Alt 22.08.20, 12:35
Standard So tickt die Börse: Drägerwerk, SFC Energy & Jost Werke
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Gestern konnte ich wieder am Hamburger Investoren Tag teilnehmen und eine ganze Reihe interessanter Gespräche führen. Ich bin auf der Suche nach Unternehmen, deren Geschäft solide aus der Coronakrise herauskommen, deren Aktien dies jedoch noch nicht ganz widerspiegeln.

JOST WERKE

Das Frankfurter SDAX-Unternehmen liefert alles rund um fahrzeugverbindende Teile wie Sattel- oder Anhängerkupplungen. Im Lockdown fiel die Aktie von 37 auf 19 Euro, inzwischen notiert sie wieder bei 33 Euro. Das KGV 2021 von 11 sieht vernünftig aus, die Dividendenrendite von rund 1,8% macht ebenfalls einen soliden Eindruck.

Ich wollte in Erfahrung bringen, ob Jost in irgendeiner Weise von dem Boom der Paketzustellungen nach Hause profitierte, während gleichzeitig die Langstreckenfahrten ein gleichbleibendes Niveau haben sollten, denn die Waren wurden ja geliefert, wenngleich nicht an die Umschlagszentren der Einzelhändler, sondern an die Umschlagszentren der Online-Versender.

Falsch! Meine Idee wurde durch CFO Dr. Christian Terlinde ziemlich schnell als falsch entlarvt :-(, denn ein Großteil der Transporte betrifft in Deutschland beispielsweise Autoteile, die für spezielle Bearbeitungsschritte von A nach B gefahren werden. Wenn die Autoindustrie nicht produziert, dann rollen auch die LKWs nicht mehr. Die in Deutschland gefahrenen Straßenkilometer im April lagen um 9% unter denen des Vorjahres, in Europa -20%. Das konnte durch den Online-Handel nicht kompensiert werden.


Abbildung 1: Jost Werke Sattelkupplungen


Und wenn die LKWs weniger über die Straßen rollen, dann nutzen sich die Sattelkupplungen weniger ab. Durchschnittlich alle ein bis zwei Jahre ist die Sattelkupplung ausgeleiert und Teile davon müssen ausgetauscht werden. Wir alle haben gesehen, wie wenige Fahrzeuge während des Lockdowns auf den Straßen unterwegs waren, entsprechend negativ war die Auswirkung auf Jost Werke.

Kommt es nun zu einem Nachholeffekt? Nun, die Frage kann ich selber beantworten: Für VW war die Drosselung der Produktion ein Segen, denn schon 2019 war ein sehr schwaches Jahr für den Autohersteller und Neuwagen wurden mehr und mehr auf Halde produziert. Das ist eine Katastrophe, denn damit macht sich ein Unternehmen seine eigenen Preise kaputt. Als dann unter dem Deckmantel des Corona-Lockdown große Teile der Produktion stillgelegt wurden, war das ein Segen für VW, jedoch ein Fluch für Jost. Einen besonderen Nachholeffekt erwarte ich aus diesem Grund hier leider nicht.

Auch an der letzten Meile partizipiert Jost leider nicht, da die Lieferfahrzeuge nur sehr selten mit Anhängern unterwegs sind. Meine Hoffnung, hier ein Unternehmen gefunden zu haben, das besser aus der Coronakrise hervorgeht als hinein, hat sich somit in Luft aufgelöst. Schade.

Jost ist dennoch ein gutes Unternehmen und die Aktie gefällt mir. Wenngleich die Aktie meiner Ansicht nach nicht gerade jetzt unbedingt gekauft werden muss, so könnte sich später jedoch vielleicht mal eine gute Gelegenheit bieten. Ich habe mir das Unternehmen daher weiter angeschaut.

Der globale Markt für Anhängerkupplungen wird im Wesentlichen von Jost Werke und SAF Holland dominiert. Wie wir oben gelernt haben, ist nicht nur der Verkauf recht lukrativ, sondern auch die Ersatzkäufe wegen Abnutzung. Dabei sind die Anforderungen regional unterschiedlich: In Australien fahren "Road-Trains" durch die Wüste: LKW-Zugmaschinen mit drei, vier oder noch mehr Anhängern. Die dortigen Sattelkupplungen sind ganz anderen Anforderungen ausgesetzt als bei uns, wo nur ein Anhänger über eine sauber asphaltierte Straße gezogen werden muss.

Über die Zeit hat sich in der Branche der Sattelschlepper immer mehr durchgesetzt. Für ein Logistik-Unternehmen gibt es drei wesentliche Kostenblöcke: Die Zugmaschine für 100-120 T€, den Anhänger für 15-25 T€ sowie den Fahrer. Der Anhänger ist das billigste. Wenn Zugmaschine und Laderaum fest verbunden sind, so wie bei den herkömmlichen LKWs, dann müssen Fahrer und Zugmaschine warten, bis der Laderaum be- und entladen ist. Das sind Kosten, die Logistiker sich nicht leisten können.

Beim Sattelschlepper wird der Auflieger einfach abgekoppelt und abgestellt. Fahrer und Zugmaschine können einen anderen Anhänger ankuppeln und sofort weiterfahren. So kommt es, dass auf eine Zugmaschine heute ca. 2-3 Auflieger kommen.

Im nächsten Schritt werden die Zeiten für das Ab- und Ankoppeln optimiert. Terlinde weist zudem stolz darauf hin, dass der Austausch der ausgeleierten Kupplungsteile bei Jost in verschiedenen Regionen wesentlich einfacher geht als bei dem System des Wettbewerbers SAF Holland. Ein Zeitgewinn, der sich für den Logistiker direkt in bare Münze wandelt.

Natürlich basteln die Frankfurter auch an einem automatischen Kupplungssystem. Volvo stellt ein vollautomatisches System vor, bei dem sich die Zugmaschine den Auflieger sucht und automatisch ankoppelt: https://www.youtube.com/watch?v=2Gc1zz5bl8I. Schauen Sie sich den LKW mal näher an: Die Hinterräder haben alle eine Einzelradaufhängung. Es entfällt die Querachse, dadurch kann der Laderaum deutlich tiefer beginnen und zweistöckig gestaltet werden. Da wird der Auflieger schon zu einem kleinen Logistikzentrum :-). Nicht nur das automatische Kupplungssystem, sondern auch die Einzelradaufhängung kommt von Jost.

Für mich ergibt sich bei Jost ein solides Unternehmen mit guter Marktposition in einem - einmal von Corona abgesehen - stabilen Markt, in dem weitere Optimierungen im Detail für immer neue Effizienzsteigerungen sorgen. Die Aktie wird nicht gen Himmel stürmen, aber über einen längeren Zeithorizont sicherlich Freude bereiten.

DEUTSCHLANDS BRENNSTOFFZELLENANBIETER SFC ENERGY

Früh am Morgen hat SFC Energy seine Q-Zahlen präsentiert. Umsatz und Gewinn des Brennstoffzellenanbieters waren aufgrund des Lockdowns rückläufig. Das Unternehmen macht die Verschiebung von Neuaufträgen durch Kunden verantwortlich für die schwache Geschäftsentwicklung und stellt gleichzeitig die starke Nachfrage seitens der Branche "Clean Energy" heraus: dort sprang der Umsatz um 70% an.

SFC bietet dezentrale Brennstoffzellen für die Stromerzeugung an. Die Geräte werden mit Wasserstoff betankt und liefern Strom, Wärme und Wasserdampf. Die Brennstoffzelle erfuhr im Konjunkturprogramm der Bundesregierung besondere Aufmerksamkeit und soll künftig viel stärker gefördert werden. Allein die Förderankündigung sorgte bei SFC im Juni für einen Kurssprung von 60%.

Doch gleichzeitig haben sich im abgelaufenen Quartal viele Kunden zurückgehalten: Im Verteidigungssektor lief viele Wochen gar nichts, die Ölindustrie hatte ihre eigenen Probleme bei der Ölförderung vor dem Hintergrund wegbrechender Industrieaktivitäten weltweit und so ist es nicht überraschend, dass auch der Industriebereich erst einmal zurückhaltend war.

Der Konzernumsatz ging im ersten Halbjahr um 11% zurück, statt 0,6 Mio. Euro Gewinn vor einem Jahr wurden nun 0,6 Mio. Euro Verlust erwirtschaftet.

Ich werde mich, wie versprochen, so langsam in die Brennstoffzellenthematik einarbeiten. SFC sieht für mich derzeit recht solide aus, immerhin kann der Verlust locker durch die Nettoliquidität abgedeckt werden. Der Ausblick des Unternehmens ist positiv, man erwarte eine anziehende Nachfrage. Bei einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von 3,x ist mir die Aktie derzeit noch zu teuer, als dass ich sie empfehlen könnte. Aber ich werde die Aktie im Auge behalten.

MEDIZINTECHNIK DRÄGERWERK

10.000 Beatmungsgeräte hat die Bundesregierung mitten im Lockdown von Drägerwerk bestellt. Der Auftrag hat für Furore gesorgt, die Aktie von Drägerwerk schoss im März von 50 auf 100 Euro. Auf die Frage, wie viele Beatmungsgeräte denn von Dräger in die Not-Hospitale geliefert wurden, antwortete CFO Rainer Klug "2". Ich habe mir gestern seinen Vortrag angehört um herauszufinden, ob Dräger für die Zukunft mit einem besseren Geschäft rechnen kann, oder ob sich Corona als Einmaleffekt herausstellt.

Alles bei Dräger ist auf Kontinuität und gute Planbarkeit ausgelegt. Zwar habe man durch die erhöhte Nachfrage nach Gesichtsmasken einen Sondereffekt gehabt, die Fertigungsstandorte in Schweden und Südafrika liefen rund um die Uhr, sagte Klug. Doch ich habe nicht den Eindruck, dass das derzeitige Niveau langfristig gehalten werden kann.

Hinsichtlich der 10.000 Beatmungsgeräte sagte Klug, dass man sich in der Produktion befinde und bereits viele ausgeliefert habe. Doch vielleicht würden nicht alle bestellten Geräte an die Bundesregierung geliefert, da sich zwischenzeitlich herausgestellt hat, dass Deutschland im internationalen Vergleich recht gut durch die Krise gesegelt ist. Es sei nicht im Interesse von Drägerwerk, Beatmungsgeräte an die Bundesregierung zu liefern, damit diese dann im Keller bevorratet würden.

Vielmehr befinde man sich in Gesprächen, einen Teil der Bestellung dorthin zu liefern, wo sie dringender benötigt werden. Das hat dann auch zur Folge, das entsprechende Verbrauchsmaterialien von dort intensiver nachgefragt werden, als dies der Fall wäre, wenn die Geräte in Deutschland einstauben.

Das ist sinnvoll, sowohl aus medizinischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht. Aber es zeigt, dass die Erwartungen, die zu einer Kursverdopplung geführt haben, vielleicht ein wenig überzogen waren. Die Bestellung durch die Bundesregierung hat eine Erwartungshaltung der Aktionäre erzeugt, die sich nun als überzogen herausstellt. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass die Aktie inzwischen auf 78 Euro zurückgekommen ist.

Drägerwerk habe ich mir in den vergangenen Jahren immer wieder mal angeschaut, ein Investment drängte sich mir jedoch nie auf. Zu recht, wie Sie an der Kursentwicklung ablesen können. Die Aktie läuft seit 10 Jahren unter starken Schwankungen seitwärts. Entsprechend würde ich meine Zukunftserwartung dämpfen, wenn es darum geht, die nachhaltigen Folgen von Corona für Drägerwerk einzurechnen. Sprich: Herzlichen Glückwunsch an alle, die den Kurssprung mitgenommen haben.

So, nun schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (20.08.2020) Woche Δ Σ '20 Δ

Dow Jones 27.792 -0,4% -3,0%
DAX 12.765 -0,7% -3,7%
Nikkei 22.920 -1,6% -3,1%
Shanghai A 3.543 0,6% 11,2%
Euro/US-Dollar 1,18 -0,3% 5,2%
Euro/Yen 124,68 -1,1% 2,0%
10-Jahres-US-Anleihe 0,63% -0,08 -1,30
Umlaufrendite Dt -0,49% -0,02 -0,26
Feinunze Gold $1.938 -0,5% 28,2%
Fass Brent Öl $43,66 -2,7% -36,5%
Kupfer 6.667 4,5% 7,4%
Baltic Dry Shipping 1.518 -3,7% 39,3%
Bitcoin 11.857 1,4% 62,6%
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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