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Aus Supermario wird Super: Mario! Endlich hat EZB-Chef Mario Draghi zugegeben, dass die Konjunktur in der EU robust ist. Nach "16 Wachstumsquartalen" - das sind vier Jahre, lieber Mario - attestiert er der EU, das Schlimmste der Wirtschaftskrise überstanden zu haben.
Das EZB-Direktorium trifft sich einmal im Jahr in Sintra, dem Märchenschloss in der Nähe von Lissabon, das die Portugiesen in Anlehnung an Schloss Neuschwanstein von König Ludwig II gebaut haben: Ein Märchenschloss. König Ludwig II hat zu lange im Überschwang gelebt, Schlösser gebaut und Wagner finanziert. Hätte er einen Notenbanker wie Mario Draghi zur Hand gehabt, wäre Bayern heute noch ein eigener Staat (Kanzler Bismarck nutzte König Luwigs finanziellen Engpass, um Bayern als Bundesland von Deutschland zu integrieren). Griechenland ist heute schon ein Quasi-Bundesland von Deutschland. Ohne Mario Draghi hätte auch Italien dieses Schicksal ereilen können. Es bleibt die Frage: Hätte ein strengerer Notenbankchef die Italiener diszipliniert? Oder passt das ziemlich deutsche Euro-System einfach nicht auf die unterschiedlichen Kulturen? War es richtig, die europäische Einigung auf dem Rücken einer ziemlich deutschen Währung voranzutreiben? Meine Antwort kennen Sie: So nicht! Ich bin überzeugt, eine überwältigende Mehrheit in Europa wünscht sich ein geeintes Europa. Aber nicht auf dem Rücken eines ziemlich deutschen Euros, daher werden die Regeln gebrochen. Die Deutschen sind aber nicht bereit, ihre harte Währung aufzugeben, daher wird gegen die Club-Med Länder gewettert, was das Zeug hält. EZB-Chef Mario Draghi hat mit seiner Rede im Märchenschloss von Sintra Staatslenker der Eurozone daran erinnert, dass die Zeit des freien Geldes, die Zeit der Liquiditätsflutung irgendwann zu einem Ende kommen muss. Die Rede ist voll von Fakten, die eine überaus robuste Konjunktur in Europa zeigen. Der Frage, warum er nicht schon viel früher die Wende in der Geldpolitik eingeleitet habe, beantwortet er bereits im Vorfeld mit dem Hinweis, dass trotz des Wachstums die Gefahr einer Deflation permanent latent vorhanden war. Ohne seine Liquiditätsflutung, so seine Überzeugung, hätte die Konjunktur jederzeit wieder in eine Rezession zurückfallen können. Die Gefahr sei nun gebannt, was aber nicht bedeute, dass man nun sofort die geldpolitischen Zügel straffen könne. Vielmehr hat er lediglich gesagt, dass es keine weiteren Lockerungen mehr geben werde und dass der nächste Schritt vermutlich das Straffen der Geldpolitik sein werde ... wenn auch erst in sehr ferner Zukunft. Einen interessanten Sinneswandel hat Draghi vollzogen: Während er in den vergangenen Jahren insbesondere die Ölpreiskapriolen stets zu seinen Gunsten interpretierte und etwaige ansteigende Inflationsraten als vorübergehendes und nicht signifikantes Resultat der Ölpreisrallye interpretierte, während er durch einen Ölpreisverfall induzierte niedrige Inflationsraten sofort für die nächste Liquiditätsschwemme nutzte, hat er nun erstmals gesagt, die EZB sei in der Lage, über kurzfristige Verwerfungen der Inflationsrate, induziert durch Ölpreiskapriolen, hinwegzusehen. Keine Ahnung, was ihn zu diesem Stimmungswandel bewogen hat, ich begrüße es aber sehr. Mario Draghi wird bis 2019 EZB-Chef bleiben. Für seine Nachfolge bringen sich langsam Interessenten in Stellung, unter anderem Bundesbankchef Jens Weidmann. Ich interpretiere seine Rede wie folgt: Ein Falke wird nicht plötzlich zum Vegetarier und eine Taube beginnt nicht plötzlich, Mäuse zu fangen. Bevor Supermario die geldpolitischen Zügel strafft, wird er sich eher um Kopf und Kragen reden. In Sintra hat er damit begonnen. Die Kritik, die insbesondere aus Deutschland seit einigen Jahren schon kontinuierlich auf ihn einprasselt, hat er mit dieser Rede zum Verstummen gebracht. Er hat seinen Kritikern vollumfänglich Recht gegeben und wird deren Forderungen nach einem Straffen der Geldpolitik nachkommen ... nur nicht gleich jetzt. Später halt, und wann genau, das muss man nun in aller Ruhe und Sorgfalt analysieren. Im Jahr 2018 könnte das Kaufprogramm für Anleihen von aktuell noch monatlich 60 Mrd. Euro sukzessive und langsam auslaufen. Das könnte sogar Draghi umsetzen. Damit tritt er noch nicht auf die Bremse, sondern löst den Fuß lediglich ein wenig vom Gaspedal. Erst 2019 und somit also zum Ende seiner Amtszeit wird dann die Diskussion über den Zeitpunkt einer ersten Zinsanhebung kommen. Aus deutscher Sicht viel zu spät, denn schon heute sind die Konjunkturindikatoren auf Allzeithochs, doch ich glaube kaum, dass Draghi sich zeitlich unter Druck setzen lassen wird. Es wird dann die herausfordernde Aufgabe seines Nachfolgers, eine dann anziehenden Inflation im Zaum zu halten. Das bedeutet, dass die aktuelle Rotationsbewegung am Aktienmarkt früher oder später wieder zurückgedreht wird. Banken sind diese Woche die Gewinner: Deutsche Bank +5%, Commerzbank +12%. Steigende Zinsen führen automatisch zu höheren Gewinnen bei Banken, da müssen die Banken gar nichts für tun. Doch ich halte die Kursreaktion für überzogen, denn die Zinsen werden bis 2019 auf sehr niedrigem Niveau verbleiben. Wochenverlierer sind RWE mit -11% und E.On mit -7%. Beides Dividendentitel, deren Dividendenrendite diese Woche gegen die vermeintlichen Kursgewinne der Banken getauscht wurden. Auch das ist verfrüht, die beiden Versorger werden noch viele attraktive Dividenden ausschütten, bevor das Zinsniveau steigt. Der DAX hat 3% abgegeben, Anleger fürchten, dass eine straffe Geldpolitik das Konjunkturwachstum lähmt. Auch das ist in meinen Augen eine technische Reaktion, mit der insbesondere institutionelle Anleger ihre Portfolios der veränderten Zinswelt anpassen. Doch kurzfristig wird die Konjunktur nicht unter der in Aussicht gestellten Wende leiden. Sprich: Alles bleibt wie bisher. Institutionelle Anleger müssen ihre Portfolios anpassen, um der Rede Mario Draghis Rechnung zu tragen. Doch Auswirkungen auf die Zinsbelastung, Investitionstätigkeit oder sonstiges der Unternehmen hat diese Rede vorerst noch lange nicht. Entsprechend werden sich die Aktienmärkte nach dieser kleinen Anpassungsrotation wieder zurück auf die ursprünglichen Niveaus entwickeln. Schauen wir uns einmal die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES 29.06.2017 Woche Δ Σ '17 Δ Dow Jones 21.287 -0,5% 7,7% DAX 12.416 -3,0% 8,1% Nikkei 20.220 0,5% 5,8% Shanghai A 3.339 1,3% 2,7% Euro/US-Dollar 1,14 2,5% 8,7% Euro/Yen 128,26 3,3% 4,3% 10-Jahres-US-Anleihe 2,27% 0,11 -0,18 Umlaufrendite Dt 0,23% 0,13 0,24 Feinunze Gold $1.245 -0,6% 8,1% Fass Brent Öl $47,35 4,5% -16,5% Kupfer 5.905 3,0% 8,8% Baltic Dry Shipping 920 7,6% -0,9% Insbesondere der DAX hat diese Woche gelitten. Parallel dazu ist der Euro um 2,5% auf 1,14 USD/EUR angesprungen. Da kommen Befürchtungen auf, ein zu hoher Euro-Wechselkurs könne die deutschen Exporte belasten. Ich halte diese Überlegung jedoch für akademisch (zweckfrei), da die Euro-Reaktion ja gerade infolge der guten Konjunkturentwicklung in Europa erfolgte, sowie natürlich auch aufgrund der Rede von Mario Draghi. Draghi sagte, die Konjunktur sei nun stark genug für die Wende und Anleger machen daraus, dass die Konjunktur schwächeln könnte. Das ist natürlich falsch. Vor dem Hintergrund der Rotation in den Positionen, wie am Beispiel des DAX oben gezeigt, gehe ich vielmehr davon aus, dass der Ausverkauf im DAX durch institutionelle Anleger aus Deutschland erfolgte, nicht aber durch ausländische Investoren. Sonst wäre der Euro nicht so stark. Denn, wenn Ausländer ihre DAX-Positionen verkaufen und zurück in ihre jeweilige Landeswährung tauschen, würde der Euro fallen und nicht steigen. Ausländer sind also weiterhin stark im DAX investiert. Natürlich erfasste die Rotation auch den Anleihemarkt, wo man festverzinste Papiere verkaufte und damit die Renditen nach oben drückte (Umlaufrendite +0,13%punkte). Witzigerweise blieb der Dow Jones (-0,5%) sowie auch der Nikkei (+0,5%) von dieser Rotation aus Europa bislang unberührt. Die Wende der Geldpolitik vor Augen wird die Absicherung gegen Inflation, also Goldbarren, weniger dringend. Der Goldpreis ist entsprechend um 0,6% gefallen. Der Ölpreis führt ein Eigenleben (+4,5%): Saudi Arabien wird nachgesagt, einen Plan zur Stabilisierung des Ölpreises zu haben. Das müssen sie auch, denn sie wollen ja im nächsten Jahr mit Aramco das weltweit größte Unternehmen, den staatlichen Ölkonzern Saudi Arabiens, an die Börse bringen. Das geht nur, wenn der Ölpreis nun nicht ins Bodenlose fällt. Wir dürfen weiterhin gespannt sein, was sich die Saudis alles ausdenken werden, um den Ölpreis zu stützen. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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