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Nach überzogenem Ausverkauf folgte nun endlich eine überzogene Gegenbewegung. Weltweit werden Gelder locker gemacht, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise zu mildern. Leider wird mit dem Geld das Coronavirus nicht besiegt.
GLAUBE KEINER STATISTIK, DIE DU NICHT SELBER GEFÄLSCHT HAST Als Diplom Volkswirt habe ich diese Weisheit verinnerlicht: Glaube keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast. Wir stochern noch immer im Dunkeln, wenn es um die statistischen Details der Coronakrise geht. Hier einige Beispiele: Die Welt staunt über die niedrige Toteste in Deutschland. Dazu muss man wissen, dass in Deutschland als "Coronaopfer" nur diejenigen zählen, die schon vor ihrem Tod auf Corona positiv getestet wurden und deren Tod ohne Corona nicht erfolgt wäre. Finden Sie mal Ärzte, die bei einem Opfer genau sagen können, ob diese 76-jährige nun an ihrem seit Jahren bekannten Leiden gestorben ist, oder aber durch Corona. In Hamburg wurden schon positiv auf Corona getestete Opfer umdefiniert als nicht-Coronaopfer, weil dem beurteilenden Arzt die andere Erkrankung letaler vorkam. In Italien hingegen zählt jeder, der positiv auf Corona getestet wurde, als Coronaopfer. Zudem wird derzeit auch jeder Tote standardmäßig auf Corona getestet, das geschieht in Deutschland nicht. Somit werden in Italien Opfer zu Coronatoten, wenn nach ihrem Tod ein Coronatest positiv ausfällt. Das erklärt nun noch nicht, warum in Italien die Krankenhäuser überfüllt sind. Italien ist besonders schwer von dem Virus betroffen - vielleicht auch weil eine besonders enge Verbindung zwischen der Textilindustrie Norditaliens mit China besteht. Obige statistische Feinheit ist jedoch ein Mosaiksteinen bei der Suche nach den Unterschieden der Statistiken. Ein zweiter Unterschied ist die Anzahl der durchgeführten Tests. Gestern Abend hat Frank Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, Deutschland als "Testweltmeister" bezeichnet. Kein anderes Land führe so viele Test durch wie Deutschland. Dadurch erhöht sich natürlich der Nenner bei der Berechnung der Todesfälle je Infiziertem. Und anders ausgedrückt: Die absoluten Zahlen der Infizierten ist auch ein Resultat der Anzahl durchgeführter Tests. Die Testabdeckung ist von Land zu Land stark unterschiedlich. Nach wie vor fällt es also schwer, die Unterschiede zwischen einer saisonalen Grippewelle und dem Coronavirus verlässlich herauszuarbeiten. Wir müssen uns auf Pauschalaussagen beschränken: Weder dir Grippe, noch Influenza erfordern eine Behandlung mit Beatmungsgeräten, wie beim Coronavirus der Fall. Und die Opferzahlen in Norditalien und in Ostfrankreich, wie auch in Heinsberg, Washington D.C. und einigen anderen Regionen, liegen weit über den normalen Opferzahlen einer saisonalen Grippewelle. Das ist leider nicht genug, um Entwarnung zu geben. DIFFERENZIERTE MASSNAHMEN Meinem Eindruck nach war die Politik überfordert. Wir können nun die Fehler einzelner Akteure auflisten, doch das hilft uns nicht weiter. Schauen wir lieber mal, wie es weitergehen könnte. Das pauschale Abschotten des öffentlichen Lebens war eine Panik-Reaktion. Nachdem zuvor einiges schief gelaufen war, gab es durchaus Grund zur Panik. Die Art und Weise, wie unsere Kanzlerin die differenzierten Maßnahmen vorstellte und begründete, fand ich jedoch sehr gut und vertrauenserweckend. Es machte nicht den Eindruck einer pauschalen Ausgangssperre, sondern härte sich nach sinnvollen Einschränkungen auf Zeit an. Nun sollten wir diese Einschränkungen befolgen und schauen, wie wir da wieder raus kommen. Dazu müssen wir eine ganze Reihe von Dingen erledigen. Zum einen müssen wir feststellen, ob die Maßnahmen wirken. Eine Fortsetzung des öffentlichen Lebens ohne Einschränkungen hätte die ungebremste Ausbreitung des Virus befördert und per Mitte April zu überfüllten Krankenhäusern geführt, so die Szenarien, die trotz oben genannten statistischen Ungewissheiten erstellt wurden. Lässt sich der Zeitpunkt, zu dem unsere Krankenhäuser überfüllt sind, mit den nun eingesetzten Maßnahmen nach hinten verschieben, oder vielleicht sogar ganz vermeiden? Die Bettenkapazitäten mit Beatmungsgeräten in Deutschland wurden in Windeseile von 25.000 auf 40.000 gepuscht (sagt Montgomery). Derzeit liegen dort 700 Coronapatienten, wir nehmen Patienten aus Italien und Frankreich auf. Ein großer Unsicherheitsfaktor ist meinem Eindruck nach der Gesundheitssektor selbst: Es gibt noch immer keine ausreichenden Schutzmaßnahmen in Deutschland. Weder Atemmasken, noch Schutzanzüge oder auch Desinfektionsmittel stehen überall in ausreichender Menge zur Verfügung. Zum Glück können Ärzte unterscheiden zwischen dem Risiko der Eigeninfektion und dem Risiko der Ausbreitung (Super-Spreader). Um sich selbst haben die wenigsten Ärzte Angst, sie vertrauen unserem Gesundheitssystem. Da sie aber mit vielen Menschen in Kontakt kommen, kann über sie eine Ausbreitung erfolgen. Mangels Schutz sind sie auf den Mindestabstand angewiesen: Machen Sie das mal bei einem Abstrich. Wir brauchen also mehr Masken, mehr Schutzanzüge, mehr Desinfektionsmittel. Viele Unternehmen stellen ihre Produktion um: Becks mischt den aus der Herstellung von alkoholfreiem Bier gewonnenen Alkohol zu einem Desinfektionsmittel und füllt es in Flaschen mit Kronkorgen ab. Ich bin guter Dinge, dass wir in 10 Tagen in Deutschland die Schutzmittelknappheit überwinden können... hoffentlich rechtzeitig vor dem Auslaufen der Beschränkungen. Sodann brauchen wir - obwohl wir schon Testweltmeister sein sollen - viel mehr Tests. Und vor allem brauchen wir Tests die bestätigen können, wer schon immun ist gegen Corona. Menschen, die bereits immun sind, können das öffentliche Leben wieder anlaufen lassen. Auch diejenigen, die sich jung und fit fühlen, können dann langsam und mit der begonnenen Vorsicht wieder anfangen, das soziale und wirtschaftlichen Leben in Gang zu bringen. Alte Menschen und Menschen mit kritischen Vorerkrankungen hingegen müssen sich darauf einstellen, für einen längeren Zeitraum in Quarantäne zu verbringen. Mit dieser Sichtweise will ich es genug sein lassen: Ich denke, die Diskussion über die detaillierte Ausgestaltung der hier aufgeworfenen Fragen beginnt nun. Dabei wird es - je nachdem, welche Argumente gerade dominieren - wieder Angst und Panik geben, aber auch wieder Hoffnung und Zuversicht. Die Börse wird dieses Wechselbad der Gefühle abbilden. Normalität wird meiner Einschätzung erst dann wieder eintreten, wenn wir einen Impfstoff gefunden haben. Das soll - je nach Wissenschaftler - 6-18 Monate dauern. Vielleicht kann man Impfstoffe für torerkrankte Menschen schon früher einsetzen als für gesunde. Auch hier sollte meiner Ansicht nach eine differenzierte Vorgehensweise geprüft werden. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (24.03.2020) Woche Δ Σ '20 Δ Dow Jones 20.705 8,0% -27,7% DAX 9.533 6,8% -28,0% Nikkei 19.547 18,1% -17,4% Shanghai A 2.915 1,3% -8,5% Euro/US-Dollar 1,08 1,3% -3,5% Euro/Yen 120,37 1,5% -1,5% 10-Jahres-US-Anleihe 0,86% -0,08 -1,08 Umlaufrendite Dt -0,40% -0,08 -0,17 Feinunze Gold $1.607 8,0% 6,3% Fass Brent Öl $26,23 -3,8% -61,9% Kupfer 4.617 -4,0% -25,7% Baltic Dry Shipping 603 -4,3% -44,7% Bitcoin 6.690 7,7% -8,3% | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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