Alt 19.07.14, 01:35
Standard So tickt die Börse: "Warum" wurde MH17 abgeschossen?
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Wichtiger noch als die Frage, WER die Boeing 777 über der Ukraine abgeschossen hat, ist die Frage nach dem "Warum?". Berichten zufolge haben viele Fluggesellschaften schon seit Monaten ihre Flugrouten dahingehend verändert, dass die Ukraine nicht mehr überflogen wird. Flightradar24 jedoch meldet, dass einige dieser Fluggesellschaften nur Lippenbekenntnisse abgaben, in Wirklichkeit habe man eine Reihe von Fliegern dieser Fluglinien über der Ukraine geortet.

Auch der Flug MH17 kam einige Kilometer von der eigentlich vorgesehenen Flugroute ab. Es ist also derzeit nicht auszuschließen, dass es sich tatsächlich um ein Versehen einer der beiden Kriegsparteien handelte. Bei der Anzahl an Fehlinformationen über die in der Luft befindlichen Flieger kann man ein versehentliches Abschießen also nicht ausschließen. Das wäre tragisch, hätte politisch aber nur begrenzte Auswirkungen.

Politisch viel brisanter wäre die Lage, wenn eine der beiden Kriegsparteien, Separatisten oder Ukrainer, oder gar die Russen selbst den Abschuss absichtlich vorgenommen hätten. Das wäre ein grausames Zeichen, welch brutale Methoden im Krieg Anwendung finden. Und es wäre ein Zeichen dafür, dass eine der Parteien durch solche Gewalt das Chaos noch vergrößern möchte. Eine Lösung des Konfliktes wäre in diesem Fall noch viel weiter entfernt als viele Verhandlungspartner es sich derzeit vorstellen.

An den Finanzmärkten gibt es den Spruch: "Kaufen, wenn die Kanonen donnern". Dennoch würde ich heute noch nicht kaufen, denn der Spruch gilt für den Umstand, wenn sämtliche Verhandlungen und Kriegsrhetorik ad acta gelegt werden und die wahren Interessen der Parteien zum Vorschein kommen. Im Fall der Ukraine gibt es jedoch nach dem gestrigen Vorfall überhaupt keine Klarheit, vielmehr gibt es wieder neue Fragen, neue Ungewißheit. Niemand weiß derzeit, warum die Boeing 777 abgeschossen wurde, und eine Antwort auf diese Frage könnte uns noch lange Zeit vorenthalten werden.

Heute erwarte ich daher weiterhin eine schwache Börse. Kaum jemand wird sich vor dem Hintergrund dieser Ungewißheit vor dem Wochenende long positionieren wollen. Entsprechend werden die wenigen Verkäufe bei dem aktuell niedrigen Handelsvolumen die Kurse weiter unter Druck halten.


POSITIVE KONJUNKTURDATEN AUS CHINA: WIRTSCHAFTSWACHSTUM +7,5%

Aus China kommen inzwischen keine Hiobsnachrichten mehr, sondern verhalten positive Meldungen. So fiel das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal mit +7,5% leicht höher aus als die befürchteten +7,4%. Kritiker finden jedoch auch hier bereits das Haar in der Suppe: Lediglich die expansive Gangart der Zentralregierung in den vergangenen Monaten sei für die positive Überraschung verantwortlich. Ausgaben für den Eisenbahnausbau sowie den sozialen Wohnungsbau seien stark gestiegen. Der Konsum jedoch entwickelte sich verhalten. Dabei möchte man in China derzeit die Abhängigkeit vom Westen vermindern, indem man die Binnenkonjunktur stärkt, also den Konsum ankurbelt. Das scheint noch nicht zu gelingen.


FED CHEFIN JANET YELLEN VERGREIFT SICH IM TON

Die Bewertung von kleineren Unternehmen, speziell im Bereich Biotechnologie und Social Media, scheinen überzogen zu sein, so die Chefin der US-Notenbank Janet Yellen. Kurs/Gewinn-Verhältnisse seien höher als im historischen Vergleich.

An der Börse reagierte man sofort, Biotech-Aktien und Social Media Aktien wurden binnen weniger Minuten um 3-5% ausverkauft. Ich halte die Aussage von Janet Yellen für falsch und unangebracht.

Falsch, weil man nicht die KGVs losgelöst von den Wachstumsaussichten betrachten darf. Biotech befindet sich mitten in einem sekulären Wachstumstrend an dessen Ende die gesamte Pharma-Industrie meiner Einschätzung nach neu gemischt wird. Wer sich diese Entwicklung vor Augen hält, kommt schnell zu dem Schluss, dass die Wachstumsaussichten für viele der kleinen Biotech-Unternehmen durchaus ein historisch hohes KGV rechtfertigen.

Unangebracht, weil die Notenbankchefin nicht über das Bewertungsniveau an der Börse sprechen muss. Sie kann handeln. Ein großer Teil des Börsenhandels findet auf Kredit statt, insbesondere bei institutionellen Anlegern. Aktien können zu 50% beliehen werden. Sie können also doppelt so viel Aktien kaufen, wie Sie Geld haben. Es ist ein Federstrich für die Notenbank, diese 50% Sicherheitsleistung auf beispielsweise 60% zu erhöhen. Damit würde sie ein klares Zeichen setzen, dass ihrer Ansicht nach das Bewertungsiveau zu hoch ist. Die Notenbank kann die Sicherheitsleistung auch für Branchen oder für eine Liste von Einzelaktien ganz gezielt modifizieren.

Was soll also eine schwammige Aussage, dass einige kleine Unternehmen zu teuer erscheinen? Wenn sie zu teuer sind, dann sollte sie handeln. Wenn nicht, dann sollte sie auch keine schwammigen Reden halten.

Zuletzt ist Alan Greenspan durch seinen Marktkommentar berühmt geworden: Die Märkte befänden sich in einer "irrational exuberance" - irrationalen Überschwänglichkeit, sagte er im Dezember 1996. Es war der Startschuss zur Jahrhundert-Hausse, die bis zum März 2000 anhielt.


Für mich klingt die Aussage von Janet Yellen daher nicht nach einer Warnung, sondern eher nach einem Hilferuf. Schauen wir nun zunächst einmal auf die Wochenperformance der wichtigsten Indizes:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (17.07.2014) | Woche Δ

Dow Jones: 16.977 | 0,4%
DAX: 9.754 | 1,0%
Nikkei: 15.216 | 0,3%
Euro/US-Dollar: 1,35 | -0,6%
Euro/Yen: 137,09 | -0,6%
10-Jahres-US-Anleihe: 2,48% | -0,06
Umlaufrendite Dt: 0,99% | -0,03
Feinunze Gold: $1.311 | -1,9%
Fass Brent Öl: $108,26 | -0,2%
Kupfer: 7.037 | -1,7%
Baltic Dry Shipping: 738 | -11,7%



Anfang Juli erlebten wir einen Ausverkauf an den Börsen. Die Rekordkurse wurden noch über den Monatswechsel gerettet, anschließend stellten viele Investoren ihre Positionen glatt und verschwanden in den Sommerurlaub. Mit dem 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, beginnt offiziell das Sommerloch, und das Handelsvolumen an den Börsen ebbt ab. Kleine Stimmungsschwankungen werden in den kommenden Wochen zu großen Kursausschlägen führen.

Nach dem Ausverkauf der Vorwoche folgte diese Woche eine Erholung, bis Mitte der Woche die USA schärfere Sanktionen gegen Russland verhängten, der Konflikt in Israel sich zuspitzte und dann gestern noch das zivile Flugzeug abgeschossen wurde. So bliebt von der Erholung um zwischenzeitlich über 2% am Ende nur noch 1% im DAX übrig.

Sicherheit ist mehr gefragt denn je, und so werden Staatsanleihen hüben und drüben gekauft. Die Rendite sank in den USA wieder unter 2,5%, die Umlaufrendite in Deutschland ist nun wieder unter 1% gerutscht.

Der Goldpreis war schon in der ersten Juli-Woche stark angestiegen und befindet sich trotz der neuerlichen Spannungen noch immer auf dem Rückzug.

Im Sommerloch sind die maßgeblichen Entscheider häufig nicht im Haus. So kommt es immer wieder zu Fehleinschätzungen durch das Management der zweiten Reihe. Wir dürfen also in den kommenden Wochen nicht jede Kursbewegung zu erklären versuchen, so auch heute nicht den Rückgang im Goldpreis. In der Regel werden solche offensichtlich falschen Kursbewegungen binnen weniger Tage dann korrigiert. Irgendwann wird das Management der zweiten Reihe seine Chefs am Strand ans Telefon kriegen und eine korrekte Einschätzung zu den Vorgängen erhalten.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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