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Remdesivir wirkt.
Patienten, die mit dem Ebola-Medikament von Gilead behandelt wurden, verließen nach durchschnittlich 11 Tagen die Klinik, während die Kontrollgruppe 15 Tage brauchte. Bei schweren Fällen wurde die Sterblichkeit von 15% auf 11% gesenkt. Bei einer frühzeitigen Verabreichung wird ein milderer Krankheitsverlauf erreicht. Soweit die Ergebnisse einer Studie, deren Ergebnis NICHT nach den gängigen Standards durchgeführt wurde. Diese Resultate sind also mit großer Vorsicht zu genießen. An den Aktienmärkten reicht das jedoch bereits für einen Kurssprung. Es ist das Signal, auf das alle gewartet haben. Bislang stand man Covid-19 machtlos gegenüber. Es gab - neben der Sauerstoffgabe - keinen Behandlungsansatz. Unzählige Ansätze haben sich in den vergangenen Wochen als wirkungslos entpuppt. Remdesivir hingegen erreichte die Testziele und wird nun so schnell wie möglich die weiter erforderlichen Tests durchlaufen, um schleunigst zugelassen zu werden. Noch in der vergangenen Woche hatte eine anders lautende Studie aus China für einen Ausverkauf gesorgt. Ich habe am vergangenen Freitag darauf hingewiesen, dass China entweder nicht weiß, wie man mit Remdesivir umgeht, oder aber Interessen verfolgt, die der Studie abträglich waren. Doch nach Snowden und Trump sind die westlichen Medien blind geworden gegenüber den Unzulänglichkeiten, die auch im Land der Mitte herrschen, und so haben die Massenmedien sowohl in Deutschland als auch in den USA den chinesischen Ergebnissen stärker vertraut als dem Dementi aus den USA. Ein Fehler, wie sich nun herausstellt. Bei aller Euphorie: Weitere Studien sind erforderlich und es wird sicherlich auch Rückschläge geben. Außerdem handelt es sich noch lange nicht um ein Medikament, nach dessen Einnahme man sich keine Sorgen mehr um Covid-19 machen braucht, sondern es ist lediglich ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Zudem ist noch wenig über Nebenwirkungen bekannt, man spricht bspw. von Leberschädigungen bei 25% der Patienten. Doch an den Finanzmärkten wird die Zukunft gehandelt und noch vor 24 Stunden galt es aus aussichtslos, Covid-19 in den Griff zu bekommen und nun gibt es zumindest einen Ansatz, der seine Tests bestanden hat. Das reicht, um die Angstszenarien, an die wir gewöhnt wurden, zu relativieren: Vielleicht dauert es ja doch nicht mehrere Jahre, um eine Herdenimmunität zu erreichen, da die Aufenthaltsdauer in Kliniken verkürzt und somit die Kapazität erhöht werden kann. Vielleicht sterben auf dem Weg zur Herdenimmunität nicht 2% der Bevölkerung, sondern nur 0,2%. Vielleicht können die Lockerungen im Lockdown schneller durchgeführt werden als derzeit von Merkel, Spahn et. al. propagiert. Vielleicht kann sich die Wirtschaft dadurch schneller erholen als von vielen befürchtet... ...viele vielleicht, aber immerhin gibt es nun wieder "vielleicht"s. Vor 24 Stunden gab es eigentlich niemanden, der nicht mit dem Vorwurf der Unverantwortlichkeit mundtot gemacht wurde: "Lockerungsdiskussionsorgien" lassen sich fortan nicht mehr abwürgen. MEDIZIN VS. WIRTSCHAFT Hier haben wir eigentlich ein magisches Dreieck: Medizin vs. Wirtschaft vs. Grundrechte. Alle drei können derzeit nicht gleichzeitig in vollem Umfang verfolgt werden, es müssen Abstriche an allen drei Ecken gemacht werden. Bislang wurde dem medizinischen Ziel der Gesundheit der Bevölkerung alles andere untergeordnet - aufgrund der ungewissen Datenlage meiner Ansicht nach zu Recht -, doch nun ist es an der Zeit, differenzierte Lösungen zu diskutieren und anschließend umzusetzen. Die Datenlage ist noch immer ungewiss, doch es sind Tendenzen zu erkennen, die berücksichtigt werden müssen. Ich will mich heute nicht schon wieder in die Detaildiskussion stürzen, sondern werde aufgrund der veränderten Situation heute den Schwerpunkt auf das Besprechen einzelner Unternehmen legen. Immerhin haben wir in dieser verkürzten Woche mehr Q-Zahlen gesehen als in irgendeiner anderen Woche im Quartal. LUFTHANSA UND DAS MAGISCHE DREIECK Nein, ich kann keine Gedanken lesen. Aber wenn ich mich vollständig einer Partei verschrieben hätte, würde ich vermutlich folgendes denken, wenn ich der Lufthansa Geld geben soll: CDU: Wir müssen die Lufthansa solvent halten, damit alle Zulieferer bezahlt werden können. Sonst bricht ein ganzer Wirtschaftszweig ein. SPD: Wir müssen verhindern, dass die Lufthansa 10.000 Mitarbeiter frei setzt, das würde den Arbeitsmarkt belasten. Grüne: Wir müssen dafür sorgen, dass der Kerosinausstoß verringert wird, um die Umweltbelastung des Fliegens zu verringern. Wenn Sie jetzt berücksichtigen, dass die einzelnen Vorlieben nach jeder Wahl mit verändertem Gewicht durchgesetzt werden können, dann kann ich CEO Carsten Spohr verstehen, der irgendwann entnervt sagt: Na, dann nehmen wir doch lieber den Weg der geregelten Insolvenz in Eigenregie, so wie es Condor bereits tut und dafür Milliardenhilfen einsackt, ohne dass man dem Unternehmen seitens der Politik reinredet. ADIDAS MELDET GEWINNEINBRUCH Adidas hat am Montag früh schwache Zahlen veröffentlicht. Der Umsatz ist um 19% zurückgegangen, der Gewinn um 97% eingebrochen. Zunächst sei das Geschäft in China durch den dortigen Lockdown beeinträchtigt worden, inzwischen läuft das Geschäft dort wieder an. Dafür hat sich der Lockdown nun weltweit ausgebreitet, 70% der Adidas-Geschäfte seien derzeit geschlossen. Einziger Lichtblick sei das Online-Geschäft, das um 35% angesprungen sei. Wenn man den März allein betrachtet, beträgt der Umsatzsprung sogar 55%. Leider ist nirgends in den Unterlagen von Adidas zu sehen, wie groß der Anteil von E-Commerce am Gesamtumsatz überhaupt ist. Somit ist diese Ziffer nur eine Marketingziffer ohne Inhalt. 50% des Umsatzes von Adidas wird durch Lizenzeinnahmen erwirtschaftet. Unter Lizenzeinnahmen versteht Adidas die Einnahmen von Geschäftspartnern, die Produkte unter Adidas-Lizenz verkaufen. Nur 22% macht der direkte Verkauf von Turnschuhen aus, Sportbekleidung steht nur für 11% des Konzernumsatzes. Doch egal ob in Lizenz, oder über eigene Shops, beide Kanäle sind derzeit geschlossen. Die Vorräte von Adidas sind daher um 1 Mrd. Euro auf 4,3 Mrd. Euro angestiegen. Es handelt sich dabei um Vor- und Fertigwaren, die in Regalen liegen, weil der Absatz eingebrochen ist. Hier ist wohl einer der Hauptgründe zu finden, warum Adidas Staatshilfen in Anspruch genommen hat. Das Unternehmen hat nach eigener Aussage alle Tätigkeiten fortgesetzt, um das Geschäft für die Zukunft zu sichern. Man spekuliert wohl darauf, dass nach der Krise ein Nachholeffekt die Lager leer fegen werden. Es mehren sich inzwischen die Stimmen, die aufgrund von Nachholeffekten in der zweiten Jahreshälfte eine gar nicht so dunkle Zukunft für die Wirtschaft sehen. Adidas möchte gerne Staatskredite in Anspruch nehmen, um diese Strategie zu verfolgen. Kredite sind keine Hilfen, die Kredite möchte Adidas zurückzahlen. Ich finde das nicht so verwerflich, wie es in der Presse in den vergangenen Tagen dargestellt wurde. NEID DER KLEINEN Verwerflich finde ich es, dass die kleinen und mittelständigen Betriebe keinen so guten Zugang zur Politik und somit zu den Hilfen und Krediten haben. Auch die gute alte Hausbank funktioniert nicht mehr so, wie es eigentlich einmal gedacht war: Auf Basis einer funktionierenden Geschäftsbeziehung dürften die Hausbanken heute eigentlich unzählige Kredite an kleine Unternehmen vergeben, die ebenso zurückgezahlt werden sollen. Geschieht das nicht, haftet der Staat für 90% des Kredits. Mir wurden nun Erfahrungen berichtet, dass die Hausbank solche Kredite selbst dann verweigert, wenn der kleine Unternehmer anbietet, die 10% in bar zu hinterlegen, um die Bank schuldenfrei zu halten. Da gibt es einen Interessenkonflikt: Die "Großen" haben in der Regel schon so hohe Finanzierungen bei den Banken laufen, dass ein Scheitern eines großen Kunden nennenswerte Schäden in der Bankbilanz hinterlässt. Da schiebt man ihm lieber die Corona-Hilfen zu, damit das eigene Bankgeschäft nicht belastet wird. Bei kleineren Betrieben gibt es diese Abhängigkeit seitens der Bank nicht. So wird mitunter ein Corona-Überbrückungskredit unter 90%iger Staatsgarantie mit dem Argument verweigert, man wisse ja gar nicht, wie stark das Unternehmen unter Corona leiden werde... ... doch genau dafür gibt es ja diese Kredite: Damit das Unternehmen Liquidität "für alle Fälle" hat. Wie immer gilt: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Ich bleibe bei meiner vorsichtigen Haltung hinsichtlich der Auswirkung der Coronakrise auf die Wirtschaft. An den Aktienmärkten, meinem eigentlichen Revier also, mag man den Eindruck haben, das Ganze kontrollieren zu können. Wenn ich mir jedoch vor Augen führe, wie kleinteilig unsere Wirtschaft ist, wie viele Kleinunternehmer elementar wichtig für unsere Gesellschaft sind, dann fürchte ich, werden die negativen Folgen dieser Krise bislang noch unterschätzt. FACEBOOK TROTZT DER CORONAKRISE Das Geschäft hat zwar im März unter der Zurückhaltung von Millionen kleinen Facebook-Werbekunden gelitten. Restaurants und Reiseunternehmen machen keine Werbung mehr. Doch schon im April habe sich eine Stabilisierung auf das Vorjahresniveau gezeigt, so CFO David Wehner. Gründer und CEO Mark Zuckerberg überraschte mit einer Aussage, dass die Krise ihm bewusst gemacht habe, wie wichtig es für sein Unternehmen sei, eine hohe Profitabilität auszuweisen. Das überrascht, weil die Tech-Unternehmen traditionell sehr viel Geld investieren. Viel Geld wird da auch in berühmte "moonshot"-Projekte investiert, in Projekte also, die Ziele verfolgen, die in den kommenden Jahren wohl kaum erreicht werden, geschweige denn Gewinne abwerfen werden. Hört sich so an, als werde Facebook künftig also eine höhere Gewinnmarge anstreben und entsprechende Projekte weniger leichtfertig finanzieren. Das ist natürlich Musik in den Ohren der Anleger, die Aktie ist heute um 10% angesprungen. ALPHABET WIRD EFFIZIENT Die Google-Mutter Alphabet hat eine ganz ähnliche Aussage getroffen: CFO Ruth Porat gab zu verstehen, dass man sich im Hause Google ebenfalls um Profitabilität kümmern werde. auch Google hat einen Umsatzrückgang im März verzeichnet, der im Gesamtquartal jedoch aufgefangen werden konnte. Doch um gestärkt aus der Krise hervorzugehen, werde man Effizienzmaßnahmen umsetzen. Google ist so profitabel, dass man sich dort eigentlich um Geld überhaupt keine Gedanken macht: Alles wird finanziert. Kostenfreies Essen und umfangreiche Sportangebote für die Mitarbeiter, die besagten Moonshot-Projekte, in denen sich Wissenschaftler austoben dürfen. Zuletzt hatte Google sich während der Finanzkrise 2007 bis 2009 um die Effizienz seines Geschäfts gekümmert und das Ergebnis war sensationell: Die Gewinnmarge war deutlich gesteigert worden und entsprechend war der Kurs abgehoben. Wenn wir das jetzt wieder erleben, dann spricht das für Google: Alphabet kann man durchaus im Depot haben. BREMSSPUREN BEI DAX-UNTERNEHMEN Auch in Deutschland haben diese Woche eine ganze Reihe von Unternehmen Zahlen oder Prognosen veröffentlicht. Überall wurden vorsichtige Töne angeschlagen, doch die schlimmsten Befürchtungen haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. VW und Daimler suchen den Weg zurück zur Normalität, können aber nicht zu optimistisch sein, da sie in Berlin noch um eine Abwrackprämie buhlen. Bayer und die Deutsche Bank haben mit überraschend soliden Zahlen gepunktet. Selbst Airbus und Triebwerkshersteller MTU Aero, deren Kunden derzeit praktisch keine Geschäftsgrundlage mehr haben, überraschen mit guten Krisenplänen und Cashreserven. In diese "nicht-so-schlimm-wie-befürchtet" Meldungen und in die Remdesivir-Hoffnung kommt nun heute Vormittag die Arbeitsmarktzahl als Party-Killer: 373.000 mehr Arbeitslose hat uns der April beschert. Die monatliche Veränderung schwankt in der Regel immer so zwischen Plusminus 20.000. In Extremsituationen kann es auch mal 60.000 zusätzliche Arbeitslose geben. Aber die heutige Ziffer mit 373.000 zusätzlichen Arbeitslosen hat nun doch einen Schock-Effekt erzeugt. Gerechnet hatte man mit der Rekordzahl von 76.000 neuen Arbeitslosen, doch gemeldet wurde fast das Fünffache. Wo kommen diese Arbeitslosen denn her, wo doch alle Großunternehmen gerettet werden? Meine Antwort: siehe oben. Kleinunternehmer werden mit vollmundigen Versprechungen der Politik im Interessenswirrwar der Banken allein gelassen. Schauen wir mal auf die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (29.04.2020) Woche Δ Σ '20 Δ Dow Jones 24.257 3,3% -15,3% DAX 10.862 5,1% -18,0% Nikkei 20.194 4,8% -14,6% Shanghai A 2.998 1,8% -5,9% Euro/US-Dollar 1,09 1,2% -2,3% Euro/Yen 116,91 0,8% -4,4% 10-Jahres-US-Anleihe 0,59% -0,01 -1,35 Umlaufrendite Dt -0,50% -0,04 -0,27 Feinunze Gold $1.692 -1,2% 11,9% Fass Brent Öl $25,23 17,6% -63,3% Kupfer 5.184 3,0% -16,5% Baltic Dry Shipping 643 -4,3% -41,0% Bitcoin 8.530 13,3% 17,0% Montag bis Mittwoch zogen die Aktienmärkte nach oben, am Donnerstag wurde ein Teil des Wochengewinns wieder abgegeben. Es bleiben aber dennoch große Wochengewinne in den internationalen Aktienindizes übrig, der Monat März ist einer der besten Börsenmonate der Geschichte. Auch der Ölpreis konnte sich deutlich erholen... ich warte mal ab, wie sich die Situation zur Fälligkeit der Futures Mitte Mai entwickelt, denn da wird erneut die Frage gestellt, wer das den Futures zugrunde liegende Öl abnimmt und lagert. Das Zinsniveau ist wieder auf dem Rückzug, nachdem die Notenbanken in Japan, den USA und in Europa im wesentlichen gesagt haben, dass sie über unbegrenzte Liquidität verfügen, um die Folgen der Coronakrise am Finanzmarkt aufzufangen. Siehe dazu auch die Leserfrage vom 10. April: https://www.heibel-ticker.de/heibel_tickers/1736?. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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