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Okay, jetzt geht's gen Süden. Nach einem fulminanten Jahresauftakt klopfte der DAX letzten Freitag an seine obere Begrenzung bei 11.650 Punkten und verlor dann an Aufwärtsdynamik. Was folgte ist nicht auf den Handelsstreit zwischen den USA und China zurückzuführen, nicht auf den drohenden, ungeregelten Brexit, nicht auf die Zinsentscheidung der EZB und auch nicht auf die schwachen Konjunkturdaten. Alles war bereits vorher bekannt.
Der einzige Grund für den Ausverkauf ist in dieser Ziffer zu finden: +10%! Der DAX hat seit Jahresbeginn um 10% zugelegt. Zweistellig! Und das, nachdem im vergangenen Jahr ein Minus von 14,3% erlitten wurde. Sie dürfen sich vorstellen, dass zahllose institutionelle Anleger große Angst haben, diesen Gewinn wieder zu verlieren, wenn der Handelsstreit zwischen Xi und Trump nun doch nicht gelöst wird, oder wenn der Brexit nun doch ungeregelt erfolgen sollte. Gibt es Anzeichen dafür, dass Trump und Xi sich nicht einigen? Gibt es Anzeichen für den ungeregelten Brexit? Hmm, nicht mehr als vor drei Wochen. Und schon gar nicht mehr als vor drei Monaten, als die globalen Aktienmärkte im Nirwana versanken. Im Gegenteil, es gibt inzwischen begründete Hoffnung, dass der Brexit verschoben wird und dass der Handelsstreit gelöst wird oder zumindest Fortschritte erzielt werden. Und falls etwas schief gehen sollte, dann stehen die Notenbanken parat, um den Finanzmärkten unter die Arme zu greifen. EZB-Chef Draghi hat das gestern in vorauseilendem Gehorsam bereits getan. Fed-Chef Powell hat in den vergangenen drei Monaten verbal eine 180°-Wende vollzogen. Der Grund, warum wir diese Woche ausverkaufen, liegt einzig und allein in der Angst der Geldmanager, die erzielten Buchgewinne wieder abzugeben. Den letzten beißen die Hunde! Daher schauen Geldmanager in diesen Tagen auch nicht auf die Konjunkturdaten, nicht auf die Geldpolitik und auch nicht auf die schwelenden Krisen, sondern nur auf Sie. Auf die anderen Anleger. Wann werden die Anderen wohl ihre Gewinne sichern? Chinesische Aktien und internationale Konzerne sowie insbesondere der vom Wachstum Chinas abhängige Technologiesektor haben in den ersten Wochen dieses Jahres exorbitante Kursgewinne verzeichnet. Diese Aktien werden nun ausverkauft, denn jeder weiß, dass eine Verkaufswelle zu erwarten ist, wenn sich Trump und Xi einigen. Anleger werden ihre Gewinne mitnehmen. Da möchte man dieser Verkaufswelle zuvor kommen. Und wer kann schon sagen, ob es eine Einigung gibt? So zuversichtlich, wie in den vergangenen Tagen, war man an den Finanzmärkten schon lange nicht mehr. Besser kann's also kaum noch werden. Auch die Charttechnik mahnt zur Vorsicht. Mit dem Überspringen der 11.570 Punkte im DAX verlor die Rallye an Dynamik und entsprechend wurde ein Überspringen der nächsten Hürde bei 11.800 Punkte unwahrscheinlich. Auch das war ein Zeichen, das technisch orientierte Anleger zu Gewinnmitnahmen bewegte. Mit Kursgewinnen von 309% und mehr haben eine ganze Reihe von Aktien Bewertungsniveaus erreicht, die bereits vieles einer positiven Entwicklung eingepreist haben. Was kann da noch als nächstes kommen? Wie hoch können die Kurse noch steigen? Nun, wenn man vorsichtige Bewertungsmaßstäbe anlegt, die man ggfls. aufgrund der Erfahrungen aus dem Chaos-Dezember entwickelt hat, dann gibt es bei den größten Kursgewinnern der vergangenen Wochen nicht mehr viel Spiel nach oben. Und wenn die Kurse kein attraktives Risikoprofil mehr haben, Anleger jedoch auf dicken Buchgewinnen sitzen, dann werden halt Gewinne mitgenommen. Und zudem notiert der Short ränge Oscillator des S&P 500 seit Wochen bereits im überkauften Bereich: Eine Korrektur war aus technischer Sicht überfällig. In dieser Marktphase ist der andere Anleger der größte Feind der Geldmanager: Wenn die anderen erst beginnen, ihre Gewinne einzusacken (Buchgewinn in realen Gewinn verwandeln heißt, die Aktien verkaufen), dann schmelzen die eigenen Gewinne dahin. So gibt es nun einen Wettlauf beim Verkauf von Aktien, ohne Rücksicht auf Bewertungsniveaus oder fundamentale Entwicklungen. SCHWACHE KONJUNKTUR IN CHINA HILFT DONALD TRUMP In China wurde diese Woche die Wachstumsprognose für die kommenden Jahre reduziert. Heute gab es Konjunkturdaten, die eine überraschend schwache Exporttätigkeit Chinas zeigen. Es gibt schon erste Anzeichen, dass der auf Lebenszeit gewählte Präsident Xi in Erklärungsnot hinsichtlich der schwachen Konjunkturentwicklung Chinas gerät. Je schwächer China wird, desto eher wird meiner Einschätzung nach Präsident Trump geneigt sein, einen "Deal" platzen zu lassen, um noch bessere Konditionen auszuhandeln. Trump ist leider nicht ein Mensch, der klare Ziele hat. Trump hat nur eine klare Richtung. Er möchte einen besseren Deal mit China. Was genau dieser Deal nun beinhalten soll, das zeigt sich im Verlauf der Verhandlungen. Und um möglichst viel auszuhandeln, gibt es Begleitaktivitäten wie das Verbot von ZTE, die Verhaftung der CFO von Huawei, vielleicht auch das Platzen der Nordkorea-Verhandlung in Hanoi, etc. Die Richtung ist klar, doch wann genau Trump genug hat, das lässt sich schwer bestimmen. Daher ist es durchaus möglich, dass eine Schwäche Chinas dahingehend interpretiert wird, dass Trump noch eine Handvoll neuer Forderungen nachschiebt bzw. etwas kompromissloser verhandelt. Soeben haben sich sowohl der Wirtschaftsberater Trumps, Larry Kudrow, und Trump selbst zu Wort gemeldet und die Aussicht auf eine Beendigung des Handelsstreits als überaus optimistisch bezeichnet. So optimistisch habe ich die beiden in den vergangenen Jahren nicht mehr über dieses Thema sprechen sehen. Wollen wir hoffen, dass es sich nicht nur um ein taktisches Manöver handelt. GESCHÄFTSMODELL VON WIRECARD Ich habe zwar eine Banklehre absolviert und verstehe auch als Volkswirt ziemlich viel vom Geldsystem, doch das Geschäftsmodell von Wirecard ist immer ein wenig mit Nebelschleiern für mich verhangen gewesen. Daher habe ich mich nun nochmals hingesetzt und die verfügbaren Informationen durchwühlt, um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, womit Wirecard denn nun Geld verdient und warum das Unternehmen einen so kometenhaften Aufstieg erlebte. Nun, Wirecard setzt, wie vor einer Woche bereits beschrieben, eine moderne Plattform zur Abwicklung von Zahlungsströmen weltweit ein. Egal ob Visa, Paypal oder WeChat, über das Wirecard-Netzwerk werden die Zahlungsströme weltweit in die richtigen Kanäle gesteuert. Doch aufbauend auf diesen Zahlungsströmen bietet Wirecard erweiterte Wertschöpfungsmöglichkeiten an. Hinter diesen erweiterten Wertschöpfungsmöglichkeiten steckt Big Data und künstliche Intelligenz. Zwei Schlagworte, die ich ein wenig mit Leben füllen möchte. Je mehr Zahlungsströme über das Wirecard-Netzwerk abgewickelt werden, desto mehr Informationen erhält Wirecard. Daher war es in der Vergangenheit stets so wichtig, die gesteckten Wachstumsziele zu erreichen, denn Kunden suchten nach dem Netzwerk, das am schnellsten wächst. Je mehr Daten, desto besser die Auswertung. Big Data analysiert die Datenströme in Echtzeit und liefert wichtige Hinweise für die jeweiligen Geschäftspartner. Mit einer gut konfigurierten künstlichen Intelligenz können Vorschläge für Anpassungen des Geschäftsmodells in Echtzeit entwickelt werden. So verspricht Wirecard seinen Partnern eine frühzeitige Antwort auf drohende Kundenverluste sowie eine gezielte Kundenansprache, die zu einem zusätzlichen Umsatzwachstum von 5-10% führen soll. Eine intelligente Risiko- und Betrugsanalyse soll das Ausfallrisiko für Zahlungen um 5-20% vermindern. Dynamische Preise in Webshops sollen nach Aussage von Wirecard den Umsatz um 2-5% und die Gewinnmarge um 5-10% steigern können. Über digitale Treueprogramme und Coupons soll der durchschnittliche Warenwert eines Einkaufskorbs um 6-8% erhöht werden. Passende Konsumentenkredite könnten den durchschnittlichen Warenkorb um 10-20% vergrößern. Derzeit wird rund ein Viertel des Konzernumsatzes mit diesen Wertschöpfungsangeboten erzielt, künftig soll der Anteil deutlich über 50% steigen. So, endlich habe ich's gefunden: Big Data und künstliche Intelligenz wird den Kunden von Wirecard versprochen, so wie SAP standardisierte Geschäftsprozesse versprach und wie Salesforce umfangreiche Marketingmöglichkeiten versprach. Klar, dass die Wirtschaft, die alleine nicht in der Lage ist, komplexe Themen wie Big Data und künstliche Intelligenz im eigenen Haus zufriedenstellend zu entwickeln, sich auf den Heilsbringer Wirecard stürzt. Heute hat CEO Markus Braun getwittert, er sei überzeugt, dass sich Anleger schon bald wieder auf das operative Geschäft von Wirecard konzentrieren können. Das verhilft der Aktie heute zu einem Kurssprung. Mir fehlt nun letztlich nur noch eine Kundenstory, die mich davon überzeugt, dass die von Wirecard angebotenen Wertschöpfungsdienstleistungen nicht nur als Konzept auf dem Papier existieren, sondern ihre Feuertaufe bereits bestanden haben. Ich bleibe dran. Schauen wir nun einmal, wie sich die wichtigsten Indikatoren im Wochenvergleich entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (07.03.19) Woche Δ Σ '19 Δ Dow Jones 25.506 -1,6% 10,6% DAX 11.518 0,0% 9,1% Nikkei 21.456 -0,7% 7,2% Shanghai A 3.254 5,6% 24,6% Euro/US-Dollar 1,12 -1,3% -1,9% Euro/Yen 125,27 -1,4% -0,7% 10-Jahres-US-Anleihe 2,65% -0,06 -0,09 Umlaufrendite Dt 0,03% -0,02 -0,07 Feinunze Gold $1.286 -2,0% 0,4% Fass Brent Öl $66,22 0,4% 26,8% Kupfer 6.457 -1,1% 7,3% Baltic Dry Shipping 657 -0,2% -48,3% Bitcoin 3.900 1,7% -0,6% Der Wochenvergleich zeigt nicht die Dramatik des Ausverkaufs: Der DAX war am vergangenen Freitag noch deutlich angesprungen und hat diese Kursgewinne bis zum gestrigen Donnerstag vollständig wieder abgegeben. Dow Jones und Nikkei sind noch heftiger unter die Räder geraten. Der chinesische Shanghai-Index profitiert von einem gigantischen Stimulus-Programm, das für die lokale Wirtschaft aufgelegt wird: Steuererleichterungen und neue Förderprogramme wurden bekannt gegeben. Der Euro ist nach der Aussage Draghi, er werde im laufenden Jahr nun doch keine Zinserhöhung vornehmen, eingebrochen. Wie schon unzählige Male gesagt: Draghi nimmt damit den Druck von den Märkten ... und von der Politik. Die EZB gleicht die politischen Verfehlungen der vergangenen Jahre mit einer Liquiditätsflut aus und verhindert damit einen längst überfälligen Wechsel in der EU-Politik. So kurz vor den Wahlen im Mai halte ich diesen Schritt für verheerend. Das Zinsniveau ist weiter zurückgegangen und flirtet mit der Nulllinie. Wenn ich mir anschaue, wo wir nun, am vermeintlichen Ende eines konjunkturellen Aufschwungs, mit der Geldpolitik stehen, wird mir Angst und Bange vor der nächsten Konjunkturschwäche. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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