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Jetzt wird's richtig spannend. Gestern Abend ist der DAX auf mein tieferes Korrekturziel von 9.500 Punkte gefallen, nachbörslich sogar kurz darunter. Hält diese Marke, die ich als Ziel einer fälligen Konsolidierung im Aufwärtstrend bezeichnen würde? Vergangene Woche schrieb ich, wer hoch springen möchte, muss zunächst in die Knie gehen.
Nimmt der DAX nun an Fahrt auf, wie es heute früh den Anschein hat, dann ist die 10.000er-Marke nur eine Wegmarke auf der Strecke zu höheren Kursen. Doch kann der DAX die 9.500 Punkte nicht halten, sind wir flugs wieder zurück in der Endzeitstimmung vom Jahresanfang. Schauen wir uns zunächst einmal an, was diese Woche zum Minus von 4,4% im DAX geführt hat. Am Montag war die Welt noch in Ordnung. Über das Wochenende gab es keine neuen Hiobsbotschaften, und in Japan konnten die Märkte leicht zulegen, aus China gab es kein Störfeuer, denn dort blieben die Börsen aufgrund eines Feiertags geschlossen. Der DAX lief nochmals in Richtung 9.900 Punkte. Ich war bislang davon ausgegangen, dass der Ölpreis die Richtung im DAX maßgeblich beeinflusst. Doch dieser Zusammenhang scheint nun aufgelöst zu sein. Denn am Montag Mittag brach der Ölpreis bereits von 39 auf 36,50 USD/Fass WTI ein, weil eine Einigung auf ein Einfrieren der täglichen Ölfördermengen zwischen Saudi Arabien und dem Iran seitens des Irans erneut ausgeschlossen wurde und Saudi Arabien nunmehr die eigene Fördermenge weiter nach oben schraubte. Doch der DAX folgte dem Einbruch des Ölpreises nicht. Der Einbruch im DAX erfolgte erst am Dienstag früh. Den "einen" Grund für den Einbruch kann ich nicht finden. Der Nikkei war deutlich tiefer (-2,4%), und die Auftragseingänge in Deutschland brachen um 1,2% ein, erwartet war ein Anstieg von 0,2% worden. Der DAX gab allein am Dienstag um 2,6% nach. In den USA legte Hillary Clintons Präsidentschafts-Kontrahent Bernie Sanders sensationell gute Wahlergebnisse in Wisconsin hin und machte damit das Rennen um den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten wieder spannend. Sanders gilt als sehr weit links und somit unternehmensschädigend, kein Wunder also, dass sein Erfolg an der Börse mit Verkäufen erwidert wird. Die US-Politik reichte am Mittwoch noch einen Tiefschlag nach: Das Justizministerium Verbot die Fusion von Pfizer und Allergan. Dabei geht es um das heikle Thema der sogenannten Inversion. Unternehmen verlegen ihren Sitz nach Irland und zahlen fortan die niedrige irische Unternehmenssteuer, während der Geschäftsbetrieb jedoch in den USA verbleibt. Allergan hatte vor kurzem erst seinen Sitz nach Irland verlegt. Durch die Fusion hätte nun der kombinierte Konzern hohe Steuerersparnisse erzielt. Diese Praxis wird bereits weithin kritisiert, denn die Steuern sollten dort gezahlt werden, wo der maßgebliche Geschäftsbetrieb stattfindet. Doch es gibt eben dieses steuerliche Schlupfloch und "andere tun es doch auch". Dieses Schlupfloch soll seit Jahren gestopft werden, das geht jedoch nur nicht so einfach. Die USA wollen verhindern, dass beim Stopfen des Steuerschlupflochs US-Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen benachteiligt sind, also wird eine internationale Lösung angestrebt. Doch da bewegt sich derzeit nicht viel. Das Steuerschlupfloch wird inzwischen von so vielen internationalen Unternehmen genutzt, dass diejenigen, die ordentlich ihre heimischen Steuern abführen, benachteiligt sind. Also haben Pfizer und Allergan mehrere hundert Millionen US-Dollar in die Hand genommen und einen Weg ausgearbeitet, dieses Schlupfloch selber ebenfalls zu nutzen. Legal, also gemäß der aktuell geltenden Gesetze. Nun hat das Justizministerium ein Gesetz erlassen, das rückwirkend gilt, also bereits für den Zeitpunkt vor der Bekanntgabe der Fusion zwischen Pfizer und Allergan vor einem Jahr angewendet werden kann. Man kann über Gesetze verärgert sein oder sie für ungerecht halten, aber alle müssen sich dran halten und damit lassen sich vermeintlich ungerechte Gesetze besser ertragen. Doch dieses rückwirkend erlassene Gesetz trifft ausschließlich den Fall Pfizer / Allergan und wirft damit einen langen Fusionsprozess aus der Bahn. Steuerschlupflöcher mögen schlimm sein, doch rückwirkend erlassene Gesetze nehmen Unternehmen jede Planungssicherheit und machen einen Staat unberechenbar. Ich fürchte, die wirtschaftlichen Folgen dieser Verunsicherung sind deutlich schlimmer, als der Erfolg der einen verhinderten Fusion. Am gestrigen Donnerstag fühlten sich mehrere CEOs genötigt, öffentlich zu den jüngsten Vorgängen Stellung zu beziehen. Die einen zeigten die in ihren Augen wirtschaftsfeindlichen Forderungen von Bernie Sanders auf. Die anderen warnten vor rückläufigen Investitionsentscheidungen, wenn der Staat rückwirkend Gesetze erlässt. Entsprechend schlecht war die Stimmung an der Börse, der Dow Jones gab um 1% ab. In Europa sorgte das "Nee" aus den Niederlanden für Aufregung. Mitten in die Brexit-Diskussion hinein wird der Unmut gegen die aktuelle Europa-Politik in einem EU-Land offenkundig. Ein Ende der Basta-Politik wird gefordert, das erinnert mich an die Situation hier bei uns in Hamburg. Die Politikverdrossenheit von vor einigen Jahren schlägt derzeit um in Volksinitiativen, Bürgerbegehren und Volksentscheide, die der häufig über die Köpfe der Bevölkerung hinweg regierenden Politik die Schranken aufzeigen könnte. War ein Volksentscheid vor wenigen Jahren noch eine nebulöse Möglichkeit, mal seine Meinung kundzutun, so nimmt diese Art der direkten Bürgerbeteiligung immer mehr Kontour an, die Mechanismen werden transparent gemacht, und Bürger auf der Straße, die vor wenigen Jahren noch grundsätzlich bei Menschen mit Klemmbrett weitergelaufen sind, erkundigen sich heute zunehmend nach den Hintergründen des Anliegens. Die meisten Kritikpunkte lassen sich auf einen Nenner bringen: Konstruktionsfehler bei der Gründung der EU konnten bis heute nicht behoben werden. Eine Verfassung konnte nicht gefunden werden, so schrieben die Politiker ihre Inhalte in einen Staatsvertrag von Lissabon und kamen so um die Lösung des Konstruktionsfehler herum. Seit eh und je gibt es viel Flickschusterei, bei der durch Ausnahme- und Sonderregelungen Stimmen einzelner EU-Mitglieder gekauft werden, anstelle sich einem gemeinsamen Ziel zu verschreiben. Nun werden die Briten im Juni über den Brexit abstimmen. Ich persönlich halte den Europäischen Gedanken nach wie vor für so stark, dass ich an einen Austritt der Briten nicht wirklich glauben kann. Doch es gibt bereits eine Reihe von Berechnungen, was ein Brexit bedeuten würde. Für Großbritannien wird ein Rückgang des Bruttoinlandsproduktes vorhergesagt, insbesondere London als Finanzplatz Nummer eins in Europa würde wohl Federn lassen. Ein BIP-Rückgang um 1% in Großbritannien würde zu einem BIP-Rückgang von 0,5% in Deutschland führen. Nicht, weil die Briten ein so großer Handelspartner von uns sind, sondern weil Europa inzwischen so stark vernetzt ist, dass die Auswirkungen eben auch über Umwege zu spüren sein würden. Schätzungen laufen weit auseinander, doch nehmen wir der Einfachheit einmal an, im Falle eines gut organisierten Austritts der Briten geht deren BIP um 1% zurück. Sollten sich die Länder hingegen überwerfen und die Trennung ein wenig chaotisch vonstatten gehen, dann könnte Großbritannien einen BIP-Rückgang von 2-3% erleiden. Dies würde für Deutschland dann einen BIP-Rückgang von 1% zur Folge haben. Ich beziehe mich auf eine Studie der IKB, die weniger die direkte Verflechtung betrachtet hat, als vielmehr die Korrelation der beiden inländischen Wirtschaften über mehrere Jahre als Grundlage nahm. Ein interessanter Ansatz erspart einem eine Menge Detailarbeit :-) bringt aber ein sehr brauchbares Ergebnis. Als wäre das noch nicht genug, so ist Griechenland wieder in die Schlagzeilen geraten. Und Portugal noch dazu. Die beiden Länder erfüllen erneut ihre jeweiligen Vorgaben nicht. In Portugal hat die neue Linksregierung erwartungsgemäß die Ausgaben erhöht und damit die Neuverschuldung von den geplanten 2,7% auf 4% gehoben, das Masstricht-Kriterium lässt jedoch nur maximal 3% zu. Und in Griechenland hat erneut die Diskussion um die Finanzierungslücke begonnen, die nach Ansicht der Griechen nach wie vor besteht und nach Ansicht der Troika durch zusätzliche Sparanstrengungen geschlossen werden solle. Schauen wir uns einmal die wichtigsten Indikatoren im Wochenvergleich an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (07.04.2016) | Woche Δ Dow Jones: 17.542 | -1,2% DAX: 9.531 | -4,4% Nikkei: 15.749 | -6,0% Shanghai A: 3.148 | 0,2% Euro/US-Dollar: 1,14 | -0,2% Euro/Yen: 123,72 | -3,4% 10-Jahres-US-Anleihe: 1,69% | -0,12 Umlaufrendite Dt: 0,02% | -0,03 Feinunze Gold: $1.236 | 0,1% Fass Brent Öl: $39,16 | -2,9% Kupfer: 4.638 | -4,2% Baltic Dry Shipping: 517 | 20,5% Zinsspekulationen sind meiner Einschätzung nach in den Hintergrund gerückt. Zwar wird in den Medien immer wieder diskutiert, dass die Fed nun doch früher oder später den nächsten Zinsschritt unternehmen könnte, doch Fed-Chefin Janet Yellen hat vor 10 Tagen Klartext gesprochen: Die Fed bleibt erstmal vorsichtig mit weiteren Zinsschritten. Das Zinsniveau ist in dieser Woche nahezu unverändert. Entsprechend ist der US-Dollar nicht mehr so stark wie zuvor, ich habe ja das Ende der US-Dollarstärke ausgerufen. Der Euro war vor einer Woche um 2% angesprungen und konnte diese Woche das höhere Niveau halten. Der nunmehr teurere Euro drückt sicherlich zusätzlich auf die Aktienmärkte. So ist der DAX um 4,4% eingebrochen während der Dow Jones nur 1,2% abgab. Auch die Japaner leiden unter ihrem nunmehr stärkeren Yen, der Nikkei ist gar um 6% eingebrochen. Der Wochenvergleich für den Ölpreis täuscht: Zwischenzeitlich war der Ölpreis bereits deutlich tiefer, zum Ende der Woche erfolgte eine Erholungsbewegung. Am 17. April werden sich die OPEC-Länder in Doha zusammensetzen und über die Fördermengenkontingente verhandeln. Quasi im Stundentakt kommen widersprüchliche Meldungen über den Ticker: Mal scheint eine Einigung möglich, mal wird von völlig verhärteten Fronten gesprochen. Entlastung für den Ölpreis lieferte diese Woche die Veröffentlichung der US-Lagerbestände. Diese waren überraschend um 5 Mio. Fässer zurückgegangen, erwartet hatte man einen Anstieg um 3 Mio. Fässer. Aus dieser Überraschung wurde gefolgert, dass zum einen die US-Wirtschaft stärker ist als gedacht, und zum anderen die Fracking-Industrie schneller Förderkürzungen umsetzt, als gedacht. Das Kupfer hat kräftig Federn gelassen während gleichzeitig der Baltic Dry Verschiffungsindex um 20% angesprungen ist. Beide Werte gelten als Konjunkturindikatoren, Dr. Copper (so wird Kupfer aufgrund seiner prognostischen Fähigkeiten in den USA häufig genannt)deutet auf eine konjunkturelle Abkühlung während der Im- und Export von China gemäß dem Baltic Dry Index kräftig anziehen. Kriegt China die Kurve und handelt es sich beim Kupfer-Preisrückgang nur um eine Konsolidierung der Kursgewinne der vergangenen Wochen (+16%)? Oder hat Dr. Copper Recht und die weltweite Konjunktur kühlt sich ab, der Verschiffungsindex zeigt nur kurzfristigen Nachholbedarf der Chinesen an? | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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