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Diese Woche habe ich zwei verschiedene Märkte beobachtet: In der ersten Wochenhälfte wurden immer neue Aktien gefunden, die noch steigen und somit die Indizes weiter nach oben ziehen können. In der zweiten Wochenhälfte wurde die Geopolitik in abenteuerlicher Weise als Erklärung für den Ausverkauf herangezogen. Schauen wir uns die zwei Märkte mal näher an.
AKTIEN WERDEN RAR Vor einer Woche habe ich geschrieben, dass Anleger zwar kurzfristig skeptisch sind, sich jedoch tendenziell für steigende Kurse nach dem Sommertheater positionieren. Die Kursgewinne setzten sich zu Beginn der Woche fort, häufig ohne direkten Beug zu irgendwelchen Meldungen oder Ereignissen. Immer neue Aktien begannen zu steigen, insbesondere diejenigen, die in den vergangenen Wochen vergessen wurden. Ich denke, wir haben da einen durch Algorithmen getriebenen Markt gesehen. Immer mehr Anleger haben sich in den vergangenen Jahren, seit Beginn der aktuellen Rallye im Jahr 2009, daran gewöhnt, dass die Aktienmärkte steigen. Und da die Rallye mit zunehmendem Alter von immer weniger Aktien getrieben wurde, namentlich Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Alphabet (Google), hat man mit vielen anderen Aktien nicht mit den Indizes mithalten können. Endlos laufende Index-ETFs hingegen konnten gut mithalten. Wer sein Erspartes einfach nur in Indexfonds und Index-ETFs gegeben hat, der hat den 9-Jahre alten Bullenmarkt gut mitnehmen können. Warum also Stock-Picking betreiben? Warum also einzelne Aktien auswählen, um mit viel Schweiß und angespannten Nerven am Ende fast so abzuschneiden wie Index-ETFs? Ich bezweifle, dass es richtig ist, sich auf Index-ETFs zu verlassen, da die Phase von 9 Jahren für viele Anleger zwar lang erscheint, für Ihren inzwischen 50-jährigen Autor jedoch ist das nur eine kurze Marktphase. Kurz vor 2009 haben einige Anleger viel Geld gerade mit ETFs verloren (Lehman-Pleite!). Und wer langfristig sein Vermögen so anlegen möchte, dass mit möglichst wenig Risiko dennoch eine akzeptable Rendite erwirtschaftet wird, der kann mit Einzeltiteln deutlich besser abschneiden, so meine Erfahrung. Aber das wissen viele junge Anleger noch nicht. Und bei dem seit Jahren gut laufenden Arbeitsmarkt gibt es heute viel mehr Menschen in Lohn und Brot, die ihre Ersparnisse irgendwie anlegen wollen. Es gibt also eine Menge Geld, das in ETFs fließt. Doch die ETFs kaufen die in einem Index enthaltenen Werte ungeachtet der jeweiligen Erfolge oder Misserfolge der dahinter steckenden Unternehmen. Und nach eine Rallye von den erfolgreichen Titeln folgen dann notgedrungen bei Ausbleiben von Hiobsbotschaften auch die schwachen Unternehmen. Das haben wir zum Beginn der Woche gesehen: Die ETFs haben die Titel nachgekauft, die in den vergangenen Wochen scheinbar von Anlegern vergessen wurden - ungeachtet dessen, ob es vielleicht einen Grund für das Vergessen gab. Ein zweiter Trend hat uns bereits seit Monaten geholfen, wurde aber zu Beginn der abgelaufenen Woche nochmals durch eine aktuelle Studie von Goldman Sachs ins Bewusstsein der Anleger geführt: Aktienrückkäufe sind im Jahr 2018 um 46% gegenüber dem Vorjahr angesprungen - die US-Unternehmenssteuerreform lässt grüßen - und haben die Aktiennachfrage um geschätzt 1 Billionen US-Dollar gesteigert. Eine Aktiennachfrage, deren Aktien nach dem Kauf aus dem Verkehr gezogen werden. Sprich: Wenn ein Unternehmen seine eigenen Aktien zurückkauft, dann werden diese Aktien anschließend einfach vernichtet, zählen also nicht mehr zu den im Umlauf befindlichen Stücken. Die Aktienzahl sinkt, die Nachfrage nach jeglichen in den Indizes befindlichen Aktien steigt. Aktien werden so zu einem raren Gut, dessen Preis aufgrund der angesprungenen Nachfrage steigt. Sie glauben, der Aktienkurs hat etwas mit der Unternehmensbewertung zu tun? Ja, da haben Sie im Prinzip recht, aber mit dieser Betrachtung verdienen Sie höchsten langfristig ein bisschen Geld. Kurzfristig bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. RUSSLAND-AUSEINANDERSETZUNG ZIEHT EUROPA NACH UNTEN Der zweite Teil der Woche war bestimmt durch die neu angekündigten Sanktionen von US-Präsident Donald Trump gegenüber der Türkei. Die Türkische Lira hat ihren Sinkflug beschleunigt, seit Amtsantritt von Erdogan vor vier Jahren hat sich der Wert halbiert. Nun gibt es umgehend eine Studie, die aufzeigt, wie groß das Kreditengagement einzelner europäischer Banken in der Türkei ist und schwups haben wir die nächste Eurokrise: Insbesondere die Großbanken Spaniens und Italiens haben hohe (30-40 Mrd. EUR) Kreditforderungen an die Türkei. Die Großbanken Deutschlands - gibt es bei uns noch Großbanken? - haben nur Forderungen in Höhe von 20 Mrd. EUR, ähnlich viel wie gegenüber Griechenland. Also gerät der gesamte europäische Bankensektor unter die Räder und die Finanzpresse sucht die schuldigen Banken, die am stärksten unter einem Scheitern Erdogans leiden würden... ...leiden unter einem Scheitern Erdogans? War das nicht der Schurke, der sich 3 Mrd. Euro von Merkel geben lässt, um unser Flüchtlingsproblem zu lösen? War das nicht der Schurke, der Journalisten einsperrt, der Zensur einführt, Gegner eliminiert und sich das Recht nach Belieben zurecht biegt? Und jetzt gehen die europäischen Märkte in die Knie, weil Erdogan unter den Trump-Sanktionen ins Straucheln kommt? Das verstehe ich nicht. Nein, der Grund ist ein anderer. Trump hat Sanktionen gegen Russland erlassen. Der Grund: Die Monate zurückliegende Skripal-Affaire, für die wir noch immer auf Beweise warten. So möchte Trump den Zahlungsverkehr und das Bankgeschäft zwischen Russland und der westlichen Welt einschränken. Noch vor kurzem gab sich der Donald als best buddy von Vladimir und jetzt will er ihn vom westlichen Markt ausschließen. Ein Markt, den Trump lieber selber für sich sichern würde, beispielsweise möchte er ja gerne Flüssiggas nach Europa liefern und die Gaspipeline nach Russland stört den Donald da. Wenn das tatsächlich hinter den Sanktionen stecken sollte, dann macht es sich Trump in meinen Augen zu einfach. Warten wir mal ab, was Trump im Schilde führt. Doch wenn ich mir die Sanktionen der USA gegenüber Russland vor Augen führe, dann macht die Aktienmarktreaktion viel mehr Sinn: Der Euro ist gefallen und trotzdem sind auch die Aktienmärkte gefallen. Denn normalerweise würden die Aktienkurse steigen, insbesondere der DAX profitiert von einem schwachen Euro, da die deutsche Exportindustrie bei fallendem Euro günstigere Preise auf den Weltmärkten anbieten kann und somit wettbewerbsfähiger wird. Und der Wegfall des türkischen Marktes aufgrund von US-Sanktionen ist da leicht zu verschmerzen. Der Wegfall des russischen Marktes hingegen ist nicht so leicht zu kompensieren. Schlimmer noch, ein Russland im Visier der USA führt zu einer ansteigenden Instabilität Europas. Ich erinnere bei der Gelegenheit gerne daran, dass Europa bis weit nach Russland hinein reicht. Europa endet nicht an der deutsch-deutschen Grenze, wie zu meiner Kindheit, auch nicht hinter Polen oder hinter der Ukraine, sondern erst im Ural, dem Gebirge mitten in Russland. In meinen Augen war der schwache Euro und die gleichzeitig schwache Aktienbörse der zweiten Wochenhälfte eher der Russland-Auseinandersetzung zuzuschreiben. FUSION T-MOBILE USA MIT SPRINT WIEDER WAHRSCHEINLICH Bitte schauen Sie sich meinen detaillierten Artikel zur angekündigten und "unmöglich" scheinenden Fusion von T-Mobile USA und Sprint vom 18. Mai dieses Jahres an. Ich habe darin ausgeführt, warum diese Fusion meiner Einschätzung nach und zur Überraschung der meisten Anleger funktionieren könnte. Damals war die Aktie von T-Mobile USA infolge der Ankündigung der Fusion von 65 USD auf 56 USD gefallen. Inzwischen mehren sich die Artikel und Analysen, die diese Fusion nun doch für eventuell möglich halten und die Aktie ist wieder zurück bei 65 USD. Manchmal hilft es, sich mit den Menschen hinter bestimmten Entwicklungen auseinanderzusetzen und John Legere, CEO von T-Mobile USA, hat Wort gehalten. GOOGLE WILL ZURÜCK NACH CHINA Sie erinnern sich: vor einigen Jahren hat Google mit seiner Suchmaschine den chinesischen Markt verlassen. Die Zensur widerspreche der Unternehmensphilosophie, so das Google Management. Nun kündigte Google an, zurück in den chinesischen Markt zu wollen. Man habe bereits einen chinesischen Partner, mit dem man dieses Vorhaben umsetzen wolle und man werde sämtliche Zensurvorschriften berücksichtigten. Seit Google China verlassen hat, ist Baidu groß geworden, das Unternehmen dominiert heute den chinesischen Suchmaschinenmarkt. Die Aktie von Baidu notiert seit der Ankündigung Googles auf einem 52-Wochen-Tief. Während die staatliche chinesische Presse verkünden lässt, man scheue den Wettbewerb nicht, liest man überall in Foren und hört Berichten zufolge hinter vorgehaltener Hand, dass sehr viele Chinesen umgehend lieber die Google-Suchmaschine nutzen würden, wenn sie eine Wahl hätten. Der Zeitpunkt ist günstig: Trump beschwert sich in China gegen alles, was den freien Wettbewerb hindert. Google dürfte sich der Rückendeckung Trumps sicher sein. Schauen wir nun einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich (Schlusskurs von Freitag der Vorwoche zu Freitag dieser Woche) verändert haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (10.08.2018) Woche Δ Σ '18 Δ Dow Jones 25.313 -0,6% 2,0% DAX 12.424 -1,5% -3,8% Nikkei 22.298 -1,0% -2,1% Shanghai A 2.927 2,0% -15,5% Euro/US-Dollar 1,14 -1,6% -4,9% Euro/Yen 126,55 -0,1% -6,2% 10-Jahres-US-Anleihe 2,86% -0,09 0,43 Umlaufrendite Dt 0,16% -0,09 -0,12 Feinunze Gold $1.211 -0,2% -7,1% Fass Brent Öl $72,91 -0,3% 9,5% Kupfer 6.246 0,9% -12,7% Baltic Dry Shipping 1.694 -4,5% 24,0% Bitcoin 6.412 -13,8% -53,9% China hat diese Woche starke Konjunkturdaten veröffentlicht: Import und Export sind deutlich stärker angesprungen als erwartet. Doch wie bereits vor einigen Wochen erwähnt, sollte dieser Absprung vor dem Hintergrund der angedrohten Strafzölle zu sehen sein: viele Unternehmen decken sich jetzt noch schnell mit Produkten ein, auf die sie in wenigen Wochen hohe Zölle zahlen müssen. Dennoch ist die chinesische Börse diese Woche kräftig angesprungen (+2% ), während die anderen internationalen Aktienmärkte unterm Strich etwas abgaben. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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