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Wenn unsere Sentimentanalyse so etwas ist wie eine Wetterprognose, dann sollten wir unsere Prognosen regelmäßig überprüfen. Vor zwei Wochen hatten wir aus den Sentimentdaten abgeleitet, dass weitere Kursverluste schwerlich möglich seien. Vielmehr dürften die Kurse ansteigen, wenn es keine neuen Hiobsbotschaften gebe. Es war das klassische Signal, dass die Aktienmärkte "überverkauft" waren.
Krieg in der Ukraine, Lockdown in China, Lieferkettenprobleme, Inflationsdruck, Sanktionen, die auch uns schaden und reihenweise Unternehmen, die ihre Prognosen senkten. Weder Wirtschaft, noch Geld- oder Fiskalpolitik konnten diesem Sturm trotzen. Bestes Beispiel waren Cisco und Apple, deren Aktien in Folge einer Prognosesenkung auf Tauchstation gingen. Apple meldete Ende April, der Lockdown in China könne zu einem Umsatzausfall von 4-8 Mrd. USD führen. Die Aktie verlor in den anschließenden Tagen 15%. Cisco meldete Mitte Mai, die Chipknappheit werde bis ins Q3 '22 dazu führen, dass man nicht alle Bestellungen beliefern kann. Cisco fiel über Nacht um 15%. Der Wetterumschwung, angekündigt in unserer Sentimentanalyse, zeigte sich erstmal vor zehn Tagen bei den Zahlen von Nvidia: Die Zahlen für das abgelaufene Quartal waren, genau wie bei Cisco und Apple, herausragend. Doch die Prognose wurde gesenkt. Grund sei der Lockdown in China und das Engagement in Russland, so Jensen Huang, Gründer und CEO von Nvidia. Nachbörslich brach die Aktie um 7% ein. Auch am nächsten Morgen eröffnete die Aktie mit -7%. Trader hatten Angst, genau wie bei Apple und Cisco auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Doch während die -15% bei Apple mehrere Tage dauerten und bei Cisco innerhalb von 24 Stunden umgesetzt wurden, dauerte der Kurssturz bei Nvidia nur wenige Minuten und im Anschluss kamen Schnäppchenjäger und kauften. Die Aktie konnte im Tagesverlauf einen Teil des Verlustes aufholen und sprang bereits am Folgetag wieder auf das Niveau von vor den Q-Zahlen. Vor einem halben Jahr notierte Nvidia auf einem KGV 23e von 60, nach den Q-Zahlen stand das KGV 23e bei nur noch 29. Für Investoren war die Korrektur damit ausreichend, seither hat Nvidia 22% zugelegt. Gestern folgte Salesforce mit guten Zahlen und schwachem Ausblick. Doch statt ausverkauft zu werden, sprang die Aktie von Salesforce direkt an, das Tagesplus belief sich allein gestern auf 12%. Vier hervorragend geführte Unternehmen mit herausragenden Zahlen für das abgelaufene Jahr rechneten die Probleme, mit denen wir derzeit zu tun haben, in ihre Prognosen ein. Beim ersten Mal reagierten die Trader sukzessive und verkauften die Aktie. Investoren hielten den Ausverkauf über mehrere Tage nicht auf. Beim zweiten Mal erfolgte die Reaktion binnen 24 Stunden. Beim dritten Mal traten Investoren auf den Plan und nutzten den Ausverkauf, um Positionen aufzubauen. Zwei Tage brauchte die Aktie, um sich von den zuvor auf die exorbitanten Verluste konditionierten Trader zu erholen. Und schließlich beim vierten Mal kapitulierten die Trader und überließen den Investoren umgehend das Feld, die die Aktie einkauften. So sieht ein Wetterumschwung an der Börse aus. Nicht zu verwechseln ist der Wetterumschwung an der Börse mit einem Wetterumschwung in der Geopolitik, der Geldpolitik, etc. Der Krieg in der Ukraine behält seinen Schrecken. Trotz aller Erfolgsmeldungen unserer Medien über die Gegenwehr der Ukraine scheinen sich die Russen im Osten der Ukraine festzusetzen. Dort kann ich noch keinen Wetterumschwung erkennen. Der Lockdown in China wird sukzessive aufgehoben. Das mögen Etappenerfolge sein, doch ein Wetterumschwung würde meiner Einschätzung nach erfordern, dass China die wirksameren westlichen Impfstoffe nutzt, um die Grundimmunisierung zu erhöhen. Oder aber die strikte Lockdown-Politik müsste überarbeitet werden. Doch beides ist nicht in Sicht und so würden neue Fälle im Herbst erneut Lockdowns nach sich ziehen. Die Inflationsentwicklung könnte einen Wetterumschwung verzeichnen. Ich habe vor einigen Wochen darauf hingewiesen, dass zumindest in den USA die Inflationsrate nicht mehr weiter ansteigt, sondern sich auf hohem Niveau stabilisiert. Mit Hilfe des Basiseffekts (die Preise begannen vor einem Jahr zu steigen und so würden ab jetzt gleichbleibend hohe Preise schon zu einem Rückgang der Inflationsrate führen) könnte hier zwischenzeitlich die Sonne mal durchbrechen. Bei der Inflationsbekämpfung sehen wir also ein zartes Pflänzchen der Hoffnung. Beim Ukraine-Krieg und beim China-Lockdown hängen wir an richtungslosen Tagesmeldungen. Das reicht für eine Schönwetterfront ;-), aber für einen Sommer mit strahlendem Sonnenschein ist das noch zu wenig. Wir müssen also darauf achten, wie lange sich die Schönwetterfront hält bzw. ob sich in dieser Zeit weitere positive Entwicklungen ergeben. Ungeachtet dessen leben wir in einer neuen Welt. Dividendentitel sind gefragt, die Energiebranche, die Gesundheitsbranche und Unternehmen mit Konsumentenprodukten sind diejenigen Bereiche, in denen wir unser Kapital gegen die Probleme unserer Zeit schützen können. Dort fallen die Kurse an schwachen Tage weniger stark als die anderen, und steigen an guten Tagen stärker an als die anderen. Schauen wir mal auf die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes: Wochenperformance der wichtigsten Indizes INDIZES (02.06.22) Woche Δ Σ '22 Δ Dow Jones 32.946 -0,8% -9,3% DAX 14.460 0,0% -9,0% Nikkei 27.762 3,7% -3,6% Shanghai A 3.348 2,1% -12,2% Euro/US-Dollar 1,07 -0,2% -5,5% Euro/Yen 140,29 2,8% 7,3% 10-Jahres-US-Anleihe 2,97% 0,22 1,45 Umlaufrendite Dt 1,14% 0,25 1,42 Feinunze Gold $1.850 -0,1% 1,4% Fass Brent Öl $119,54 0,5% 51,7% Kupfer $9.533 0,4% -1,6% Baltic Dry Shipping $2.633 -1,8% 18,8% Bitcoin $29.523 1,8% -37,2% Der Ölpreis steigt weiter an, obwohl die Rezessionsangst eigentlich in die andere Richtung wirken müsste. In unserem Heibel-Ticker Portfolio machen Ölwerte inzwischen über 10% aus und ich gehe davon aus, dass die Aktien, wie auch der Ölpreis, weiter ansteigen werden. Der Grund ist ganz einfach: Immer, wenn der Ölpreis angestiegen war, wurde in die Ölförderung investiert, das Angebot erhöht bis irgendwann ein Überangebot zu fallenden Preisen führte. Dieser Mechanismus ist jedoch von der Politik außer Kraft gesetzt worden. Öl gilt als böse, Ölkonzerne sowieso, und Investitionen der Ölkonzerne gehen seit einiger Zeit nur noch dorthin, wo der CO2-Ausstoß verringert werden kann. Um den Ölpreisanstieg zu beenden, müssten Ölkonzerne jedoch die Förderung ausbauen. Doch kein Ölvorstand kann es sich leisten, heute in den Ausbau der Ölförderung zu investieren, wenn schon morgen ein neues Gesetz erlassen wird, mit dem der CO2-Ausstoß noch teurer bestraft wird. Der globale Ölverbrauch zeigt sich bislang noch relativ unbeeindruckt von den Umweltversprechen vieler Regierungen. Nur die Ölkonzerne reagieren, sie investieren nicht mehr. Dadurch wird das Öl teurer und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Wenn wir also die Umwelttechnologien nicht auf das Preisniveau des Öls senken konnten, dann wird nun der Ölpreis auf das Preisniveau der Umwelttechnologien angehoben. Für Ölkonzerne ist das eine goldene Zeit, denn sie können mit bereits getätigten Investitionen immer höhere Gewinne einfahren. Bessere Dividendenaktien gibt es derzeit nicht. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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