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In der letzten Woche habe ich bereits thematisiert, dass sich die Mehrheit der Anleger auf mögliche Negativszenarien konzentriert und positive Einflussfaktoren kleingeredet werden. Diese Stimmungslage ist typisch für die frühe Phase eines Bullenmarkts und in den aktuellen Schlagzeilen gibt es viele schöne Beispiele für den „Pessimismus des Unglaubens“ zu entdecken. Beispiel 1: Verschuldung Für kritische Marktbeobachter ist die ansteigende Staatsverschuldung längst ein Dauerthema. Jüngst hat die Bundesregierung zur Bekämpfung der Coronakrise den Weg für die Aufnahme neuer Schulden frei gemacht, 218 Milliarden Euro im Jahr 2020 und 96 Milliarden Euro im Jahr 2021. Negative Schlagzeilen sind einfach zu finden: „Schwächelnde Wirtschaft und ein unaufhaltsam wachsender Schuldenberg!“ Erst auf den zweiten Blick wird ersichtlich: Das Finanzministerium hat für den Schuldendienst 9,6 Milliarden Euro im Haushaltsplan 2020 vorgemerkt, ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den rund 12 Milliarden Euro des Vorjahres. Durch die EZB-Kaufprogramme und der weltweiten Nachfrage nach „sicheren“ Anleihen erwartet die Bundesregierung mittlerweile nur noch eine Zahlungsverpflichtung von etwa 5 bis 6 Milliarden Euro für 2021. Für die Schuldentragfähigkeit ist die Höhe des Schuldendiensts entscheidend! Beispiel 2: Die zweite Welle COVID-19 hält die Welt weiterhin in Atem. Die Infektionszahlen steigen an, verschiedene Regionen haben erneut einschränkende Maßnahmen ergriffen. Das Schreckensbild einer Wiederholung der Marktverwerfungen im ersten Quartal 2020 nimmt konkrete Formen an. In den Schlagzeilen wird allerdings nicht thematisiert, dass die Erwartungshaltung der Anleger mittlerweile ganz anders positioniert ist. Während die komplette Stilllegung eine wahre Schockwirkung für die Märkte hervorrufen konnte, spricht dieses Mal jeder über eine mögliche zweite Welle – das negative Überraschungspotenzial ist somit eingegrenzt. Zudem sind die Signale seitens der Politik deutlich, dass man mit allen Mitteln das Szenario eines kompletten wirtschaftlichen Lockdowns verhindern will. Das sind beileibe keine positiven Meldungen im eigentlichen Sinne, aber genau darum geht es an den Aktienmärkten: Ein positiver Einflussfaktor kann sich auch daraus entwickeln, dass die Realität nicht so furchtbar wird wie angenommen. Beispiel 3: Inflation Die Sorge um eine ansteigende Inflation, mit einer Hyperinflation als gefährlicher Endstufe, ist grundsätzlich berechtigt. Das unentdeckte Positive dabei ist allerdings, dass dieses Thema noch kein unmittelbares Problem darstellt. Denn die wichtige Frage ist, was passiert eigentlich mit dem Geld, das zur Verfügung steht? Aktuell ist zu beobachten, dass die Sparquoten ansteigen und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sehr gering ist. Eine gewisse Inflationsrate ist grundsätzlich in Ordnung – und wohlgemerkt das erklärte Ziel der Zentralbanken – aber um ein wirklich gefährlich hohes Inflationsniveau zu erreichen, sind die Voraussetzungen einfach noch nicht gegeben. Manchmal ist es eben auch ein positiver Einflussfaktor, wenn es einfach noch zu früh ist, um sich mit einem negativen Thema auseinanderzusetzen. Fazit In der frühen Bullenmarktphase liegen negative Nachrichten auf dem Präsentierteller, positive Nachrichten verstecken sich dagegen. Dies sorgt grundsätzlich für gute Rahmenbedingungen und wer diese versteckten Botschaften frühzeitig antizipiert, muss sich später nicht mit dem leidigen Ausspruch „hätte ich damals bloß investiert!“ auseinandersetzen. Den aktuellen Kapitalmarktausblick von Grüner Fisher Investments können Sie unter www.gruener-fisher.de kostenlos anfordern. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Thomas Grüner die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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