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Nichts für schwache Nerven. Während der DAX von Rekord zu Rekord stürmt, werden Technologietitel ausverkauft.
Zoom Video hat diese Woche 9% verloren, Tesla -9%, Pinduoduo -15%, Peloton -12% stehen symbolisch für die Corona-Gewinner, die nun ausverkauft werden. Aber auch die Technik-Giganten Amazon, Apple, Alphabet, Microsoft und Facebook haben zwischenzeitlich über 5% abgegeben. In Deutschland hält sich der Ausverkauf in Grenzen, weil wir keine Tech-Unternehmen haben. Ja, TeamViewer notiert heute bei -14%, doch dafür gibt es einen hausgemachten Grund: Das Unternehmen sponsert Manchester United und muss für die teure Werbung seine Gewinnmarge nach unten korrigieren. So scheint das Börsengewitter an Deutschland vorbei zu ziehen, obwohl gerade hierzulade die Tagesmeldungen alles andere als erfreulich sind. Der schleppende Impfstart mutiert zur Impfschlappe durch Vertrauensverlust auf allen Ebenen. CTS Eventim (-7%) und TUI (-8%) leiden am stärksten darunter, wenn der Termin einer möglichen Herdenimmunität weiter nach hinten verschoben wird. Stattdessen freut man sich in Deutschland über die Auferstehung der Automobilbranche: Volkswagen (+15%) will in Europa gleich 6 Giga-Fabriken für Batterien bauen. Daimler (+4%) und BMW (+6%) ziehen in Sachen Elektromobilität ebenfalls langsam auf. Auch Varta, Hersteller von Knopfbatterien für Kopfhörer und Ohrstöpsel, sprang um 15% an, nachdem das Unternehmen bekannt gegeben hat, auch in die Produktion von Autobatterien einzusteigen. Eckert & Ziegler (+13%), Experte für medizinische Strahlentechnologie hat überraschend bekannt gegeben, dass das Ergebnis für 2020 um 20% höher liegt als erwartet. Sartorius (+11%) hat die Prognose angehoben. Laborbedarf wird wohl beim langsamen Impffortschritt länger benötigt als bislang angenommen. Highflyer zum. Jahresstart waren Encavis (-10%) und SMA Solar (-9%). Beide hoch bewerteten Versorger mussten diese Woche ohne unternehmenseigene Ereignisse kräftig Federn lassen. Insbesondere für Encavis gilt, dass die Rückflüsse der aktuellen Investitionen erst über die nächsten Jahre erfolgen werden. Bei steigenden Zinsen werden künftige Einnahmen weniger wert. Bleiben ThyssenKrupp (-8%) und Salzgitter (-13%), die diese Woche Zahlen vorgelegt haben. Beide Aktien gehören zu den absoluten Gewinnern der Impfstoffrallye, die Mitte November startete. Ich verbuche die aktuellen Kursverluste als Gewinnmitnahmen. Nichts für schwache Nerven, denn es gibt eine ganze Reihe von Entwicklungen, die teils gegenläufig, teils sich gegenseitig verstärkend derzeit mit den Anlegern Karussell fahren. Da ist beispielsweise die Zinsentscheidung aus den USA. Die US-Notenbank hat diese Woche getagt und Fed-Chef Jay Powell hat im Anschluss die Entscheidung bekannt gegeben. Wie nicht anders zu erwarten hat er in epischer Breite darüber gesprochen, dass eine Straffung der Geldpolitik überhaupt nicht absehbar ist, mindestens nicht bis Ende 2023. Um es kurz zu machen: US-Notenbank, EZB, Bank of England und die Bank of Japan fluten die Märkte mit billigem Geld. Wer nach der großen Finanzkrise auf eine Inflation setzte, wurde eines besseren belehrt. Könnte es auch dieses Mal so kommen? In unserem "Salz & Pfeffer zum Mittag" haben Wais und ich im Gespräch mit Carsten Mumm, Chefvolkswirt von Donner & Reuschel, ausgelotet, wie es dieses Mal laufen könnte. Carsten Mumm deutete darauf hin, dass nach der großen Finanzkrise sämtliche Liquidität der Notenbanken von den schwarzen Löchern in den Bankbilanzen aufgesogen wurde und somit nicht in Umlauf kam. Dadurch gab es gar keine inflationären Tendenzen, obwohl die Bilanz der Notenbanken aufgebläht wurden. Dieses Mal sind viele Notenbanken bereits weitgehend am Limit ihrer Möglichkeiten - auch wenn sie anderes behaupten. Die Staaten sind diesmal die wirklichen Akteure, indem sie gigantische Konjunkturprogramme über die Ausgabe von Anleihen finanzieren. Die Anleihen landen am Ende wieder in der Notenbankbilanz. Die Ausgaben versickern dieses Mal jedoch nicht in den schwarzen Löchern von Banken, sondern werden direkt in die Wirtschaft gegeben: Infrastrukturprojekte bis hin zu Helikoptergeld, das direkt auf das Konto der US-Bürger gebucht wird. Die Gefahren für einen Inflationsdruck stehen dieses Mal als höher als vor 10 Jahren. Im Anschluss an unser Gespräch habe ich noch ein wenig über die Modern Monetär Theory (MMT) nachgelesen: Ein Lieblingskind der Politik, denn mit ihr werden politische Ziele finanzierbar, die aus Sicht der traditionellen Volkswirtschaft nicht realisierbar wären. Das Kalkül ist recht einfach: Die Politik definiert, was wünschenswert ist und setzt ihre Ziele um, ohne Rücksichtnahme auf Finanzierbarkeit, Schuldenbremse oder 3% Neuverschuldungsgrenze. Dank der Corona-Pandemie können alle diesbezüglichen Vorschriften missachtet werden. Nun warten Carsten Mumm, ich und mit uns so ziemlich alle anderen Volkswirte in Deutschland auf die Inflation, die kommen muss. Doch die Politik als Abbild der Gesellschaft ist mächtiger als die Wissenschaft. Sie kann durch das Erheben von Steuern gezielt Liquidität aus dem Markt ziehen, um inflationäre Tendenzen in bestimmten Marktsektoren frühzeitig zu verhindern. Die MMT sieht explizit vor, dass die gewünschten politischen Ziele umgesetzt werden, weil der Markt nach Überzeugung der MMT-Vertreter stets zu unerwünschten Verzerrungen führt. Für die Bekämpfung der Inflation ist danach nicht mehr die Notenbank verantwortlich, sondern die Politik über das Erheben von gezielten Steuern. Mein früherer Professor Bofinger aus Würzburg war über Jahre einer der wenigen Verfechter dieses Ansatzes und als einer der fünf Wirtschaftsweisen in Berlin gern gesehen. Spannend, denn hier werden seit vielen Jahren fast alle Volkswirte in Deutschland vorgeführt. Ja, lange kann das nicht gut gehen, ist die einhellige Meinung meiner Zunft. Doch was genau ist "lange"? 10 Jahre sind um. Können es auch 20 Jahre sein? Oder 30? Dann sprechen wir schon von einer völlig neuen Generation und Welt. Wenn wir erst einmal 30 Jahre glücklich in diesem gelenkten System gelebt haben, waren dann 30 Jahre lange Kritik gerechtfertigt? Nicht lamentieren, habe ich mir frühzeitig geschworen. Lieber handeln. Unter anderem auch aus diesem Grund arbeite ich für Sie das Thema Kryptowährungen intensiv auf. Doch kommen wir zum Markt zurück: 23% des täglichen Handelsvolumens in Aktien in den USA stammte im Jahr 2020 von Privatanlegern. Das ist doppelt so viel wie im Vorjahr 2019 und in allen Jahren zuvor. Mit einem Schlag ist der Privatanleger wieder präsent auf dem Parkett. Nächste Woche gehen in den USA die Corona-Schecks raus: Jeder US-Amerikaner mit einem Einkommen von weniger als 75.000 USD bekommt einen Scheck über 1.400 USD zugeschickt, einfach so: Helikoptergeld. 40% dieses Geldes soll Umfragen zufolge in den Aktienmarkt fließen. Paypal, Visa, Mastercard und Quare stehen auf der Wunschliste der US-Kleinanleger ganz oben, aber auch der Bitcoin selbst. Zudem gibt es eine Reihe von kleineren Titeln, die bereits im Vorfeld heiß gelaufen sind: Global Payments, Wex und Fleetcor Technologies. Lasst die Spiele beginnen! Den Privatanlegern stehen die institutionellen Anleger entgegen. Die Profis sind hochintelligent, was im Allgemeinen deswegen so betont wird, weil man diese Intelligenz den Privatanlegern abspricht. Ein Fehler, wie ich im Heibel-Ticker immer wieder belegt habe. Aber sei's drum, Profis schauen sich die Entwicklung am Zinsmarkt an. Die Rendite für die 10 Jahre laufende US-Staatsanleihe ist inzwischen auf 1,73% gestiegen. Noch zum Jahreswechsel stand die Rendite bei 0,92%. Vor Corona pendelte die Rendite zwischen 1,50 und 1,90 und schickte sich an, in Richtung 2% zu laufen. Doch Corona hat die Rendite auf zwischenzeitlich 0,5% gedrückt. Mit zunehmender Normalisierung in den USA, fortgeschrittenem Impffortschritt und der Öffnung der Disneyparks ist auch das Zinsniveau wieder auf das Vor-Coronaniveau zurückgekehrt und schickt sich nun an, in Richtung 2% zu laufen. Jay Powell hat in seiner Rede mit Detailwissen geglänzt: Er ging Rohstoff für Rohstoff durch und erklärte, warum der jeweilige Preisanstieg entweder auf den Basiseffekt oder auf andere besondere Umstände zurückzuführen und daher nicht nachhaltig sei. Ein Ende der lockeren Geldpolitik werde erst dann eingeläutet, wenn Inflation vorhanden sei. Damit hat die Fed einen weiteren Wechsel in ihrer Politik vollzogen: Zwischen Maßnahmen der Notenbanken und deren Wirkung liegen meist 6-9 Monate Zeitverzögerung. Daher reagiert die Notenbank bereits dann, wenn entsprechende Änderungen absehbar sind. Wenn also die Prognosen einen Anstieg der Inflationsrate über 2% erkennen, wird die Notenbank aktiv. So zumindest war es in den vergangenen Jahrzehnten. Jay Powell betonte diese Woche jedoch mehrfach, dass die Notenbank erst dann überhaupt Überlegungen für Maßnahmen anstellen werde, wenn gesichert sei, dass die Inflation nachhaltig über 2% gestiegen sei. Es reiche also nicht aus, wenn die Inflation vorübergehend mal aufgrund der oben genannten Sondereffekte über 2% notiere, sondern die Inflation müsse nachhaltig über 2% bleiben, um überhaupt einen Denkprozess bei den Notenbankmitgliedern anzustoßen. Und darüber hinaus sei es nicht mehr das Ziel, die Inflation nahe unter 2% zu halten, sondern nach der langen Zeit niedriger Inflation könne man sich nun auch eine lange Zeit mit einer Inflationsrate über 2% vorstellen. In meiner zeit in den USA habe ich die unterschiedlichen Parkverbotsschilder kennengelernt. Meist kostete mich das Kennenlernen solcher Schilder ein wenig Geld :-(. Ich musste lachen, als ich am Flughafen New Jersey Halteverbotsschilder für 3 Minuten maximale Haltedauer sah. Das war aber nichts gegen die Schilder, die auf der Straße vor dem UN-Hauptgebäude stehen: "Don't even think about stopping here" no kidding: "Denk nicht einmal daran, hier zu halten". Jay Powell muss dieses Schild im Kopf gehabt haben, als er seine Pressekonferenz abhielt: "Denkt nicht einmal daran, das wir irgendwann die Liquiditätsflutung zurückführen könnten". Eine solche Aussage vor dem Hintergrund einer Erhöhung der Konjunkturprognose, Aktienmärkten auf Allzeithochs und einem Nachholeffekt, der meiner Einschätzung nach viele überraschen wird, ist sportlich. Stattdessen hob er die Arbeitslosigkeit hervor: Wichtiger als das Inflationsziel sei der Arbeitsmarkt. Und dort gebe es noch immer große Ungleichheit zwischen ethnischen Gruppen. Eine solche Aussage von einem Notenbankchef ist mutig. Anders als in Europa fühlt sich die US-Notenbank zwei Zielen verpflichtet: Geldwertstabilität und Vollbeschäftigung. Die EZB kennt ausschließlich die Geldwertstabilität, damit sie nicht in Gewissenskonflikte kommt. Nun hat Powell eine klare Periodisierung vorgenommen. Fortan wird sich die Erwartung über künftige geopolitische Entscheidungen der US-Notenbank aus den Arbeitsmarktdaten ableiten. Einmal mehr passt die MMT hier wunderbar hinein: Was soll sich die Notenbank um die Geldwertstabilität kümmern, wenn die Politik das doch durch gezielte Steuern viel besser kann. Die oben erwähnten "intelligenten" Profis lesen daraus jedoch nur eines ab: Die Inflation wird nicht mehr beachtet, die Geldflutung setzt sich fort, daher muss irgendwann eine hohe Inflationsrate folgen. Daher fliehen Profis aus den Anleihen, Anleihekurse sinken und führen somit zu steigenden Zinsen. Bei der 10 Jahre laufenden US-Staatsanleihe ist der Zins allein in dieser Woche um 0,11%punkte auf 1,72% angestiegen. So, nun sind wir wieder bei den Wachstums- und Technologieaktien, die sodann eben ausverkauft werden, weil deren zukünftige Erträge weniger wert werden. Ich habe das in den vergangenen Wochen mehrfach erklärt. Bleiben die konjunktursensiblen Aktien und die Aktien mit großen Nachholbedarf in einer Zeit nach Corona. Diese sind im Rahmen der Impfstoffrallye seit Mitte November kräftig angesprungen. Weiter oben habe ich Salzgitter und ThyssenKrupp genannt, deren Kurse mit Bekanntgabe der erwartet guten Zahlen eingebrochen sind, Gewinnmitnahmen. Insbesondere die langfristig und fundamental orientierten Anleger finden diese Aktien interessant und wollen sich für den Konjunkturaufschwung positionieren. Wir haben also drei Gruppen von Anlegern auf dem Parkett: Corona-Hilfe Empfänger, nennen wir Sie ruhig die Masse, die sich über WallStreetBets koordiniert. Profis, die Angst vor steigenden Zinsen haben. Und Fundamentalanleger, die genau jetzt die Positionen für die kommenden Jahre eingehen möchten. Nach einem Jahrzehnt, in dem ausschließlich Technologieaktien angestiegen sind und heute vollständig die Liste der größten 10 Unternehmen bevölkern, haben die Zinsüberlegungen, die die Profis derzeit anstellen, große Auswirkungen auf das Marktgeschehen. Neue Allzeithochs werden durch die anderen beiden Gruppen erzielt: Privatanleger, die ihre Lieblinge in die Höhe jubeln und Fundamentalanleger, die sich langfristig positionieren. Immer wieder kommt es natürlich zu Gewinnmitnahmen auch in diesen Gruppen. Doch der Löwenanteil auf dem Börsenparkett spielt sich derzeit in den Technologieaktien ab. Irre, dass DAX und Dow Jones ein Allzeithoch nach dem anderen erklimmen, während Profis ihre Tech-Aktien aus den Portfolios werfen. Bevor ich ableite, wie sich die Aktienmärkte in den kommenden Wochen entwickeln könnten, schauen wir uns mal die Wochenbewegung der wichtigsten Indizes an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (18.03.2021) Woche Δ Σ '21 Δ Dow Jones 32.739 0,1% 7,4% DAX 14.621 0,8% 6,6% Nikkei 29.792 0,2% 8,6% Shanghai A 3.569 -1,4% -0,3% Euro/US-Dollar 1,19 -0,4% -3,1% Euro/Yen 129,62 -0,6% 2,3% 10-Jahres-US-Anleihe 1,72% 0,10 0,79 Umlaufrendite Dt -0,36% 0,01 0,20 Feinunze Gold $1.743 1,1% -7,5% Fass Brent Öl $64,38 -7,0% 25,3% Kupfer $9.001 0,7% 14,8% Baltic Dry Shipping $2.215 12,4% 62,2% Bitcoin $58.879 2,7% 109,1% In Deutschland (+0,01%punkte) wurde die Zinsrallye der USA (+0,11%punkte) kaum nachvollzogen. Das mag mehrere Ursachen haben. Auf der einen Seite profitieren insbesondere die DAX-Unternehmen als Exportweltmeister vom globalen Konjunkturoptimismus. Auf der anderen Seite führt das Impfchaos in Deutschland zu gedämpften Erwartungen für die Erholung der Binnenkonjunktur, was sich europaweit in einem anhaltend niedrigen Zinsniveau ausdrückt. So ist auch die anhaltende Stabilisierung des US-Dollars gegenüber dem Euro nicht verwunderlich (+0,6%), denn steigende Zinsen in den USA sind attraktiv für internationales Kapital, das dann lieber in US-Dollar geparkt wird. Am Ölmarkt gab es keine Meldung, die gestern für den Ölpreiseinbruch von 7% binnen weniger Minuten verantwortlich war. Natürlich wurde die Notenbanksitzung dafür verantwortlich gemacht und man bezieht sich auf den steigenden US-Dollar. Doch so stark waren die Reaktionen nicht, dass der Ölpreis um zwischenzeitlich sogar 10% einbrechen würde. Da muss noch was anderes passiert sein, was wir noch nicht wissen. Vielleicht haben die Saudis einfach ihren Ölhahn wieder aufgedreht? | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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