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SANKTIONEN SETZEN NADELSTICH, WIRKUNG MODERAT.
So, jetzt ist die Ukraine-Krise im Bewußtsein der Anleger angekommen. Die EU hat nun endlich auch Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt und wartet nun ängstlich auf eine Reaktion aus Moskau. Putin hingegen sitzt in meinen Augen nach wie vor am Steuer dieser Krise. Die Angst der Europäer, Gasprom könnte die Gaslieferung einstellen, ist in meinen Augen inzwischen berechtigt. Nicht umsonst hat Putin erst kürzlich einen weitreichenden Öl-Liefervertrag mit China abgeschlossen. Russland wird nicht auf dem Gas sitzenbleiben, wenn es nicht mehr nach Europa geliefert wird, es gibt andere dankbare Abnehmer. Die Sanktionen sind jedoch höchstens ein Nadelstich: Bestehende Verträge dürfen erfüllt werden, es wird also noch dauern, bis die Sanktionen in den Umsatzzahlen von Unternehmen zu sehen sind. Doch einen ersten Vorgeschmack gaben gestern CEO Hainer von Adidas und CEO Kaeser von Siemens: Der Ausblick für das zweite Halbjahr wurde aufgrund von nicht vorhersehbarer Entwicklungen im Rahmen der Russland-Sanktionen reduziert bzw. gleich ganz weggelassen. BP CEO Dudley sprach von tiefen Beziehungen mit Rosneft, dem russischen Ölkonzern. Die Beziehungen seien nach wie vor gut, aber er habe seit einigen Wochen weder mit Putin noch mit dem CEO von Rosneft gesprochen. Rosneft könnte sich nunmehr natürlich verstärkt nach anderen Partnern umschauen, bei denen es das "politische Risiko von Sanktionen" aus russischer Sicht eben nicht gibt. Für die Herstellung von technischen Kunststoffen (Plastik) ist der Haupteinsatzfaktor Öl und Gas. Die Hälfte des Öls und des Gases, das BASF für seine Produktion verwendet, kommt von Rosneft. Im Gegenzug liefert die BASF-Tochter Winterschall wichtige Bohrausrüstung nach Sibirien. Schauen wir uns die Sanktionen im Einzelnen einmal an. Es handelt sich um drei Bereiche: Waffen, Finanzen und Öl. Es verwundert nicht, dass man keine Waffen mehr an Russland liefern möchte, da das Land den Vorwürfen zufolge die ukrainischen Separatisten mit Waffenlieferungen unterstützt. Komisch nur, dass Frankreich noch zwei Kriegsschiffe liefern darf, die von den Russen bestellt wurden. Hier hat Frankreich seine wirtschaftlichen Interessen über das Ziel der einvernehmlichen Sanktionen gestellt. Raffinierter sind schon die Finanzsanktionen: Russische Banken dürfen an den europäischen Märkten keine Anleihen mehr ausgeben. 70% der Finanzierungen laufen über die europäischen Märkte, ständig werden Unternehmensanleihen fällig und durch neue Anleihen abgelöst. Diese Sanktion könnte schnell zu Liquiditätsengpässen bei einigen russischen Banken, gegebenenfalls auch Unternehmen führen. Das wiederum führt sodann zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen russischen und europäischen Unternehmen. Der dritte Bereich ist jedoch wiederum ebenfalls ein Kompromiss zwischen wirtschaftlichen Eigeninteressen der EU und moralisch bedingten Sanktionen: High-Tech im Bereich der Ölförderung darf nicht mehr an Russland verkauft werden. Auch hier gilt diese Sanktion nur für Neuverträge, bereits zugesagte Lieferungen dürfen noch ausgeführt werden. Zudem gilt die Sanktion nur für den Ölbereich, der Gasbereich ist ausgenommen. Kein Wunder, hängt doch insbesondere die deutsche Energiewirtschaft am russischen Gas. Komisch ist nur, dass die Bohrausrüstung für Öl sich kaum von der Ausrüstung für Gas unterscheidet. Die Russen werden also künftig nur Gasförderanlagen einkaufen und diese dann flexibel einsetzen. Der Zeitpunkt der Sanktionen ist seitens der EU günstig gewählt. Zum einen besteht nun die Hoffnung, mit Russland in den kommenden Wochen eine Lösung zu finden, sodass die Gaslieferungen für den bevorstehenden Winter nicht gefährdet werden. Nach unserer Energiewende hätten wir sonst ernsthafte Probleme, unsere Häuser warm zu kriegen. Die EU hat zwar schon einen Notfallplan ausgearbeitet, es ist aber noch nichts über dessen Inhalte bekannt geworden. Einschränkungen wären in meinen Augen unvermeidbar. Zum anderen hat sich die wirtschaftliche Situation in der EU stabilisiert. Auswirkungen der Sanktionen würden insbesondere die russisch-orientierten Länder der EU treffen, wie Deutschland und Österreich, deren Wirtschaft derzeit recht rund läuft. Die Club-Med Länder verzeichnen derzeit eine Stabilisierung ihrer Wirtschaft. Ich würde also keine Rückkehr zur Rezession befürchten, sondern lediglich eine Verzögerung der Konjunkturerholung Europas. Vor diesem Hintergrund ist es nunmehr verständlich, dass die Börse heftig ausverkauft, während die Analysten mit spitzem Bleistift überall die schlimmsten Auswirkungen der Russland-Sanktionen auf die westlichen Konzerne in die Geschäftsentwicklung einrechnen. Durch die oben beschriebenen, in meinen Augen noch immer moderaten Sanktionen dürfte den Unternehmen jedoch Zeit genug bleiben, um entsprechende Anpassungen des Geschäftsmodells vorzunehmen. CFO Harder von C.A.T. Oil hat mir beispielsweise gesagt, man könne nach Auslaufen der Verträge die Ausrüstung des Bohrspezialisten dann in andere Länder transportieren und dort einsetzen. Das würde das Geschäft, den Wachstumspfad um ca. ein halbes Jahr verzögern. Nicht schön, aber auch kein Weltuntergang. PORTUGAL: RÜCKSCHLAG FÜR EU-SCHULDENKRISE Die USA haben ihre Banken "zwangsrekapitalisiert" und damit die Finanzkrise sehr schnell beendet. Sehr zum Ärger der Banken, die durch die Zwangsmaßnahme hohe Zinsen zahlen und viele Geschäftsbereiche abstoßen mussten, um das Kapital zurückzuführen. Zudem hat die Regierung Mitarbeiter in die Banken geschickt, die gnadenlos alle versteckten Risiken bezifferten und aufdeckten. Die US-Banken stehen heute, wenn auch auf niedrigerem Niveau, wesentlich gesünder da als ihre europäischen Kollegen. In Europa wurstelte man sich so durch und ist immer wieder überrascht, wenn an der einen oder anderen Stelle immer neue schwarze Löcher aufbrechen. Das Firmengeflecht um den portugiesischen Banco Espirito Santo ist nicht neu, doch der heute noch immer dünnen Kapitaldecke ist es zu verdanken, dass auch fünf Jahre nach der Finanzkrise ein einzelner Kreditausfall eine gesamte Volkswirtschaft in den Abgrund reißen kann. Ich halte das Ereignis in Portugal für tragisch, aber nicht gefährlich für Europa. Die verschiedensten Hilfsmechanismen und Töpfe stehen bereit, und entsprechend wird in einigen Wochen wieder Normalität in Portugal einkehren. Ein Rückschlag für das Überwinden der EU-Schuldenkrise, doch keine Rückkehr in den Krisenmodus. US-KONJUNKTUR ERSTARKT, ZINSEN SOLLTEN STEIGEN Mittwoch Abend hat US-Notenbankchefin Janet Yellen die jüngste Entscheidung zur Zinspolitik bekanntgegeben. Das Tapering wird unverändert fortgesetzt. Der Tonfall hinsichtlich einer zu erwartenden Zinserhöhung hat sich ein wenig verschärft. Die Fed meint es also ernst mit einer Zinserhöhung, und die jüngsten Konjunkturdaten in den USA geben ihr Recht. So ist die Arbeitslosenzahl deutlich unter dem vom ehemaligen Notenbankchef Bernanke vorgegebenen Ziel von 6,5%, das er für eine erste Zinsanhebung als Voraussetzung nannte. Diese Woche wurde veröffentlicht, dass die Löhne und Gehälter stärker steigen denn je. Auch das Wirtschaftswachstum ist mit 4% deutlich über dem, was wir in den vergangenen Jahren gesehen haben. Somit stellen sich Anleger nunmehr eher auf eine frühere Zinsanhebung ein. Das Zinsniveau in den USA steigt also, gleichzeitig steigt dann auch der US-Dollarkurs. Steigende Zinsen erhöhen die Kosten für Investitionen und dämpfen somit das Konjunkturwachstum. Zudem führt ein steigender US-Dollar zu geringeren Einnahmen international agierender Unternehmen im Ausland. 700 Euro für das iPhone 5S spülen bei einem Wechselkurs von 1,35 USD/EUR immerhin 945 USD in die Kassen von Apple. Bei einem Wechselkurs von 1,30 USD/EUR jedoch nur noch 910 USD. Obwohl viele Medien diese Argumentation anführen, um den Ausverkauf einiger internationaler Unternehmen zu begründen, halte ich nicht viel davon. Zinserhöhungen durch die Notenbanken sind stets dadurch begründet, dass die Wirtschaft andernfalls überhitzen würde. Man möchte das vorhandene Wachstum kontrollieren und nicht abwürgen. Trotzdem werden einige Aktien mit dieser Begründung ausverkauft als gebe es kein Morgen. Ich halte das für falsch. Fazit: Der Ausverkauf, den wir derzeit sehen, ist meiner Einschätzung nach hauptsächlich auf die Auseinandersetzung mit Russland zurückzuführen. Weder die Pleite in Portugal, noch der scharfe Ton von Janet Yellen sind geeignet, den DAX um 6% (-3,9% plus der heutigen -2,1%)in den Keller zu drücken. Schauen wir uns einmal die Wochenentwicklung im Einzelnen an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (31.07.2014) | Woche Δ Dow Jones: 16.563 | -3,0% DAX: 9.407 | -3,9% Nikkei: 15.523 | 0,4% Euro/US-Dollar: 1,34 | -0,3% Euro/Yen: 137,77 | 0,7% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,56% | 0,06 Umlaufrendite Dt: 0,94% | -0,04 Feinunze Gold: $1.285 | -0,7% Fass Brent Öl: $105,81 | -1,3% Kupfer: 7.103 | -1,0% Baltic Dry Shipping: 755 | 3,1% Insbesondere Europa ist getroffen und hier insbesondere Deutschland als enger Handelspartner Russlands. Mit -3,9% bis Donnerstag Abend und heute nochmals -2,1% haben Anleger die Russland-Sanktionen nunmehr realisiert und dem DAX den Rücken gekehrt. Probleme in Europa und gleichzeitig die Aussicht auf bald schon steigende Zinsen in den USA haben dem US-Dollar zu neuer Stärke verholfen. Der Wechselkurs zum Euro nähert sich dem Tief vom vergangenen November bei 1,33 USD/EUR. Von der Dollarstärke profitiert die japanische Wirtschaft, der Yen hat ein ganzes Prozent gegenüber dem US-Dollar abgegeben. Im Gegenzug konnte der Nikkei trotz der schwachen geopolitischen Lage zulegen. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass die deutsche Hochtechnologie von Russen gegebenenfalls durch japanische Wettbewerber ersetzt werden kann. Der Zinsabstand zwischen Deutschland und den USA geht wieder auseinander. Während in Deutschland die Flucht in den Sicheren Hafen der Bundesanleihen die Umlaufrendite deutlich unter 1% senkt, steigt der Zins in Erwartung der schärferen Gangart der US-Notenbank in den USA leicht an. Die deutsche Umlaufrendite ist mit 0,94% nur noch einen Hauch entfernt von dem EU-Schuldenkrisenniveau und historischen Tief bei 0,92% im Sommer 2012. Wie weiter oben bereits ausgeführt, halte ich diese Reaktion für übertrieben: Damals wurden deutsche Staatspapiere so stark nachgefragt, weil spanische, italienische, portugiesische, ... Anleihen als völlig unsicher galten, man sprach allerorten von einer Ausfallgefahr. Es gab keine Alternative zu deutschen Staatspapieren. Heute ist die Situation ganz anders: Die meisten Club-Med Länder stehen heute wesentlich besser da als vor zwei Jahren. Von einer Ausfallgefahr will derzeit niemand mehr etwas wissen. Der Rückgang des Ölpreises ist direkt auf den US-Dollaranstieg zurückzuführen. Da das Öl in US-Dollar gehandelt wird und der US-Dollar weltweit nun mehr wert ist als vor einer Woche, muss weniger von dieser Währung auf den Tisch gelegt werden, um bei den ölexportierenden Ländern ein Fass davon zu erhalten. Ein weiterer Anstieg des US-Dollars könnte den Ölpreis noch unter 100 USD/Fass führen. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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