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Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
am vergangenen Freitag erschien die aktuelle Monatsausgabe der Stockstreet Investment Strategie mit dem Titel „Was, wenn die Rezession ausfällt?“ Darin erläuterten wir, warum die Wirtschaftslage – z.B. in den USA – längst nicht so schlecht ist, wie sie zurzeit dargestellt wird. Am Samstag erschien dann der jährliche Aktionärsbrief von Warren Buffett. Dieser äußerte sich zum gleichen Thema. Warren Buffett mit gewohnt klarem Blick Auch Buffett ist der Meinung, dass die Wirtschaft in den USA viel besser dasteht, als man uns weismachen will. Mit Blick auf den laufenden US-Wahlkampf konstatiert Buffett, dass durch die dabei verbreitete schlechte Stimmung viele US-Bürger glauben, dass ihre Kinder es einmal schlechter haben werden als sie selbst. Buffett sagt dazu unmissverständlich: „Diese Ansicht ist sowas von falsch: Die Babys, die heute in Amerika geboren werden, sind die glücklichsten der Geschichte.“ Und weiter: „Einige Kommentatoren beklagen unser aktuelles 2%-Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts, und ja – wir würden all gerne eine höhere Rate sehen.“ Aber […] diese Rate, werden wir sehen, liefert verblüffende Wertzuwächse.“ Wie immer hat Buffett dabei einen langfristigen Blick auf das Problem. Er schaut durch die Nebelkerzen hindurch, die allerorten abgeschossen werden, um unseren Blick zu trüben. Als Zahlenfreak bedient er sich dazu gerne der Mathematik und operiert mit ein paar einfachen Zahlen. Eine einfache Rechnung Zunächst verweist er darauf, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Einwohner in den vergangenen 85 Jahren seit seiner Geburt im Jahr 1930 etwa um den Faktor sechs gestiegen ist. Dies, so Buffett, sei nicht das Ergebnis einer höheren Intelligenz oder härterer Arbeit der nachfolgenden Generationen seiner Eltern, sondern einfach Ausdruck der Tatsache, dass im Laufe der Zeit – vor allem dank des technischen Fortschritts – viel produktiver gearbeitet wurde und wird als damals. Und dieser Produktivitätszuwachs, zeigt Buffett, wird auch weitergehen. Dazu seine einfache Rechnung: Bei rund 2 % Wirtschaftswachstum (was ja angeblich so schlecht sei!) und rund 0,8 % Bevölkerungswachstum verbliebe ein Produktivitätszuwachs von immerhin 1,2 % pro Jahr (= 2 % - 0,8 %). Innerhalb einer Generation (25 Jahre) ergebe sich dadurch ein Zuwachs beim BIP pro Einwohner von 34,4 % (entspricht einem jährlichen Wachstum von 1,2 % über 25 Jahre; mathematisch: 1,012 hoch 25). Buffett rechnet vor, dass dies für eine vierköpfige Familie einem Zuwachs von 76.000 Dollar in diesem Zeitraum entspricht. Entsprechend „reicher“ wird die US-Gesellschaft. Wohlgemerkt: in realen Werten, also nach Berücksichtigung einer möglichen Inflation! Nun lässt sich an dieser einfachen Rechnung natürlich jede Menge kritisieren: Sie ist eine sehr pauschale Betrachtung, lässt viele Zusammenhänge unberücksichtigt und schreibt eine einzelne aktuelle Zahl in die Zukunft fort. Und selbst wenn man das alles unberücksichtigt lässt, kann man bemängeln, dass ein Anstieg von 1,2 % pro Jahr erheblich weniger ist als der Anstieg während Buffetts Lebenszeit: Die von ihm erwähnte Versechsfachung des BIP pro Einwohner innerhalb von 85 Jahren entspricht immerhin einer jährlichen Steigerung von 2,1 %. Besser ungefähr richtig, statt komplett falsch Aber Buffett würde über solche Einwände wohl nur schmunzeln. Sein Credo ist, dass man nur ungefähr richtig liegen muss, statt komplett falsch. Und dafür reicht es völlig aus, sich einfach mal zu veranschaulichen, was denn ein Wachstum von 2 % für eine reife Volkswirtschaft wie die USA tatsächlich bedeutet. Und da bleibt unter dem Strich eben ordentlich was hängen, wie Buffett sehr eindrucksvoll veranschaulicht hat. Und wie gesagt, die wirtschaftliche Lage in den USA und anderswo ist weit weniger dramatisch als es die schlechte Stimmung suggeriert. Die harten Fakten signalisieren bestenfalls eine Abschwächung, aber keine Rezession. Und eine Besserung der Lage erscheint in absehbarer Zeit durchaus möglich (siehe beispielsweise Börse-Intern vom 23.02.2016). Das lässt sich auch an den Quartalszahlen der US-Unternehmen erkennen. Die entsprechenden Ergebnisse werden von den Kommentatoren ebenfalls viel zu negativ eingeschätzt. Schauen Sie durch die Nebelkerzen hindurch! Einmal mehr gilt also: Lassen Sie sich von der medialen Stimmungsmache nicht beeinflussen. Machen Sie es wie Warren Buffett und schauen Sie durch diese Nebelkerzen hindurch. Das wird womöglich in den kommenden Tagen wieder einfacher. Denn morgen findet in den USA der Super Tuesday statt, ein Wahlmarathon, an dem in gleich dreizehn Bundesstaaten und einem Auslandsterritorium Vorwahlen der Demokraten und/oder der Republikaner stattfinden. Häufig fällt dabei zumindest eine Vorentscheidung über die jeweiligen Präsidentschaftskandidaten der beiden Parteien. Damit könnte zunächst eine gewisse Ruhe auf der politischen Bühne einkehren – die dazu beitragen sollte, dass der Blick auf Chancen und Risiken wieder klarer wird. Allzeit gute Sicht wünscht Ihnen also Ihr Torsten Ewert | ||
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