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Sind wir denn wirklich so vergesslich?
Mit beängstigendem Tempo nimmt die Anzahl absurder Diskussionen rund um gesellschaftliche, politische und vor allem wirtschaftliche Themen zu. Man gewinnt zusehends den Eindruck, dass viele Teilnehmer dieser Debatten überhaupt nicht mehr wissen, wovon sie eigentlich reden. Munter wird dabei die eigene Meinung verkündet – unter völliger Ignoranz der Fakten und mit einer geradezu schauerlichen Geschichtsvergessenheit. Meinungsstark? Eher dämlich! Parallel dazu fürchtet man sich vor Manipulation von Nachrichten, vor den berüchtigten „Fake-News“. Fremde Mächte und deren Geheimdienste sollen uns manipulieren und unsere Gesellschaft destabilisieren. Dabei glauben wir selbst jeden verbreiteten Unsinn und denken nicht mehr selbst nach. Ein paar Beispiele für weit verbreiteten Unfug? Rekordsteuereinnahmen ohne Steuerzahler? Ein beliebtes Thema in politischen Talkshows ist die vermeintliche Ungerechtigkeit. Die Reichen zahlen kaum Steuern, der kleine Mann muss dagegen bluten. Die Reichen werden immer reicher, die Schere in der Besitzverteilung öffnet sich. Sozialer Sprengstoff entsteht angeblich. Die Nullzinsen sind von der „Elite“ erfunden worden und belasten die Kleinsparer! Mit etwas Nachdenken und -rechnen stellt man schnell fest: Bereits auf den ersten Blick ist das natürlich völliger Quatsch. Der überragende Teil der Steuereinnahmen wird von den „Reichen“ aufgebracht. Und natürlich belasten die Nullzinsen auch zu einem überragenden Anteil die vermögenden Anleger, die nun einmal viel Vermögen in Anleihen anlegen. Die Nullzinsen wirken dabei wie eine Vermögensteuer, die den Staat entlastet und reiche Anleger ihrer Zinseinnahmen beraubt. Äpfel und Birnen vergleicht man gerne Der Spitzensteuersatz war unter Kanzler Helmut Kohl mit bis zu 56 % deutlich höher als heute mit 42 % + 3 % „Reichensteuer“. Die Reichen wurden mit der Absenkung beschenkt. Dazu bevorteilt die Abgeltungsteuer auch die bösen Aktionäre, die heute einen geringeren und pauschalen Abgeltungsteuersatz zahlen als deren persönlicher Einkommensteuersatz betragen würde. Auch diesen Blödsinn hört man derzeit fast täglich und an jeder Ecke. Die Steuern für vermögende Bürger müssen endlich erhöht werden. Auch hierbei wird die Realität völlig verkannt, die Geschichte komplett vergessen. Natürlich ist der nominale Spitzensteuersatz heute niedriger als in den 90er Jahren. Auch ist der Prozentsatz der Abgeltungsteuer geringer als der Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer. Dieser Vergleich ist aber in der Realität völlig daneben. Kursgewinne auf Wertpapiere waren nach einer Haltefrist von sechs Monaten und später einem Jahr komplett steuerfrei, in beliebiger Höhe! Später gab es das Halbeinkünfteverfahren. Dazu gab es noch bis 1999 Sparerfreibeträge von 12.000 DM für Eheleute. Haben Sie das auch schon alles vergessen? Wissen Sie überhaupt noch, was Abschreibungen sind? Abschreibungsmöglichkeiten waren früher wesentlich häufiger und attraktiver als heute. Denken Sie allein an die hohen, degressiven Abschreibungsätze im Immobilienbereich. Damals und anfänglich bis zu 7%. Heute nur noch 2%. Selbst ein überschaubarer Immobilienbesitz hat dazu geführt, dass man selbst bei einem weit überdurchschnittlichen Einkommen überhaupt keine Einkommensteuer mehr zahlte. Sagen Ihnen §§ 7b, oder 10e bei selbst genutztem Wohneigentum noch etwas? Eigenheim- und Kinderzulage? Degressive AfA bei vermieteten Wohnobjekten? Eine Werbungskostenpauschale von bis zu 42 DM pro qm ohne Nachweis? Ansparrücklage für Unternehmer? Alles abgeschafft und vergessen! In der Summe zahlt man daher wesentlich mehr Steuern und Sozialabgaben als früher – trotz gesunkenem Spitzensteuersatz! Der Staat verhält sich wie ein Raubritter Klammheimlich und nahezu geräuschlos in der öffentlichen Debatte schafft der Staat sukzessive alle Möglichkeiten zur Steuerreduzierung ab. Die Basis der Steuererhebung wird damit immer breiter. Parallel dazu werden die Beitragsbemessungsgrenzen für die Sozialabgaben ständig erhöht. In 2017 werden erstmals in den alten Bundesländern und Berlin-West Bruttoeinkommen bis zu 76.200 Euro mit Renten- und Arbeitslosenversicherung belastet. Die Grenze für die Kranken- und Pflegeversicherung liegt bei einem neuen Rekordwert von 52.200 Euro brutto. Noch 2010 lagen diese Werte bei 66.000 und 45.000 Euro, 2005 bei 62.400 bzw. 42.300 Euro. Fällt Ihnen was auf? Die Raubritter sind mitten unter uns. Fakten sprechen eine klare Sprache Schaut man sich die nüchternen Fakten der OECD an, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild: Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und die Sozialabgaben haben in Deutschland längst ein weltweit führendes Niveau erreicht. Alleinstehende Angestellte mit einem Durchschnittsgehalt zahlten in Deutschland 2016 im Schnitt 49,4 Prozent ihres Einkommens an den Staat. Im OECD-Ranking liegt Deutschland damit auf Platz 2. Der OECD-Durchschnitt liegt laut FAZ nur bei 36 Prozent. Bei Familien liegt die Abgabenquote bei 34 Prozent, im OECD-Schnitt bei knapp 27 Prozent. Reiche werfen am 1. Mai keine Steine Wie können sich diese vielen falschen Fakten trotzdem in der öffentlichen Debatte so lange halten? Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass die Reichen kaum etwas zu den Rekord-Steuereinnahmen beitragen? Warum tritt diesem Unfug nur vereinzelt jemand öffentlich entgegen? Kennt sich damit wirklich niemand mehr aus? Wird in der Tat einmal über die Fakten gesprochen, regt sich Unmut über die vermeintlich akademischen Diskussionen und über „trockene Zahlen“. Die bösen Reichen haben keine Lobby, finanzieren einen großen Teil unseres Staates, zahlen brav ihre Steuern und ertragen die hohe Belastung still und leise. Haben Sie schon einmal einen Protestmarsch vermögender Bürger gesehen? Man fühlt sich in den derzeitigen Diskussionen ein wenig an den Besuch im Fußballstadion erinnert, wenn übergewichtige Männer auf der Tribüne über die vermeintlich fehlende Schnelligkeit der Spieler lamentieren. Das „Heer der Ahnungslosen“ scheint in der erdrückenden Überzahl zu sein. „Social Media“ rundet dieses Problemfeld ab. Wer am lautesten schreit, oder seine Diskussionspartner am dreistesten beleidigt, scheint zu gewinnen. Ein „Profi-Troll“ zu sein wird zur beliebten Beschäftigung. Man hört wirklichen Experten kaum noch zu. Der Begriff des „Experten“ wird fast schon als Schimpfwort für langweilige Intellektuelle angesehen. Eine insgesamt besorgniserregende Entwicklung. Die echten „Fake-News“ erzeugen diese dämlichen Debatten höchst selbst. Dazu bedarf es keiner bösen Geheimdienste. Fazit Rechnen und denken Sie nach, wenn Sie diese Debatten verfolgen. Unser Staat hat seine rekordhohen Steuereinnahmen vor allem deshalb, weil es in Deutschland – allen Unkenrufen zum Trotz – viele Leistungsträger in allen Bereichen unseres Lebens gibt. Und nur wer viel verdient, zahlt auch dementsprechend hohe Steuern bzw. Sozialabgaben. Unternehmer, Facharbeiter, leitende Angestellte. Der Staat nutzt die fehlende öffentliche Lobby der Leistungsträger gezielt aus und führt reihenweise „weiche“ Steuerhöhungen durch. Bemessungsgrundlagen werden ständig erhöht, steuerliche Ausnahmetatbestände werden sukzessive abgebaut. Steuerzahler beklagen sich kaum. Viele Bürger finden die hohen Steuereinnahmen des Staates beruhigend - und Reiche demonstrieren nicht. Die Kapitalmarktprognose für 2017 von Grüner Fisher Investments können Sie unter www.gruener-fisher.de kostenlos anfordern. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Thomas Grüner die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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