten veröffentlicht. Konsequent weiterverfolgt führt die Transparenz dazu, dass die Entscheidungen der Notenbank besser verstanden und künftig sogar auch besser prognostiziert werden können. So vertritt sie die Politik der stärkeren Regulierung. Ordoliberalismus heißt es in der Volkswirtschaft: Es gibt einen möglichst genau abgesteckten Rahmen, in dem die Akteure handeln dürfen. Bewegt sich der Arbeitsmarkt in die eine oder andere Richtung, so gibt es genau definierte Maßnahmen der Fed, die ergriffen werden - möglichst automatisch, wenn Sie Yellen fragen. Diesen Ansatz finden auch wir in Deutschland attraktiv. Er steht im Gegensatz zu dem Interventionismus der freien Kapitalmärkte. Man lässt die Märkte alleine, in der Hoffnung, dass es sich schon richten lasse. Wenn etwas außer Kontrolle läuft, wird vehement interventioniert. Wir haben jedoch gesehen, dass man von Intervention zu Intervention immer größere Beträge in die Hand nehmen muss und dass deren Wirkung immer geringer wird. Ein klares Regelwerk könnte, solange sich alle dran halten, schon frühzeitig zur Disziplinierung der Akteure führen. Doch insbesondere die US-Republikaner mögen diesen Ansatz überhaupt nicht, denn auch der Finanzsektor und die Bankenlandschaft wird unter einer Fed-Cheffin Yellen härtere Regeln verpasst bekommen. Und die härtere Bankenregulierung wiederum wird dann auf die ganze Welt übertragen, scheitern heute doch die Regulierungsvorhaben an den unterschiedlichen Vorstellungen der Angelsachsen (USA und England) und der Euroländer. FAULER KOMPROMISS BEI HAUSHALTSSTREIT Die Nominierung Janet Yellens war also ein Schlag ins Gesicht der Republikaner. Obama hat gezeigt, dass es viele Entscheidungen gibt, die ihm obliegen und bei denen er bislang stets auf die Republikaner zugegangen war. Und prompt kommt im Anschluss an diese Entscheidung Bewegung in die Verhandlungen: Die Republikaner haben sich bereit gezeigt, unter Umständen die Defizitgrenze zumindest für einen kurzen Zeitraum anzuheben, um die Insolvenz zu vermeiden. Lassen Sie uns die beiden in den USA anstehenden Probleme separat betrachten. Präsident Obama verfügt über ein Haushaltsbudget, das stets von Oktober bis Oktober festgelegt wird. Obama und der Kongress haben ein neues Haushaltsbudget vorgeschlagen, der Senat hat diesen Vorschlag aber bislang noch nicht genehmigt. Daher dürfen Obama und die Regierung seit dem 1. Oktober keine Ausgaben mehr tätigen, die nicht unbedingt erforderlich sind, um den Staatsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die entsprechenden Mitarbeiter dürfen nicht zur Arbeit kommen und werden auch kein Gehalt erhalten, auch nicht nachträglich. In den USA nennt man dies "government shutdown", die Regierungsbehörden sind geschlossen. Die Republikaner wollen in dem Haushaltsbudget insbesondere die für Obama-Care vorgesehenen Ausgaben kürzen und dadurch einige von Obama gegen ihren Widerstand durchgesetzten strukturellen Änderungen rückgängig machen. Unabhängig davon gibt es eine Defizitgrenze, eine Verschuldung, die Präsident Obama nicht überschreiten darf. Man geht davon aus, dass etwa am 17. Oktober, also nächste Woche, diese Defizitgrenze übersprungen wird. Der US-Staat hat dann kein Geld mehr zur Verfügung, um ausstehende Zahlungsverpflichtungen zu begleichen. Hier wird insbesondere der Schuldendienst in den Vordergrund gestellt: Billionen an ausstehenden Staatsanleihen müssen ja regelmäßig bedient werden. Neue Schulden wird Obama nicht machen dürfen, weil die Defizitgrenze erreicht ist, und somit könnte dies schlimmstenfalls dazu führen, dass einer Verpflichtung nicht nachgekommen wird - und das ist die Definition einer Insolvenz. Die USA wären dann insolvent. Beim Streit um das Haushaltsbudget DARF die US-Regierung also nichts bezahlen, solange kein Kompromiss gefunden wurde. Beim Streit um die Defizitgrenze KANN die US-Regierung ohne Kompromiss nicht mehr zahlen. Während das Haushaltsbudget erst über die Zeit hinweg negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird - je länger die Regierungsbehörden geschlossen bleiben, desto höher der Einnahmeausfall bei Angestellten und Vertragspartner - würde eine Insolvenz von heute auf morgen heftige Schockwellen durch das internationale Finanzsystem senden. US-Staatsanleihen würden auf den Markt geworfen werden, die Zinsen für US-Staatsanleihen würden in die Höhe schnellen, und die Refinanzierungsmöglichkeiten der USA wären nachhaltig gestört. Mit dem US-Dollar als Rückgrat des Weltfinanzsystems wäre das an Dramatik kaum zu überbieten. Obama sagt also, er werde nicht die Verhandlungen über das Haushaltsbudget mit der Anhebung der Defizitgrenze vermischen. Die Republikaner wiederum bestehen auf Änderungen im Haushaltsbudget, BEVOR sie einer Anhebung der Defizitgrenze zustimmen. Gestern nun haben sich die beiden Streithähne endlich zusammengesetzt. Dem Vernehmen nach suche man einen Kompromiss: Eine temporäre Anhebung der Defizitgrenze wird diskutiert, damit die Republikaner ihr Druckmittel nicht verlieren, aber dennoch die drohende Insolvenz abgewendet werden kann. Sechs Wochen oder drei Monate sind in der Diskussion, ausreichend Zeit, um die Verhandlungen über das Haushaltsbudget in aller Sorgfalt fortzuführen. Die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz hatte ich im Verlauf der Woche von 5% auf 10-20% erhöht. Nun würde ich die Wahrscheinlichkeit wieder auf unter 5% zurücknehmen, die Politiker in Washington sind sich ihrer Verantwortung, wenn auch in letzter Minute, bewusst. Doch was kommt nun? Warten auf das Verstreichen der sechs Wochen oder drei Monate, um die Börsen dann erneut ins Ungewisse zu stürzen? Was wird im Falle einer Einigung als nächstes in den Fokus rücken: Gute Quartalsergebnisse? Schlechte Ausblicke? Die Angst vor dem angekündigten Tapering? Schauen wir uns nun einmal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (10.10.2013) | Woche Δ Dow Jones: 15.126 | 0,9% DAX: 8.686 | 1,0% Nikkei: 14.405 | 2,7% Euro/US-Dollar: 1,36 | -0,5% Euro/Yen: 133,29 | 0,7% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,68% | 0,07 Umlaufrendite Dt: 1,46% | 0,00 Feinunze Gold: $1.300 | -1,4% Fass Brent Öl: $111,41 | 2,2% Kupfer: 7.182 | -0,2% Baltic Dry Shipping: 2.011 | -1,8% Die Aussicht auf eine anhaltend lockere Geldpolitik haben dem Ölpreis Beine gemacht (+2,2%), doch das Gold (-1,4%) konnte nicht davon profitieren: Die lockere Geldpolitik ist gut für die Wirtschaft, aber auch gut für das Vertrauen ins Finanzsystem und damit schlecht für's Gold. Allen Zweifeln zum Trotz haben Dow Jones, DAX und Nikkei diese Woche mit einem kräftigen Plus abgeschlossen. Zuvor waren die Kurse insbesondere in den USA drei Wochen in Folge gefallen, da waren die Kurse bereits ausgebombt und entsprechend heftig fiel die Gegenbewegung gestern vor dem Hintergrund der neuen Hoffnung aus. Auf zu neuen Rekorden oder handelt es sich nur um ein Strohfeuer? | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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