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Vor einer Woche zog Jay Powell seine in Aussicht gestellten Zinserhöhungen für das Jahr 2019 zurück und nahm die vernünftige Haltung ein, weitere Zinsschritte zum jeweiligen Zeitpunkt von den aktuellen Konjunkturdaten abhängig zu machen. In einem Update am Montag habe ich ausführlich die Bedeutung dieser Aussage besprochen. Die Aktienmärkte starteten eine Rallye.
Am Montag reiste sodann eine US-Delegation nach China, um über den Handelsstreit zu sprechen. Die Verhandlungen dauerten bis Mittwoch und somit einen Tag länger als ursprünglich veranschlagt, was positiv gewertet wurde. Denn nur, wenn man Fortschritte für möglich hält, bleibt man länger. Es folgten dann auch positive Berichte in den staatlichen chinesischen Zeitungen über den Verlauf der Verhandlungen. Auch Präsident Trump äußerte sich positiv. Am Mittwoch Abend veröffentlichte Macy's Quartalszahlen, die verheerend ausfielen. Seit dem Black Friday Anfang Dezember sei der Umsatz eingebrochen, das Weihnachtsgeschäft sei dieses Jahr ausgefallen. Die Aktie von Macy's brach um 19% ein, so ziemlich alle Einzelhändler wurden ebenfalls in den Abgrund gerissen. Eigentlich müsste das reichen, um die Rallye am Aktienmarkt zu beenden, doch Anleger schüttelten sich kurz und kauften anschließend andere Aktie als Einzelhändler ein, die Märkte stabilisierten sich schnell. Dann wurde Jay Powell wieder einmal interviewt und in dem Interview platzte er erneut mit seiner Einschätzung über die konjunkturelle Verfassung heraus, die ich schon seit Monaten kritisiere: Er sehe eine robuste Konjunktur und rechne mit stabilem Wachstum, so Powell. Das hört sich in meinen Ohren schon wieder so an, als rechne er noch immer damit, im laufenden Jahr die eine oder andere Zinsanhebung vornehmen zu können. Hmm, verheerend hätte ich "eigentlich" gesagt, aber dann passierte es... ...es passierte nämlich nichts. Seine Aussage führte wider Erwarten NICHT zu einem Ausverkauf, es entstand KEINE Panik. Da hängt das Wohl und Wehe der Aktienmärkte am seidenen Faden der Liquiditätsversorgung durch die Notenbank und obwohl deren Chef fest damit rechnet, dass er den Märkten weiter Liquidität entziehen kann, gab es keinen Ausverkauf. Im Gegenteil, erneut schüttelten sich die Anleger kurz, dann wurde wieder gekauft und der Dow Jones sprang über 24.000 Punkte. Der Boden eines Bärenmarktes wird dann erreicht, wenn die Kurse trotz schlechter Meldungen steigen. In diesem Sinne haben wir gute Chancen, den Boden gesehen zu haben. Charakteristisch für einen Boden ist auch, dass es extrem große Kurssprünge gibt, diesmal nach oben: In unserem Portfolio sind diverse Aktien um 5-15% angesprungen. Wenn wir die beiden ersten Handelstage des neuen Jahres hinzuzählen, hat über ein Drittel unserer Aktien bereits zweistellig zugelegt. Bet-at-Home um 29%, Zalando um 23%. Balsam für die im Jahr 2018 geschundenen Seelen :-). Im Biotech-Bereich sorgten zwei Übernahmen für Phantasie. Bristol Meyers Squibb kaufte Celgene für 74 Mrd. USD und Eli Lilly kaufte Loxo Oncology für 8 Mrd. USD. Es scheint, als hätten die beiden auf einen Boden gewartet und greifen nun zu, bevor die Preise wieder nach oben schnellen. Unsere Biotech-Aktien BB Biotech ist dieses Jahr schon um 13% gestiegen. Und Micron, der Anbieter von Speicherchips, wurde vom Analystenhaus BMO hochgestuft. Das Ende der Überkapazitäten sei erreicht, die Preise würden bald wieder zu steigen beginnen, lautete die Begründung. Die Zyklen sind im Chipsektor besonders ausgeprägt und entsprechend heftig sind Kursverluste, aber dann auch Kursgewinne, wenn im Zyklus eine Trendwende in Sicht kommt. Nicht nur Micron sprang an, sondern auch Intel, AMD und sogar unsere Nvidia, die nun bereits auf einem Jahresplus von 9% hockt. Plötzlich kursiert die Frage über das Parkett, warum zum Teufel so viele Anleger im Dezember unter Panik ihre Portfolios aufgelöst haben. Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich vor diesem Hintergrund entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (10.01.2019) Woche Δ Σ '19 Δ Dow Jones 23.832 4,0% 3,3% DAX 10.922 4,8% 3,4% Nikkei 20.164 0,7% 0,7% Shanghai A 2.655 2,9% 1,7% Euro/US-Dollar 1,15 0,9% 0,5% Euro/Yen 124,54 1,3% -1,3% 10-Jahres-US-Anleihe 2,72% 0,13 -0,02 Umlaufrendite Dt 0,10% 0,03 0,00 Feinunze Gold $1.289 -0,1% 0,6% Fass Brent Öl $61,40 11,0% 17,6% Kupfer 5.963 2,6% -0,9% Baltic Dry Shipping 1.189 -6,2% -6,5% Bitcoin 3.654 -4,7% -6,8% Die Rallye an den Aktienmärkten führte DAX und Dow Jones deutlich höher, auch in China stiegen die Kurse kräftig an. In China wurden die positiven Meldungen über die Verhandlungen mit der US-Delegation flankiert von der Notenbankentscheidung (People's Bank of China, PBOC), das Zinsniveau in China zu senken und somit mehr Liquidität in die Märkte zu geben. Mag sein, dass die vergangenheitsbezogenen Konjunkturdaten weltweit noch immer recht gut aussehen. Doch die zukunftsbezogenen Daten deuten eindeutig auf eine Eintrübung der Konjunktur: Die Auftragseingänge der Industrie sind in Deutschland mit -1% im November stärker zurückgegangen als erwartet. Die Industrieproduktion ist überraschend um -1,9% geschrumpft, obwohl noch leichtes Wachstum erwartet wurde. Die chinesischen Verbraucherpreise als auch die Erzeugerpreise steigen langsamer an als erwartet. Der Umbau der chinesischen Wirtschaft, weg vom Export, hin zu mehr Binnenkonjunktur, gestaltet sich schwerer als erwartet. Der US-Einkaufsmanagerindex enttäuschte diese Woche. Im November wurden weniger Jobs geschaffen als ursprünglich gedacht. Die Arbeitslosenquote ist überraschend auf 3,9% angesprungen, zuvor stand sie bereits drei Wochen bei 3,7%. Jay Powell sieht solche Entwicklungen nicht ... oder möchte sie nicht sehen? Immerhin blieb er bei seiner inzwischen abwartenden Haltung und kündigte erneut an, über Zinsschritte zum jeweiligen Zeitpunkt anhand der dann vorhandenen Daten zu entscheiden. Die nächste Sitzung ist am 30. Januar. An den Märkten ist man pessimistischer für die US-Konjunktur als Jay Powell und entsprechend zeigt der US-Dollar ein wenig Schwäche (-0,9% ggü. dem Euro). Das Zinsniveau war in den USA nach Powells Aussage vor einer Woche deutlich zurückgekommen, gestern sprang es wieder an. Es scheint, als bliebe es bei der Interpretation von Jay Powells nächsten Schritten bei Kaffeesatzleserei, er scheint immer für eine Überraschung gut. In den vergangenen Wochen sind die US-Rohöllagerbestände stets höher gewesen als erwartet, eine der Ursachen für den Ölpreiseinbruch. Daran hat sich nichts geändert, dennoch ist der Ölpreis nun angesprungen (+11%). Auch hier scheint mir, war der Ausverkauf zum Jahresende übertrieben und nun wird der Ölpreis zu einem guten Teil einfach wieder auf ein normales Niveau zurückgeholt. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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