Alt 07.08.21, 12:49
Standard So tickt die Börse: Börsengänge von Didi und Robinhood führen zu Turbulenzen
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BESORGNISERREGEND: CHINA UND DIE USA DRIFTEN WEITER AUSEINANDER.

Ende Juni ist Didi Global an die Börse gegangen. Die chinesische Version von Uber (78 Mrd. USD) und Lyft (16 Mrd. USD) kam am ersten Handelstag auf eine Marktkapitalisierung von 65 Mrd. USD. Mag sein, dass Didi noch jünger ist als Uber, aber der chinesische Markt ist um ein Vielfaches größer als der US-Markt. Die hohe Bewertung wurde damit begründet, dass Didi künftig vermutlich 50% des globalen Marktes für Fahrdienste beherrschen werde.

Doch der Börsengang wurde zur Katastrophe: Didi ging an die US-Börse NYSE. Noch einen Tag vor dem Börsengang rechneten Analysten mit einer Marktkapitalisierung von 100 Mrd. USD, also mehr als Uber und Lyft zusammen. Doch täglich gibt es derzeit vier Börsengänge in den USA und die Beziehungen zu China sind als angespannt zu bezeichnen. Die Mondbewertung ließ sich nicht verkaufen, daher wurde der Emissionspreis über Nacht um 35% gesenkt.

In den USA tobt eine Diskussion darüber, ob man chinesische Aktien an den US-Börsen generell verbieten, oder zumindest viel stärker reglementieren sollte. Der Grund ist in der Biden-Administration der gleiche, wie in der Trump-Administration: China spiele mit gezinkten Karten. Chinesische Unternehmen würden tricksen, wo es nur geht. Fundamentale Vereinbarungen des internationalen Handels würden nicht eingehalten. In den vergangenen Tagen hat sich der Tonfall weiter verschärft: China wirbt offen für eine globale Allianz gegen die USA. Die USA unterstellen China Bestrebungen nach einer globalen Dominanz, ohne - diese Argument wiederholt sich - internationale Vereinbarungen zu akzeptieren.

Wenn man die Auseinandersetzung auf die wirtschaftliche Ebene reduziert, dann sehen die Aktionen Chinas wie ein Affront gegen die USA aus: Nur wenige Tage nach dem Börsengang von Didi wurde die Didi-App auf Anordnung chinesischer Behörden aus den chinesischen App-Stores gelöscht. Die Aktie von Didi brach seither um 30% ein.

Meinem Eindruck nach geht die Aktion über einen wirtschaftlichen Affront gegen die USA hinaus. China demonstriert mit dieser Vorgehensweise seine politische Macht. Die Kommunistische Partei kann schnell und gezielt in den Markt eingreifen, wenn es ihr beliebt. Bereits im vergangenen Jahr wurde diese Möglichkeit mit Alibaba gezeigt: Das Unternehmen wollte die Unternehmenstochter Ant Financial an die Börse bringen. Doch wenige Tage vor dem Börsengang wurde das Vorhaben von der Politik gestoppt. Gründer und CEO Jack Ma ist seither aus der Öffentlichkeit verschwunden. Auch Alibaba zählt über die US-Börsen viele US-Anleger zu seinen Aktionären. Der Kurs von Alibaba hat seither um 37% abgegeben.

Diese Woche wurde in China beschlossen, dass Unternehmen, die in Sachen Bildung und Schülernachhilfe unterwegs sind, keine Gewinne erzielen dürfen. Außerdem wurde der Schutz von Minderjährigen bei Online-Spielen verstärkt. Aktien aus diesen Bereichen brachen ein. Tencent beispielsweise gab binnen weniger Tage 20% ab.

Für mich hat es den Anschein, als arbeiten die USA und China gemeinsam daran, die gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen zu entflechten. Globalisierung im Rückwärtsgang. Wir wissen, dass Globalisierung nicht automatisch positiv ist. Häufig wird der schwächere Partner ausgenutzt. Doch in der Globalisierung steckte stets ein Element der Völkerverständigung, die ein elementarer Bestandteil des Friedensprozesses ist. Vor diesem Hintergrund ist das Entflechten zwischen den USA und China in meinen Augen besorgniserregend.


ROBINHOOD: RETTER DER KLEINANLEGER

Die Aktienmärkte notieren nahe ihrer Allzeithochs. Die Zahl der täglichen Börsengänge ist extrem hoch, viel Kapital wird von alten Aktien in neue IPO-Aktien umgeleitet. Es ist eine Frage der Zeit, wann dieses neue Angebot an Aktien die Aufnahmefähigkeit an den Kapitalmärkten überfordert.

Diese Woche ist Robinhood an die Börse gegangen. CEO Vlad Tenev war in den vergangenen Monaten regelmäßig in den Schlagzeilen. Die Bewegung WallStreetBets wird zum großen Teil seinen Kunden zugeschrieben. Sie erinnern sich: Im Frühjahr war die Aktie des Spieleverkäufers Gamestop mehrere tausend Prozent in die Höhe gejubelt worden. Nicht, weil das Unternehmen plötzlich ein so tolles Geschäftsmodell präsentierte, sondern nur weil sich viele Kleinanleger über Blogs und Foren wie bspw. WallStreetBets verabredet haben, diese Aktie zum Mond zu jubeln ("to da moon").

Die institutionellen Anleger der echten Wallstreet shorteten die Aktie, doch ohne Erfolg: die Massen der WallStreetBets überwältigten die Profis und viele Hedgefonds mussten Notmaßnahmen ergreifen, einige gingen sogar daran pleite.

Als zweite Aktie wurde dann Kinobetreiber AMC zum Mond gejubelt. Es folgten eine ganze Reihe weiterer Aktien, die mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg auf diese Weise manipuliert wurden.

Der Broker Robinhood bietet den Aktienhandel kostenfrei an. Robinhood verkauft den Orderflow und verdient damit. Gebühren werden vom Broker nicht erhoben. Als Anleger sollten Sie wissen, dass der Verkauf des Orderflows der eigenen Kunden an institutionelle Unternehmen dazu führt, dass diese institutionellen Unternehmen gegen diesen Orderflow spekulieren: Sie schneiden sich, wenn möglich, von jeder Order ein paar Bruchteile eines Cents ab und geben den Kunden etwas schlechtere Kurse, als diese direkt über die Börse erhalten hätten. In Deutschland ist diese Praxis verboten.

In den USA ist das jedoch legal und Robinhood hat ein marketingwirksames Geschäftsmodell darauf aufgebaut: "Keine Ordergebühren" klingt fair und lockt insbesondere Kleinanleger an. So hat gerade die junge Generation von Anlegern, die noch mit vergleichsweise kleinen Beträgen agiert, dieses Angebot gerne angenommen. 22 Mio. Kunden hat Robinhood, die Hälfte davon sind unerfahrene junge Erstanleger.

Im Rahmen des Börsengangs hat Robinhood auch seinen Kunden Aktien gegeben. 11 Mio. unerfahrene Kleinanleger haben plötzlich Aktien von Robinhood im Depot. Hier entwickelt sich etwas, das mit marktwirtschaftlichen Kriterien nicht erklärbar ist.

Wohl aber mit Marketingaspekten: Vlad Tenev gilt den jungen Anlegern als Messias. Endlich ein Broker, der verstanden hat, dass die Finanzwelt vom Kleinanleger abhängen sollte. Endlich ein Broker, der den Kleinanlegern gibt, was sie verdienen: Kostenfreie Trades und nun auch noch Anteile an diesem honorigen Unternehmen.

In den vergangenen Tagen erfolgte nun ein Run auf die Aktien von Robinhood: Nach der Erstnotiz am vergangenen Freitag bei 33,50 USD ging's zu Beginn der Woche in Richtung 37 USD: Ein stolzer Kursgewinn von 10% in nur zwei Tagen.

Am Dienstag folgte dann der unglaubliche Sprung auf 48 USD, also ein Plus von 43% gegenüber der Erstnotiz. Die Finanzmedien waren voll von Artikeln über diese unglaubliche Performance.

Cathie Woods hat übrigens mit ihrem derzeit vielbeachteten ARK-Fonds für 115 Mio. USD Aktien von Robinhood gekauft.

Am Mittwochmorgen schoss die Aktie dann auf 77 USD: +130% in nur vier Tagen! Die Aktie konnte sich mit 70 USD aus dem Tag retten. Analysen haben ergeben, dass sich die Massen von WallStreetBets über Optionsscheine den Kurs von 70 USD ausgesucht hatten, weil gerade dort institutionelle Anleger mit ihren Rechenmodellen aus der Bahn geworfen werden.

Am Donnerstag gab Vlad Tenev bekannt, knapp 100 Mio. Aktien in den Markt zu geben, die im Rahmen der damaligen Gamestop-Probleme als Wandelanleihe ausgegeben wurden: Robinhood musste damals über Nacht mehrere Milliarden USD Bargeld generieren, um Anforderungen der Finanzaufsicht zu erfüllen, und gab damals diese Wandelanleihe aus. Diese wird nun in den aktuellen Hype hinein versilbert.

Das scheint vorerst das Ende der Robinhood-Rallye zu sein, die Aktie ist gestern um 27% auf 51 USD eingebrochen.

Auch in Deutschland gibt es ein Unternehmen, das sich schon mal gerne mit Robinhood vergleicht: Flatex. Zum Wochenbeginn veröffentlichte Flatex Zahlen, die den Anlegern nicht gefielen. Die Aktie brach um 15% ein. Im anschließenden Analystencall erklärte Mo Chahrour, die Zahlen seien vollständig im Rahmen der Erwartungen ausgefallen. Hmm, die Kursreaktion lässt an dieser Interpretation Zweifel aufkommen.

Ich habe mir die Sache näher angeschaut und denke, dass Flatex Opfer des eigenen Erfolges geworden ist. In den vergangenen Monaten wurde mehrfach die Prognose angehoben, stets mit blumigen Worten, die Anlegern das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Es entwickelte sich eine Erwartungshaltung, dass dies ewig so weitergehen werde.

Die nun veröffentlichten Zahlen liegen im Rahmen der Erwartungen. Die Prognoseanhebungen waren also korrekt. Doch das reicht im UPOD-Spiel nicht: UPOD = UnderPromise, OverDeliver (wenig versprechen, mehr liefern) muss kontinuierlich weitergehen. Wenn dann mal lediglich das geliefert wird, was versprochen wurde, sind Anleger über das Ausbleiben der positiven Überraschung enttäuscht ...

... und suchen nach einem Haar in der Suppe. Das war schnell gefunden: Der Umsatz je Kunde ließ zu wünschen übrig. Klar, wenn das Kundenwachstum extrem hoch ist, dann eröffnen nicht nur die lukrativen Kunden neue Konten, sondern auch immer mehr weniger attraktive Kunden. So geht der Umsatz je Kunde dann zurück. Das ist zwar in den Prognosen von Flatex bereits enthalten, führte aber dennoch zu einer Enttäuschung unter Anlegern.

Wenn ich mir dann die Reaktion auf die jüngsten Q-Zahlen anschaue, ist das Gesamtmarktumfeld ohnehin schwierig. Gute Zahlen wurden vielfach durch Gewinnmitnahmen quittiert. Ich habe den Eindruck, dass viele Anleger die guten Zahlen abwarteten, um endlich Gewinne einzusacken.

Und zu guter Letzt berichte ich über Flatex nicht ohne Grund im Kapitel zu Robinhood: Auch Flatex wirbt mit niedrigen Ordergebühren, teilweise werden kostenfreie Trades angeboten. Damit werden sich auch bei Flatex einige unerfahrene, junge Anleger herumtreiben, die wir der WallStreetBets-Bewegung zuordnen können. Diese Kleinanleger werden im Rausch der Robinhood-Rallye ihre Flatex-Aktien verkauft haben, um gemeinsam mit ihrer Masse Robinhood zum Mond zu jubeln.

Eine ganze Reihe von Punkten, die in der Summe wohl zu der heftigen Kursreaktion geführt haben. Ob das nun eine Kaufgelegenheit darstellt, oder aber die Aktie bis auf weiteres gemieden werden sollte, beurteile ich in Kapitel 04.

Schauen wir nun einmal auf die wöchentliche Entwicklung der wichtigsten Indizes.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (05.08.2021) Woche Δ Σ '21 Δ

Dow Jones 35.064 0,4% 15,0%
DAX 15.776 1,5% 15,0%
Nikkei 27.820 2,0% 1,4%
Shanghai A 3.624 1,8% 1,3%
Euro/US-Dollar 1,18 -0,5% -3,9%
Euro/Yen 129,71 -0,4% 2,3%
10-Jahres-US-Anleihe 1,22% -0,02 0,28
Umlaufrendite Dt -0,54% -0,04 0,02
Feinunze Gold $1.798 -0,9% -4,6%
Fass Brent Öl $72,12 -5,5% 40,3%
Kupfer $9.475 -2,6% 20,9%
Baltic Dry Shipping $3.376 2,6% 147,1%
Bitcoin $40.740 -3,5% 44,7%
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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