Alt 21.03.14, 19:12
Standard So tickt die Börse: Rhetorik ohne Taten
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Heute vor einer Woche stand die Welt, und mit ihr natürlich auch die Börsen, kurz vor dem Abgrund. Es war mutig von uns gegen einen Kollaps zu setzen und entsprechende Käufe zu tätigen, doch wir wurden für unseren Mut belohnt. Der DAX ist inzwischen wie von mir in Aussicht gestellt in Richtung 9.400 Punkte geklettert.

Putin hat die Krim nach Russland geholt, eine andere Möglichkeit hatte er gar nicht. Die westliche Welt hat sich in Sanktionsrhetorik überschlagen, unter'm Strich blieben eingefrorene Konten von russischen Funktionären, die jedoch tagelang vor einem solchen Schritt gewarnt wurden, sowie ein Einreiseverbot für diese Funktionäre. Wissen Sie, wie viele Funktionäre betroffen sind? 21.

Da wird eine Halbinsel annektiert und als Reaktion werden die Drahtzieher rechtzeitig aufgefordert, ihre Vermögen aus der westlichen Welt abzuziehen, damit man ihnen die Konten sperren kann. "Sanktionen"? Nun, ich würde es lieber "freundliche Unterstützung" nennen.

Die EU spricht von drei Stufen der Sanktionen.

Stufe 1: Die Gespräche über Visa-Erleichterungen mit Russland wurden eingestellt.

Stufe 2: Konten von 21 Funktionären wurden gesperrt. Hier sollen in den kommenden Tagen weitere 12 Personen folgen, doch vermutlich müssen die zuvor noch gewarnt werden.

Stufe 3: Wirtschaftliche Sanktionen, doch nur dann, wenn Russland weitere Gebiete in der Ukraine beansprucht. Die Krim ist also, wie von mir erwartet, bereits aufgegeben worden.

Natürlich wird die deutsche Wirtschaft nun laut und spricht von unabsehbaren negativen Folgen, wenn wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland erhoben würden. Und natürlich betonen auch Merkel sowie Außenminister Steinmeier bei jeder Gelegenheit, dass die Sanktionen "mit Augenmaß" getroffen würden, um die diplomatischen Gespräche nicht zu belasten.

Na, ich bin gespannt, was nach der dramatischen Rhetorik dann an Fakten übrig bleibt. Viel dürfte es nicht sein.

An den Finanzmärkten hat man diese Rhetorik inzwischen offensichtlich durchschaut. Putin hat nun sogar bekräftigt, dass er über die Krim hinaus nicht an weiteren Teilen der Ukraine interessiert sei. Ich denke, man darf ihm glauben.

Gefahr geht in meinen Augen nunmehr nur noch von der Ukraine selbst aus. Dort hat sich nun eine Regierung etabliert, die ebenfalls aus nicht ganz sauberen Menschen besteht und die sich zudem noch die Unterstützung von Funktionären holen, die zuvor auch mit den Russen kooperiert haben. Der Unterschied: Nun läuft alles west-freundlich. Doch ob diese Regierung vom Volk, das ja tatsächlich zu einem großen Teil aus Russen besteht, akzeptiert wird und den Spagat zwischen Europa und Russland erfolgreich hinlegen kann, das bleibt abzuwarten.

Und Unruhen innerhalb der Ukraine könnten zu einem späteren Zeitpunkt von Putin dann wiederum dahingehend interpretiert werden, seine russischen Landsmänner in der Ukraine schützen und unterstützen zu müssen. Die Krise ist also noch lange nicht vorbei.

Insbesondere der DAX hatte vor dem Hintergrund der Krim-Krise stark Federn gelassen. Entsprechend ist nun auch die Aufholjagd des DAX kräftiger (+3,1%) als bei seinen Pendants in den USA (+1,4%) und Japan (-0,7%).


US-NOTENBANK KOMMUNIZIERT ZINSANHEBUNGSTERMIN

Am Mittwoch Abend gab es dann noch einen weiteren Schock: US-Notenbankcheffin Janet Yellen gab ihre erste Zusammenfassung zur Notenbanksitzung. Im wesentlichen hielt sie sich an die Vorgaben ihres Vorgängers Ben Bernanke und führte die eingeleitete Drosselung der Liquiditätsflutung fort. QE3 wurde um weitere 10 Mrd. USD gekürzt.

Sie hielt auch an der Interpretation ihres Vorgängers fest, dass die schwachen Konjunkturdaten der vergangenen Monate insbesondere aufgrund des strengen Winters hervorgerufen wurden und keine Schwächung des Aufschwungs darstellten. Derzeit herrscht noch Verunsicherung bei der Interpretation der Konjunkturdaten: Wie groß der negative Einfluss des strengen Winters letztlich genau war, wird man erst in einigen Wochen erfahren, wenn weitere Daten veröffentlicht werden.

Der Arbeitsmarkt entwickelt sich also langsam aber gut. Die von Bernanke ausgegebenen 6,5% Arbeitslosenquote, die mindestens unterschritten werden müssen bevor Zinserhöhungen in den Bereich des möglichen kommen, sind inzwischen in Reichweite und Spekulanten feilschen um den Termin der ersten Zinsanhebung. Die Befürchtung, dass ein Unterschreiten der 6,5% automatisch Zinsanhebungen nach sich ziehe, wurde schon längst ausgeräumt. Doch wann genau ist mit dem ersten Zinsschritt zu rechnen?

Mit dieser Frage konfrontiert machte Janet Yellen einen Fehler: Sie antwortete so konkret, wie es ein Notenbanker nicht tun darf. "Etwa sechs Monate nach dem Ende von QE3" sagte sie. Bei der aktuellen Drosselungsgeschwindigkeit von 10 Mrd. USD pro Monat dürfte QE3 Ende des Jahres auf Null gefahren sein. Damit ist bis spätestens Mitte 2015 mit der ersten Zinsanhebung zu rechnen, und das ist einige Monate früher als von Spekulanten zuvor erwartet wurde.

"We do not pre-commit" ist einer der Standardsätze eines jeden Notenbankers: Wir verpflichten uns nicht verfrüht zu irgendwelchen Entscheidungen. Notenbanken schauen auf die Ist-Situation und treffen ihre Entscheidung. Natürlich haben Notenbanker eine Meinung über die künftige Entwicklung, doch diese sollte nicht veröffentlicht werden. Denn damit laufen sie Gefahr, falsch zu liegen und das wiederum unterminiert ihre Glaubwürdigkeit. Welcher Notenbanker gibt schon gerne zu, dass ein Aufschwung langsamer vonstatten geht als er es erwartet hat? Wenn nun der Aufschwung in den USA langsamer abläuft, wird Fed-Cheffin Yellen entweder einen Fehler eingestehen müssen und die in Aussicht gestellte Zinsanhebung verschieben, oder aber sie hebt den Zins dennoch an, "um Recht zu behalten", und schadet damit der Wirtschaft.

Die Reaktion an der Börse war negativ: Spekulanten versehen Ereignisse gerne mit Zahlen und errechnen über Wahrscheinlichkeiten dann faire Kurse. Wenn nun eine Zinsanhebung früher zu erwarten ist als in ihren Modellen oder Köpfen, dann ist das negativ für den Aktienmarkt und entsprechend wurde der Dow Jones direkt im Anschluss an diese Aussage ausverkauft. Inzwischen wurden die Verluste wieder ausgeglichen, unter'm Strich ist es doch eine positive Aussage die Yellen da gemacht hat: Es geht der Wirtschaft in den USA so gut, dass eher früher als später Zinsanhebungen möglich sein werden.

Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (20.03.2014) | Woche Δ

Dow Jones: 16.331 | 1,4%
DAX: 9.296 | 3,1%
Nikkei: 14.224 | -0,7%
Euro/US-Dollar: 1,38 | -0,6%
Euro/Yen: 141,15 | 0,1%
10-Jahres-US-Anleihe: 2,78% | 0,12
Umlaufrendite Dt: 1,29% | -0,01
Feinunze Gold: $1.333 | -2,7%
Fass Brent Öl: $106,26 | -1,0%
Kupfer: 6.444 | -0,3%
Baltic Dry Shipping: 1.621 | 10,4%



Immerhin hat die Rhetorik der Fed-Cheffin Yellen zum Ende des Euro-Höhenflugs geführt. Der US-Dollar ist wieder stärker geworden, die 1,40 USD/EUR wurden knapp nicht erreicht. Auch gegenüber dem japanischen Yen konnte der US-Dollar wieder zulegen.

Die Beruhigung auf der Krim hat auch zu einem abnehmenden Interesse an Gold geführt, der Goldpreis fiel um 2,7%.

Hinsichtlich des Kupferpreises, der Anfang des Monats plötzlich von 7.050 auf 6.400 USD/to (-9,2%) eingebrochen war, gibt es neue Weltuntergangstheorien. China steht natürlich im Mittelpunkt dieser Theorien.

Kupfer werde in China zu einem großen Teil als Sicherheit für Kredite verwendet. Viele Unternehmen hätten also Kupferbestände über die internationalen Börsen gekauft, beispielsweise an der Londoner Rohstoffbörse, und eingelagert, um sie als Sicherheit für Investitionen zu verwenden.

Sowohl der steigende Kupferpreis habe diesen Investitionen geholfen, es konnte immer weiter investiert werden ohne den Kredit zu tilgen, als auch die bisherige Zusicherung des chinesischen Staates, fällige Zinszahlungen notfalls zu übernehmen, haben diese Praxis sehr populär gemacht. Die Zusicherung der Regierung gibt es nun nicht mehr, in den vergangenen Wochen gab es erstmals zwei Fälligkeiten, die nicht bedient wurden. Und gleichzeitig hat der Kupferpreis mit dem Unterschreiten der 7.000 USD/to-Marke bei einigen Krediten die Nachschusspflicht aktiviert, was zu Not-Liquidationen der Kupferbestände führte.

Kupfer war 2009 bis 2011 von 3.000 auf 10.000 USD/to gestiegen, seither geht es langsam bergab. Nun wurde also eine Schwelle erreicht, die zu Notverkäufen führte. Das toxische daran: Die Notverkäufe drücken weiter auf den Kupferpreis, was wiederum weitere Notverkäufe auslöst. Ein toxischer Kreislauf wurde in Gang gesetzt.

Die schlimme Begleiterscheinung ist die Interpretation, dass vieles des weltweit gehandelten Kupfers gar nicht benötigt wird. Der Anteil des Kupfers, das einfach nur eingelagert und als Sicherheit dienen sollte, ist nicht bekannt. Doch in solchen Zeiten geht man stets von dem Schlimmsten aus und entsprechend düster sieht man derzeit die wirkliche Kupfernachfrage seitens China.

Eine ganz ähnliche Argumentation habe ich auch schon für den Eisenpreis gelesen und so können Sie sich vorstellen, dass der Rohstoffmarkt derzeit insgesamt ziemlich unter Druck ist. Sicher ist etwas Wahres an dieser Theorie dran. Doch wie groß ist das Problem wirklich? Sind nur einige Rohstoffkonzerne betroffen, die sich hier übernommen haben? Oder handelt es sich um eine Praxis, die in China auch völlig rohstoffunabhängige Unternehmen zur Finanzierung ihrer Investitionen angewendet haben? Lässt sich der Rohstoffpreisverfall nun zügig stoppen? Oder erleben wir hier gerade wieder eine teuflische Abwärtsspirale wie wir sie bei der Immobilienkrise gesehen haben?

Die Nervosität ist groß. Leider hat uns China in dieser Woche keine neuen Daten geliefert, die zur Beurteilung dieser Geschichte helfen würden. Es ist ein weiterer Schauplatz, den wir im Auge behalten müssen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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