Alt 02.03.15, 18:55
Standard Die Fed lenkt, der Markt denkt
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Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

die Kommentare zu den Äußerungen der Fed-Vorsitzenden Janet Yellen in der vorigen Woche ließen den aufmerksamen Beobachter zunächst etwas ratlos zurück. Geldpolitisch locker eingestellte Analysten – vornehmlich in den USA – sehen nun die erste Zinserhöhung zum Teil erst in 2016 (siehe Steffens Daily vom 25.02.2015). Die straffer orientierten Kommentatoren hierzulande wollen allenfalls eine Verschiebung vom Juni auf Juli sehen.

Was wäre die Börse ohne Spekulationen?

Bei derartigen Diskrepanzen stellt sich natürlich sofort die Frage, wie der Markt diese Angelegenheit bewertet. Man kann es sich natürlich auf zweifache Art einfach machen. Die erste Möglichkeit ist: Der DAX ist deutlich gestiegen, also plädieren die Börsianer offenbar tatsächlich für eine (weitere) Verschiebung. Die Frage ist nur – auf welchen Termin?

Die zweite Möglichkeit ist, sich der Meinung der Fed anzuschließen. Frau Yellen kündigte schließlich an, das Wörtchen „geduldig“ aus dem Statement zu streichen, wenn die Fed eine Zinserhöhung beabsichtigt. Am liebsten hätte es die Fed nun vermutlich, wenn Anleger und Analysten überhaupt nicht mehr über den Termin spekulieren, bis dieses Wort gestrichen wird. Aber mal ehrlich – was wäre die Börse ohne solche Spekulationen?

Was der Markt über die Zinserhöhung denkt

Interessanterweise braucht es in diesem Fall gar keine Spekulationen. Es gibt schließlich eine ganz einfache und völlig eindeutige Möglichkeit, die Meinung des Marktes hinsichtlich der Zinserhöhung zu ergründen: die Fed Funds Futures.

Diese Futures werden an der Terminbörse Chicago seit vielen Jahren gehandelt und korrespondieren bezüglich ihrer Verfallstermine mit den entsprechenden Terminen der Fed-Sitzungen. Die Future-Preise lassen sich – ähnlich wie für den Bund-Future (siehe Steffens Daily vom 27.02.2015) in Zinsniveaus umrechnen. Diese entsprechen dem von den Marktteilnehmern für den jeweiligen Sitzungstermin erwarteten Leitzins.

Ein klarer Blick auf die Markterwartungen

Werfen wir also einen Blick auf diese Markterwartungen:



Quelle: CME Group, eigene Berechnungen

Dargestellt sind die Markterwartungen für das Leitzinsniveau (senkrechte Achse) in diesem Jahr zu drei verschiedenen Zeitpunkten: von Ende Januar 2015 (hellblaue Säulen), vom Freitag vor der Yellen-Rede (mittelblaue Säulen) und vom Freitag nach der Yellen-Rede (dunkelblaue Säulen), und zwar jeweils für die kommenden acht Fed-Sitzungstermine (waagerechte Achse). Mit den roten Linien sind die typischen Leitzinsniveaus im Abstand von 0,25 Prozentpunkten markiert. Das unterste Niveau (0,25 %; gestrichelte Linie) ist die derzeitige Obergrenze des aktuellen Fed- Leitzinsbandes (0 bis 0,25 %). Der erste Zinsschritt wäre also aus Sicht des Marktes zu erwarten, wenn sich die Säulen der nächsten roten Linie (0,5 %) nähern oder sie überschreiten.

Frühere Zinserhöhung war schon vor der Yellen-Rede eingepreist

Wie hat die jüngste Yellen-Rede diese Erwartungen beeinflusst? Der Unterschied zwischen den beiden jeweils rechten (dunkleren) Säulen ist gering. Die Werte der dunkelblauen Säulen (nach der Yellen-Rede) sanken zwar gegenüber der Vorwoche, aber es gab keine gravierenden Änderungen. Erst für Oktober 2015 erwartet der Markt „sicher“ die erste Zinserhöhung (Werte über der 0,5%-Marke).

Für die September-Sitzung liegt der Wert bei mehr als 0,4 % und signalisiert damit ebenfalls schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den ersten Zinsschritt. (Nach der Berechnungsmethode von CME liegt die Wahrscheinlichkeit für den ersten Zinsschritt im September bei 54,62 %; siehe eingetragene Zahlenwerte).

Interessanter sind die Werte der hellblauen Säulen, die von Ende Januar stammen. Damals lagen Markterwartungen noch merklich niedriger. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt lag laut CME zu diesem Zeitpunkte noch bei 44,6, also unter 50 Prozent. Erst für Dezember steigt der Wert der hellblauen Säule über die 0,5 % Marke.

Bis zum Sommer können wir entspannen

Die Marktteilnehmer haben sich also bereits im Vorfeld der Yellen-Rede auf einen früheren Termin eingestellt (siehe gelber Pfeil) und diesen nach der Rede nur geringfügig revidiert. Die Gründe hierfür dürften die gewesen sein, die Sie hier auch schon im Steffens Daily nachlesen konnten, z.B. der robuste US-Arbeitsmarkt. Yellens Rede hat ebenso wie die jüngsten US-Inflationsdaten, nach denen erstmals wieder ein Preisrückgang im Jahresvergleich verzeichnet wurde, die Markteinschätzung kaum verändert.

Damit geben also sowohl diejenigen Analysten, die eine deutlich spätere Zinserhöhung propagieren als auch diejenigen, die im Juli damit rechnen, nur ihre eigene Überzeugung wieder. Der Markt hat ganz eindeutig eine andere Einschätzung!

Gleichzeitig gilt aber auch: Mit der Ankündigung der Zinserhöhung (Wegfall des Begriffs „geduldig“) ist demnach nach Auffassung des Marktes nicht vor der Juni- bzw. Juli-Sitzung zu rechnen. Bis dahin können wir uns in Sachen „Zinserhöhung“ tatsächlich entspannen und uns anderen Spekulationen zuwenden. Und damit hätte die Fed eigentlich doch ihr Ziel erreicht.

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert
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