Alt 23.10.21, 11:02
Standard So tickt die Börse: Ölpreisentwicklung entscheidet über Crash oder Rallye
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Der Ölpreis ist über 80 US-Dollar je Fass WTI geschossen. Erinnern Sie sich noch an den Corona-Crash, in dessen Rahmen der Ölpreis auf zwischenzeitlich -40 USD/Fass gerutscht war? Das war eine Anomalie aufgrund der hohen Lagerkosten für das damals zeitweilig nicht benötigte schwarze Gold, wenn die Förderung nicht abgenommen wird.

Ich habe mir vor einigen Jahren die Spanne von 40 bis 70 USD/Fass als "normal" für das Öl notiert. Wenn der Ölpreis Richtung 70 USD/Fass steigt, wird in den USA wieder mehr Schieferöl gefördert (Fracking) und der Ölpreis geht wieder zurück. Doch offensichtlich hat die Corona-Pandemie auch in der Ölindustrie Spuren hinterlassen: Die Investitionen in eine Ausweitung der Ölproduktion sind nicht mehr so einfach zu tätigen. Zum einen sind viele Ölförderer nach wie vor klamm, haben also nicht die für solche Investitionen erforderlichen Mittel. Zum anderen ist seit dem Regierungswechsel in den USA der Transport nicht mehr so einfach.

Daher konnte der Ölpreis über 70 USD/Fass ansteigen. Doch kurzzeitig kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Lieferengpässe.

Als Erstes kamen Lieferprobleme in Großbritannien zu Tage: In Folge des Brexit gibt es auf der Insel nicht mehr ausreichend LKW-Fahrer, um das Benzin zu den Tankstellen zu fahren. Die letzte Meldung zu diesem Thema habe ich von vor zwei Wochen gefunden: Die Armee übernimmt die Versorgung der Tankstellen, seither scheint das Problem gelöst.

Die nächste Meldung kam aus San Francisco: Über 50 Schiffe, Containerschiffe und Tankschiffe warten vor dem Hafen darauf, ihre Ladung zu löschen. Das Personal war während der Corona-Pandemie zurückgefahren worden und reicht nun nicht mehr aus, die sprunghaft angestiegenen Lieferungen abzuarbeiten. US-Präsident Biden hat das Problem zu seinem Thema gemacht, sorgte für 24/7-Betrieb auf dem Hafen und seither löst sich der Stau sukzessive auf.

Keines der großen Ölförderländer reagiert mit Förderausweitungen. Die OPEC+ hat lediglich verlauten lassen, man halte sich an den vereinbarten Fahrplan der schrittweisen, moderaten Ausweitung der Ölförderung. In der Finanzpresse werden Anschuldigungen laut: Die OPEC+ schaffe so einen künstlich hohen Ölpreis, um sich die eigenen Taschen voll zu machen.

Weder Venezuela, noch Russland oder Saudi Arabien, nicht einmal der Iran weiten ihre Förderung maßgeblich aus. Wenn Sie die Verhandlungen der OPEC+ in den vergangenen Jahren verfolgt haben, dann wissen Sie sicherlich, dass es alles andere als eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter diesen Ländern gibt. Ich würde behaupten, dass jedes dieser Länder sofort die Förderung ausweiten würde, wenn es sich einen finanziellen Vorteil davon versprechen würde.

Können oder wollen sie nicht? Nun, zumindest über Saudi Arabien und Russland weiß ich, dass dort deutlich mehr gefördert werden könnte, wenn man wollte. Die wollen also nicht.

Und es ist gar nicht so schwer nachzuvollziehen, warum die nicht wollen: Die Probleme sind vorübergehend. Schon jetzt rechnet ein Großteil in der Branche mit einem rückläufigen Ölpreis in den kommenden Wochen. Das klingt widersprüchlich, steht doch ein kalter Winter vor der Tür und in der Heizperiode steigt doch normalerweise der Ölpreis, oder?

Nein, das ist falsch: Normalerweise steigt der Ölpreis VOR der Heizperiode und findet sein Maximum stets Ende Oktober. Danach geht es in der Regel abwärts mit dem Ölpreis. Wenn in diesem Jahr Logistikprobleme für einen besonders starken Anstieg VOR der Heizperiode gesorgt haben, dann könnte der Preisrückgang auch besonders stark sein, oder?

Wenn Öl steigt, treibt das die Inflation an und bremst die Konjunktur. 90% aller Aktienunternehmen leiden unter einem ansteigenden Ölpreis. Reise- und Logistikunternehmen stöhnen unter den hohen Spritkosten. Die energieintensive Industrie muss höhere Produktionskosten weiterreichen. Vorprodukte und Zulieferer müssen ihre Preise erhöhen. Das zieht sich durch bis zum Verkaufspreis für ein Auto, einen Computer oder für Kleidung. Ein weiterer Anstieg des Ölpreises in Richtung 100 USD/Fass wäre eine Katastrophe für die globale Konjunktur.

Warum brechen die Märkte also nicht ein? Weil die Profis davon ausgehen, dass der Ölpreis nicht auf 100 USD/Fass steigen wird.

Wir sind also an einer Wegscheide: Entweder der Ölpreis läuft weiter nach oben und wir bekommen einen Crash, oder aber der Ölpreis beginnt zu fallen und wir erhalten eine Jahresendrallye. In Kapitel 04 habe ich aufgelistet, wie die einzelnen Branchen im jeweiligen Szenario performen werden: Welche Aktien profitieren am meisten von einem rückläufigen Ölpreis? Welche leiden am stärksten unter einem hohen Ölpreis?

SNAP LEIDET UNTER APPLES DATENSCHUTZ

Snap, der Betreiber der populären Foto-Plattform Snapchat, gab gestern Q-Zahlen bekannt, die leicht hinter den Erwartungen waren. Der Schock kam mit der Erklärung für die leichte Verfehlung: Die gezielte Auslieferung von Werbung sei nicht mehr möglich.

Apple hatte vor einigen Wochen bekannt gegeben, dass Apps, die das Nutzerverhalten tracken, ihre Nutzer dafür explizit um Erlaubnis fragen müssen. Es zeigte sich, dass die meisten Nutzer diese Erlaubnis verweigern. Social Media Plattformen wie Snap, Facebook, Twitter, Pinterest und Google erzielen den Großteil ihrer Einnahmen über Werbung, die sie gezielt interessierten Nutzern zeigen. Wenn nun die Nutzerdaten nicht mehr ausgewertet werden können, erfolgt die Auslieferung der Werbung weniger gezielt und es wird seltener geklickt. Mit dem vorhandenen Traffic lassen sich also weniger Werbeeinnahmen erzielen. Es ist zu erwarten, dass Werbetreibende ihre Zahlungsbereitschaft diesem Umstand anpassen, die Werbeeinnahmen werden zurück gehen.

Snap erklärte, die von Apple alternativ zur Verfügung gestellte Software zum Trocken des Nutzerverhaltens sei "unzuverlässig". Grundsätzlich sei es jedoch richtig, die Nutzer um ihr Einverständnis zu bitten, Snap müsse das Geschäftsmodell nun entsprechend anpassen.

Die Aktie von Snap ist nachbörslich um 25% eingebrochen, auch die anderen Betreiber von Social Media Plattformen kamen unter Druck (-3 bis -5%).

Ich denke, in dieser Entwicklung hat sich ein weiteres, wesentlich gravierenderes Problem versteckt: Es wird weniger Werbung gemacht.

Wir lesen überall von Mangelwirtschaft, Lieferengpässen und Produktionsstopps. Es gibt weniger Produkte, die Preise steigen. Produkte müssen in diesem Weihnachtsgeschäft nicht mehr so stark beworben werden, um an den Mann gebracht zu werden. Preisnachlässe sind kaum mehr erforderlich. Unternehmen maximieren ihre Gewinnmarge mit den verfügbaren Produkten, um die Löcher in der Lieferkette zu stopfen. Einige Unternehmen haben in diesen Tagen bereits Zahlen vermeldet, die diese Theorie unterstützen: Weniger Umsatz und dennoch mehr Gewinn. Warum also teure Werbung schalten, wenn die Nachfrage ohnehin größer ist als das Angebot.

PAYPAL MÖCHTE PINTEREST KAUFEN

39 Mrd. USD möchte Paypal für Pinterest bezahlen. Die Aktie von Paypal ist in Folge dieser Meldung um 10% eingebrochen. CEO Dan Schulman hat Paypals Abspaltung aus dem eBay-Konzern umgesetzt und das Unternehmen zum führenden Zahlungsanbieter entwickelt. Nun möchte er direkt auf Vertriebskanäle zugreifen.

Auf Pinterest veröffentlichen Blogger ihre Einrichtungsideen, Schminktipps und selbst gemachte Kleidung. Kochrezepte werden geteilt, inklusive Tipps für die Präsentation der Gerichte. Geschmack, sowohl des Gaumens, als auch fürs Auge, wird auf Pinterest groß geschrieben. Entsprechende Utensilien verkaufen die Anbieter dann gerne selbst.

Offensichtlich möchte Dan Schulman das Einkaufen auf dieser Plattform reibungsloser gestalten, indem er Paypal dort fest als Zahlungsweg einbindet.

Ich bin skeptisch, da ich in diesem Bestreben nur einen weiteren Versuch sehe, mehr Daten über die Nutzer zu erhalten. Und Apple hat ja gerade vorgemacht, wie diesem Treiben ein Ende gesetzt werden kann.

Auf der anderen Seite bin ich absoluter Fan von Dan Schulmann. Im Zweifel würde ich ihm vertrauen, denn er hat schon so mache Entscheidung getroffen, die zunächst nicht nachvollziehbar, sich später aber als gut herausgestellt hat.

Mit 39 Mrd. USD Kaufpreis ist Pinterest das mit Abstand teuerste Übernahmeziel, das Paypal jemals ins Auge gefasst hat (bislang war Money für 4 Mrd. USD die teuerste Übernahme Paypals).

Hmm, wenn ich die Übernahme verstehen würde, dann würde ich Ihnen Paypal mit dem Kursabschlag von 10% zum Kauf empfehlen. Denn wir warten schon lange auf eine Kaufgelegenheit. Aber ich muss zugeben, ich verstehe die Übernahme ebenso wenig wie offensichtlich die meisten anderen Anleger.

Schauen wir uns mal an, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (21.10.2021) Woche Δ Σ '21 Δ

Dow Jones 35.665 2,2% 17,0%
DAX 15.543 0,1% 13,3%
Nikkei 28.805 -0,9% 5,0%
Shanghai A 3.755 0,3% 4,9%
Euro/US-Dollar 1,16 0,2% -5,4%
Euro/Yen 132,03 -0,5% 4,2%
10-Jahres-US-Anleihe 1,65% 0,13 0,72
Umlaufrendite Dt -0,19% 0,04 0,37
Feinunze Gold $1.796 1,2% -4,6%
Fass Brent Öl $85,42 0,9% 66,2%
Kupfer $10.196 11,4% 30,1%
Baltic Dry Shipping $4.653 -10,6% 240,6%
Bitcoin $60.874 2,3% 116,2%



DANKESCHÖN, JENS WEIDMANN

Für 10 Jahre hat Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Interessen der Bundesbank in der EZB vertreten. Nachdem eine ganze Reihe seiner Vorgänger polternd keinerlei Durchsetzungsvermögen hatten, versuchte Weidmann es mit leisen Tönen der Argumente. Er wurde stets freundlich angehört, und dann übergangen.

Weder Draghi, noch Lagarde scheren sich um das Postulat, das die Deutschen der EZB mit auf den Weg gegeben haben: NUR die Geldwertstabilität solle das Ziel der europäischen Notenbank sein. Draghi hat sich zum Retter der verkorksten Europa-Politik aufgeschwungen und Lagarde geht nun ambitioniert die globale Klimakrise an.

Rückhalt hätte Weidmann, wie seine Vorgänger, seitens der Deutschen Politik, namentlich Angela Merkel, benötigt. Dieser Rückhalt wurde jedoch verweigert. Merkel, der größte Nutznießer der Ausweitung des EZB-Mandats, hat die Gefahr nicht erkannt, die aus den inzwischen zur Normalität gewordenen Übergriffen der Notenbank in die Politik für das Geldsystem und die Wirtschaft entstehen.

Ich habe die Einwürfe von Jens Weidmann stets genossen, denn es war stets die Stimme der Vernunft. Wenn ich Entscheidungen der EZB kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm und an meiner VWL-Ausbildung zu zweifeln begann, waren seine Worte stets eine Wohltat für meinen Geist. Vielen Dank.

Vor einigen Jahren habe ich erkannt, dass wir in Europa nun auf einem geldpolitischen Zug sitzen, den wir nicht mehr stoppen können. Italien und Frankreich sitzen im Führerhäuschen. Dieser Zug kann noch viele Jahre fahren. Die Gesellschaft ruft geradezu nach diesem Zug: Bewundernd werden die Errungenschaften Chinas aufgelistet. Machtlos steht unsere Demokratie Diktatoren wie Erdogan und Lukaschenko gegenüber. Da ist es für viele eine Wohltat, dass wenigstens die EZB tun kann, was sie will. Niemand sonst in Europa vereint so viel Macht, wie der/die jeweilige EZB-Präsident/in.

Ich betrachte die Entwicklung skeptisch und kopfschüttelnd. Doch bevor wir hier depressiv werden, suchen wir uns doch lieber eine Ecke, in der wir uns dennoch wohl fühlen können: Kaufen Sie Gold, kaufen Sie Aktien. Mit dem Kauf von Bitcoins sollten Sie vielleicht auf einen Rücksetzer waren :-).
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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