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Ach ja, die Bundestagswahlen. Muss ich dazu einen Kommentar abgeben? Nun, für die Börse hatte der Wahlausgang kaum eine Relevanz. Einzig spannend ist nun noch die Frage, mit wem Merkel regieren wird. Doch die beiden potentiellen Koalitionspartner sind so durcheinander, dass auch daraus kaum ein möglicher Schwerpunkt abgeleitet werden kann. Stehen die Grünen noch für eine umweltverträgliche Energiewende? Möchte die SPD noch den Kleinen Mann steuerlich entlasten? Nein, die Schwerpunkte dieser beiden Parteien ändern sich derzeit fast täglich, Wortführer treten ab und neue Leistungsträger definieren neue Schwerpunkte. Wir müssen wohl einfach abwarten.
In den USA laufen wir wieder einmal in eine nervenaufreibende Verhandlung um die Erhöhung der US-Defizitgrenze. Wird bis Montag kein Kompromiß gefunden, so drohen ab Mitte Oktober automatisch Ausgabenkürzungen im US-Haushalt die das Wirtschaftswachstum mit 0,15% pro Monat belasten könnten. Auf's Jahr gerechnet wäre das ein Rückgang um knapp 2%. Eine Studie von Morgan Stanley gibt dem Scheitern der Verhandlungen eine Chance von 25%. In der Studie wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen schlimmer werden, je länger es bis zu einem Kompromiss dauert. Wenn der Kompromiss also mit wenigen Wochen Verspätung erzielt wird, dann werden die vorübergehenden Ausgabenkürzungen voll kompensiert und auf Jahressicht ist mit keinem negativen Einfluss zu rechnen. Wir müssen somit also nicht fürchten, dass die Börsen gleich am Dienstag in den Keller rauschen, wenn es keinen Kompromiss gibt. Es wird scheibchenweise abwärts gehen. Diese Erkenntnis stammt von 1995 / 1996, als unter Präsident Clinton genau die gleiche Situation bestand: Der Kompromiss erfolgte mit einigen Wochen Verspätung, Auswirkung auf die Wirtschaft hatte dies aber nicht. Kaum Ereignisse also, die die Kurse bewegen könnten. Das wird sich nächste Woche ändern, wie ich Ihnen im Kapitel 04 aufzeigen werde. Ich gebe Ihnen eine Liste von Aktien an die Hand, die Sie bis zum Jahresende haben sollten. Ich bin Ihnen noch einen kleinen Bericht über meinen New York Tripp schuldig. Immerhin habe ich dort eine ganze Reihe von Läden aufgesucht, deren Aktien ich beobachte. Fangen wir mit Whole Foods Market an, dem Supermarktkonzept der Zukunft. WHOLE FOODS - SUPERMARKTKONZEPT DER ZUKUNFT Direkt am Union Square befindet sich ein Whole Foods Market (WFM), den wir noch mit Koffer bepackt auf unserem Weg vom Flughafen zu unseren Freunden heimgesucht haben. Auf den Verpackungen wimmelt es nur so von Begriffen wie "organisch" oder "Vollkorn" oder "aus kontrolliertem Anbau". Also alles, was der umweltbewußte junge Kunde braucht, um sich gut zu fühlen. Zudem gibt es in New York inzwischen sehr viele ... nein, nicht nur Vegetarier sondern gar Veganer. Sogar Eier und Milchprodukte werden gemieden. So gibt es eine überdimensional große Auswahl an Soja-Produkten bei Whole Foods. Alle Amerikaner sind fett? Nein, dieses Vorurteil müssen Sie in New York ad acta legen. Im Gegenteil, wenn Sie eine typische New Yorkerin in den Arm nehmen, können Sie anschließend Ihre blauen Flecke zählen. Entsprechend ist auf sämtlichen Produkten bei Whole Foods die Kalorienzahl prominent vermerkt. Etwa ein Viertel der Ladenfläche wird durch ein Buffet, sowie mehrere Frischetheken vereinnahmt. Dort gibt es Salate, Sandwiches, Wraps und einige speziell zubereitete Gerichte, die Sie sich nach Belieben individuell zusammenstellen können. Das Essen können Sie mit nach Hause nehmen oder direkt anschließend in der oberen Etage im Café verzehren. Mittags ist die Hölle los. Die Wartezeit an der Kasse, oder besser an den Kassen, ist gering. Auf engstem Raum wurden 25 Kassen aufgestellt, denen die Kunden rasend schnell nach Verfügbarkeit zugeordnet werden. Da die meisten weniger als 10 Artikel kaufen, sind die meisten Kassen für diese Kunden vorgesehen. Wer sich bei Whole Foods einen Großeinkauf leisten kann, muss in einer separaten Schlange anstehen. Whole Foods ist in meinen Augen das zukünftige Konzept von Supermärkten in Ballungszentren und Bürovierteln. Wer schnell mal eben Mittagessen möchte, ohne auf Qualität und Anspruch zu verzichten, der braucht nicht in ein teures Restaurant zu gehen, sondern kann bei Whole Foods seine individuellen Vorlieben ausleben. Da es sich dabei selten um den Großeinkauf von Familien handelt, spielt der hohe Preis für die speziell nachgefragten Produkte nur eine untergeordnete Rolle. Mit einem KGV von 34 ist das erwartete Gewinnwachstum von 20% p.a. in meinen Augen noch nicht ausreichend bewertet. Dank der konsequenten Ausrichtung auf die Themen einer modernen Gesellschaft wird Whole Foods noch eine ganze Weile weiter wachsen können. Denn es bedient einen Megatrend, der sich in den kommenden Jahren weiter ausbreiten wird: Die gesunde Ernährung entsprechend individueller Vorlieben. Übrigens: Das Gegenstück zu Whole Foods ist Trader Joe's, die amerikanische Tochtergesellschaft von Aldi. Ein Trader Joe's befand sich nur zwei Blocks östlich des Union Squares. Der Laden sah wesentlich gepflegter aus als seine deutschen Schwesterläden und erfreute sich ebenfalls höchster Beliebtheit: Die Kassenschlange verlief durch den gesamten Laden bis zum Eingang. Man betritt also den Laden, und während man sich sofort an die Kassen anstellt, kann man unterwegs seinen Einkauf tätigen. Verrückt. Ich habe die Kassiererin gefragt, ob dies immer so sei. Sie sagte mir, dass man morgens um kurz nach acht, also direkt nach Ladenöffnung, eine Chance habe, schneller durchzukommen. Sonst nicht. Es scheint, als habe Aldi endlich den Zugang zum US-Markt gefunden. CHIPOTLE MEXICAN GRILL - GESUNDES FAST FOOD In eine ähnliche Richtung wie Whole Foods schlägt Chipotle Mexican Grill (CMG)ein. Dort gibt es einen Mega-Burrito für 9 USD auf die Hand, der vor Ihren Augen individuell bestückt wird: verschiedene Salate, verschiedene Fleischarten zur Auswahl und verschiedene Soßen. Das Essen ist lecker und eben - ganz wichtig - individuell sowie auch verantwortlich: nur Fleisch von zertifizierten Bauern. Und natürlich wird Ihnen auf Wunsch genau mitgeteilt, wieviel Kalorien Ihr individueller Burrito hat. Das Verantwortungsbewußtsein kommt an, bei Chipotle reichte die Schlange sogar bis auf die Straße hinaus. Chipotle gehört zu den Highflyern an der Börse. Ohne Rücksicht auf den allgemeinen Börsentrend stürmt diese Aktie von Hoch zu Hoch, in den vergangenen zwölf Monaten hat sie sich verdoppelt. Damit trägt sie nun ein KGV 14e von 32 mit sich herum, was jedoch bei dem erwarteten Gewinnwachstum von 20% p.a. noch lange nicht zu teuer ist. Diese Rallye dürfte in meinen Augen noch eine Weile weiter gehen. ABERCROMBIE & FITCH - ELITEWAHN MACHT EINSAM Auf der 5th Avenue steht der Vorzeigeladen von Abercrombie & Fitch (ANF). Im Eingangsbereich steht ein männliches Model, mit dem sich die Laufkundschaft fotografieren lassen kann. Drinnen gibt es eine unübersichtlich gestaltete Architektur, in der man auf Schnäppchensuche gehen kann. Der Schnitt dieser Kleidung ist für die oben angesprochene typische New Yorker Bevölkerung. Als Hobby-Triathlet würde ich meine Figur bereits nicht mehr als dürr genug bezeichnen, um in dieser Kleidung gut auszusehen. So hat sich CEO Mike Jeffries bereits mehrfach dahingehend geäußert, dass er keine Damengrößen über L anbieten werde, da er nicht wolle, dass "dicke Menschen seine Kleidung tragen". Bei Männern geht er immerhin bis XL, ein Zugeständnis an Bodybuilder. Es ist ein Markenhype, der von Abercrombie & Fitch losgetreten wurde. Und natürlich war es in einer ersten Welle überaus angesagt, mit dieser Kleidung herumzulaufen. Doch der Hype ebbt nun langsam ab, und die Kenntnis über den Hintergrund des Unternehmens verbreitet sich langsam. Die Verkaufszahlen lassen sich nur durch heftige Preisrabatte aufrechterhalten, so stagniert der Umsatz, und der Gewinn ist rückläufig. Das KGV von 12 ist für diese Entwicklung in meinen Augen noch immer zu hoch, ich würde die Finger von dieser Aktie lassen. MACY'S - NEUES KAUFHAUSKONZEPT LANGFRISTIG AUSSICHTSREICH Zunächst einmal wurde das weltgrößte Kaufhaus vor einem Jahr vollständig renoviert. Die alten Holz-Rolltreppen wirken in dem nunmehr modernen Kaufhaus wie eine Attraktion. Als Pilotversuch wurden nicht mehr nur Ecken für Markenartikel eingerichtet, sondern sogar ganze Shops gestaltet. Wenn Sie also in die erste Etage hochkommen, sehen Sie zu Ihrer Rechten sofort ein Gucci-Geschäft mit Eingang und vollständig eigenständigem Design und Personal. Macy's (M) stellt sein Geschäftsmodell damit auf die Probe: Es werden Mieteinnahmen erzielt, nicht mehr nur umsatzabhängige Einnahmen. Ich halte das Konzept für zukunftsweisend, insbesondere vor dem Hintergrund des Kaufhaussterbens müssen die Hersteller selbst mehr des Absatzrisikos tragen, wenn sie ihre Marken für die Kunden greifbar machen möchten. Das gelingt mit dem neuen Konzept. Dennoch ist es Macy's nur bedingt gelungen, das Image des billigen Kaufhauses abzustreifen. Macy's hat den Fokus klar auf Profitabilität gelegt. Nicht mehr Umsatz um jeden Preis, sondern der Gewinn steht im Vordergrund. So wächst der Gewinn nachhaltig mit 12% p.a. und wird mit einem KGV 14e von 10 in meinen Augen fair bewertet. Das neue Konzept wird die Einnahmen weiter stabilisieren, vielleicht ist dann später auch mal ein wenig Geld dafür da, die Kaufhäuser wieder etwas edler zu gestalten. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Für den schnellen Kursgewinn ist diese Aktie nichts, eher etwas für die Langstreckenläufer. TJ MAXX - MARKENPRODUKTE IM AUSVERKAUF Modewellen schwappen immer schneller hoch und wieder ab. Lagerkosten schnellen in die Höhe und große Lagerbestände lähmen die Handlungsfähigkeit eines Einzelhändlers. Immer schneller muss die Ware "gedreht" werden. Also von der Entwicklung der neuen Mode bis zum Verkauf an den Kunden darf immer weniger Zeit vergehen. Und die nicht verkaufte Ware muss sodann ganz schnell Platz machen für die nächste Modewelle. Sonst gibt es nicht genug Platz im Laden für die neueste Mode und sonst sieht der Laden auch unattraktiv aus, wenn noch alte Sachen herumhängen. TJ Maxx (TJX) hilft den Markenartiklern, ihre Modeware schnell abzustoßen und verkauft die Artikel über seine Läden TJ Maxx (in Deutschland TK Maxx) mit Preisabschlägen von 50-70%. Nur wenige Kunden brauchen immer die neueste Mode, vielen reichen gute Kleidung, auch wenn das Design aus der Vorsaison stammt. Ich habe mir den Laden direkt an der Wallstreet angeschaut. Ein Kellerladen mit in meinen Augen ziemlich wahllos aufgehangenen Klamotten. Alles andere als ein Einkaufserlebnis. Aus diesem Eindruck heraus würde ich kaum vermuten, dass TJ Maxx einen Absatzrekord nach dem anderen vermeldet. Ein KGV von 17 bei einem erwarteten Gewinnwachstum von nachhaltig 12% ist nicht zu teuer. Zudem hat TJ Maxx nun auch einen Online-Shop angekündigt. Vielleicht ist der etwas besser sortiert als der Laden an der Wallstreet. Offensichtlich habe ich persönlich eine andere Beobachtung gemacht als viele Kunden von TJ Maxx sowie auch die Anleger, die die Aktie von Hoch zu Hoch jagen. Entsprechend muss ich hier zugeben, die Aktie nicht zu verstehen, da halte ich mich also zurück. Soweit meine Börsen-Bildungstour durch New York. Natürlich haben wir auch andere Dinge unternommen, wie beispielsweise das Musical "Phantom der Oper" gesehen, sind im Marriott Hotel am Times Square ins Drehrestaurant "The View" gegangen und haben meine alte Lieblings-Lifemusikbar "Cafe Wha?" in Greenwich Village besucht. Im letzteren ist die Zeit leider stehen geblieben, es wurden noch immer die Lieder von vor dreizehn Jahren gespielt, der Spirit war leider verloren gegangen. Voller Spirit hingegen war der Gospel Gottesdienst der East Ward Baptist Church in der Upper East Side, wo wir als einzige Weiße rücksichtsvoll eingebunden wurden. Es hätte mich dort nicht gewundert, wenn James Brown plötzlich vom Altar springt. Abbildung 1: New York Stock Exchange Die New York Stock Exchange selbst? Nun, das muss man selber gesehen haben, um einen Eindruck zu bekommen, welche Sicherheitsmaßnahmen dort nach 9/11 eingeführt wurden. Nicht einmal ein Panzer könnte heute noch bis zu dem Gebäude vordringen. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (26.09.2013) | Woche Δ Dow Jones: 15.328 | -0,8% DAX: 8.664 | -0,1% Nikkei: 14.760 | 0,1% Euro/US-Dollar: 1,35 | -0,2% Euro/Yen: 133,08 | -1,0% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,64% | -0,09 Umlaufrendite Dt: 1,47% | -0,07 Feinunze Gold: $1.326 | 0,0% Fass Brent Öl: $108,80 | -0,5% Kupfer: 7.275 | -0,3% Baltic Dry Shipping: 2.113 | 11,0% Der Dow Jones ist mit -0,8% stärker unter Druck als DAX und Nikkei. Ein klarer Hinweis darauf, dass die Diskussion um das US-Defizit in den USA die Stimmung dominiert, wenngleich sie nicht für einen heftigen Ausverkauf ausreicht. Im Großen und Ganzen gab es diese Woche kaum Schwankungen an den Finanzmärkten. Am Warenmarkt hingegen, wo direkt über Transportraten verhandelt wird, geht die Rallye weiter: Der Baltic Dry Verschiffungsindex ist um weitere 11% angestiegen. Damit haben sich die Transportkosten für Schüttgut auf dem Seeweg in diesem Jahr bereits verdreifacht! Ist es nur die Korrektur der Überproduktion an Transportschiffen, die Mitte des vergangenen Jahrzehnts in Auftrag gegeben wurden? Oder sehen wir inzwischen wirklich ein Anziehen der Volumina? Ich denke letztres ist der Fall, und das stimmt mich mittelfristig bullisch. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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