Alt 10.07.21, 09:57
Standard So tickt die Börse: China düpiert die USA, die EZB düpiert die Bundesbank
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Diese Woche hat das größte Tagesplus der vergangenen sechs Wochen gesehen: Die Konjunkturdaten sind einfach zu gut, die Prognosen wurden nach oben korrigiert. Einen Tag später haben wir das größte Tagesminus seit sechs Woche gesehen: Die Delta-Variante breitet sich weltweit aus, Inzidenzen steigen und uns wird bewusst, wie privilegiert wir mit unserem bevorzugten Zugang zu guten Impfstoffen sind. Es gibt Hinweise, dass der chinesische Impfstoff kaum wirkt.

CHINA DÜPIERT DIE USA

Vor einer Woche ist Didi an die US-Börse gegangen. Die chinesische Version von Uber gilt als aussichtsreicher als sein US-Wettbewerber, allein schon weil der chinesische Markt deutlich größer als der US-Markt ist. Uber wurde kürzlich noch mit über 100 Mrd. USD bewertet, eine Zielgröße, die auch für Didi diskutiert wurde.

Didi startete mit einer Marktkapitalisierung von 70 Mrd. USD. Die Aktie stieg von 14 auf 16,50 USD und spülte 4,4 Mrd. USD frisches Kapital von US-Anlegern in die Unternehmenskasse. Kaum war der Börsengang erfolgreich durchgeführt, meldeten sich chinesische Behörden mit Warnungen zu Melde- und Offenlegungspflichten für chinesische Unternehmen, die am US-Finanzmarkt gehandelt werden. Kurz danach musste Didi seine App aus den chinesischen App-Stores nehmen, weil dort ebenfalls Offenlegungspflichten verletzt würden.

Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die USA in den vergangenen Monaten heftig über chinesische Unternehmen gemeckert haben, die sich über den US-Finanzmarkt Geld beschaffen. Man werde dem einen Riegel vorschieben, war zu hören. So könnte die Aktion Chinas eine direkte Antwort auf diese Drohungen sein.

Die Aktie von Didi brach auf 11 USD ein, 1 Mrd. USD der US-Anleger waren über Nacht vernichtet. Erinnerungen an Ant Financial, der Finanzarm von Alibaba, kommen hoch. Vor einem halben Jahr stoppten die chinesischen Behörden den Börsengang in letzter Sekunde, Gründer Jack Ma tauchte für mehrere Wochen unter. Es stand der Vorwurf im Raum, er habe nicht parteifreundlich genug agiert.

China hat vor wenigen Tagen das 100 jährige Bestehen der Kommunistischen Partei gefeiert. In den Reden wurde unverblümt der weltweite Führungsanspruch formuliert, die westliche Welt wurde als Gegner tituliert. Die Kommunistische Partei (KP) liebt Kontrolle. Alles was sie nicht kontrollieren kann, wird bekämpft. Unternehmerische Freiheit wird zugelassen, aber nur im genau abgesteckten Wertekanal der KP.

So wird derzeit der Bitcoin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. Und so werden auch Unternehmen zurecht gewiesen, die sich global ausstrecken und ihre Verantwortung (Unterwerfung?) gegenüber der KP zu vergessen drohen.

Bei aller Bewunderung für die wirtschaftliche Leistung des Landes sollten wir nicht vergessen, dass viele chinesische Werte mit unseren Werten nicht übereinstimmen. Ich weiß, nun werde ich wieder Rückmeldungen erhalten, dass unsere Werte nicht viel besser seien. Doch da unterscheide ich: Wir haben aktuell ein großes Problem bei der Umsetzung unserer Werte. Unsere Werte selbst jedoch möchte ich nicht in Frage stellen.

Ich werde immer wieder gefragt, warum ich denn keine chinesischen Aktien im Portfolio habe. Ja, ich schaue sie mir immer wieder an: Alibaba, Baidu, Tencent, JD.com, etc., aber es ist für mich schon schwer genug, die westliche Welt zu verstehen und zu sinnvollen Anlageentscheidungen zu kommen. Mit der chinesischen Welt werden diese Probleme nicht kleiner.

EZB DÜPIERT DIE BUNDESBANK

Das heilige Inflationsziel "nahe bei, aber nicht über 2%", das die deutsche Bundesbank der EZB mit auf den Weg gab, wurde gestern von Christine Lagarde zu Grabe getragen. Fortan gilt ein symmetrisches Inflationsziel von 2%, das beinhaltet, dass die Inflation auch mal für einen Zeitraum über 2% liegen kann. Symmetrisch bedeutet aktuell, nach 10 Jahren mit einer Inflation deutlich unter 2% seit 2011 dürfen wir uns nun über 10 Jahre mit einer Inflation zwischen 2% und 4,5% in der Zukunft nicht beschweren.

Ich habe damit schon lange meinen Frieden geschlossen, seit mir bewusst wurde, dass die Geldwertstabilität in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr in der Hand der EZB, sondern der Politik liegt. Dank der Modern Monetary Theory (MMT) hat die Politik inzwischen das Ruder übernommen. Die EZB agiert seither als verlängerter Arm der Politik, um deren Versprechen und Abenteuer zu finanzieren.

Da passt natürlich auch hinein, dass die EZB ab sofort Klimapolitik betreiben wird. Auch das haben wir gestern erfahren. Das Erfolgskonzept der Deutschen Bundesbank, die mit dem einzigen Ziel der Geldwertstabilität beauftragt war, wird nun also über Bord geworfen. Die EZB wird Unternehmenspapiere bevorzugt ankaufen, wenn die Unternehmen klimapolitische Ziele verfolgen.

Die EZB finanziert nun also nicht mehr nur die Politik, sondern übernimmt vermeintliche politische Ziele für die eigene Geldpolitik.

BITCOIN BLEIBT STABIL

Und sie wundern sich, dass der Bitcoin trotz heftigem Gegenwind aus China noch immer auf dem höchsten Niveau seit 2020 notiert? Lediglich in den ersten Monaten 2021 erfolgte ein kurzzeitiger Ausflug - eine kurzfristige Übertreibung? - auf 65.000 USD, doch mit aktuell 33.000 USD notiert der Bitcoin noch immer über dem Allzeithoch, das bis Ende 2020 galt.

Ich hatte am vergangenen Wochenende eine interessante Diskussion mit einem älteren Semester, der mich schon seit Kindesbeinen kennt: "Stephan, der Bitcoin ist eine windige Sache und Du machst Dir Deinen guten Ruf kaputt damit", mahnte er. Eine solche Mahnung geht auch an mir nicht spurlos vorüber und ich habe viel darüber nachgedacht.

Mit 6,5% Portfolioanteil stellt der Bitcoin für mich eine Absicherung gegen genau diesen Wahnsinn der EZB dar. Die Geschichte des Geldes ist voll von Beispielen, bei denen politisiertes Geld irgendwann von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert wurde. Mag sein, dass es noch einige Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauert. Doch ich kann nicht in die Zukunft blicken und erachte den Bitcoin als Absicherung mit dem geringen Anteil am Portfolio für eine gute Sache.

Ich spekuliere ja nicht darauf, dass der Bitcoin im nächsten Jahr über 100.000 USD springen könnte. Vielmehr profitieren weiterhin 93,5% unseres Portfolios von geregelten Finanzmärkten. Aber wenn ich mir die Erosion unseres Weltfinanzsystems vor Augen führe, muss ich mich dagegen absichern. Und dazu sind Gold und Bitcoin in meinen Augen geeignet.

Schauen wir uns nun einmal an, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (08.07.21) Woche Δ Σ '21 Δ

Dow Jones 34.748 0,3% 14,0%
DAX 15.641 -0,4% 14,0%
Nikkei 27.940 -2,9% 1,8%
Shanghai A 3.694 0,1% 3,2%
Euro/US-Dollar 1,19 0,3% -3,5%
Euro/Yen 130,59 -0,9% 3,0%
10-Jahres-US-Anleihe 1,35% -0,10 0,41
Umlaufrendite Dt -0,41% -0,13 0,15
Feinunze Gold $1.804 1,3% -4,2%
Fass Brent Öl $75,35 -0,4% 46,6%
Kupfer $9.435 1,8% 20,3%
Baltic Dry Shipping $3.281 -1,7% 140,2%
Bitcoin $33.362 0,9% 18,5%
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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