Beitrag gelesen: 10450 x |
||
Der Einzelhandel zeigt deutlich, welche Geschmacksrichtung derzeit auf dem Börsenparkett bevorzugt wird: Adidas kann mit einer neuen Angriffsstrategie die Anlegerherzen erobern, die Aktie ist diese Woche um 9% angesprungen. Der Konzern litt stark unter der Coronakrise und zog noch den Unmut der Bevölkerung auf sich, als man Mieten kürzen wollte, obwohl man schon Coronahilfen eingesackt hatte.
Die Aktie war im Coronacrash von 300 auf 200 EUR eingebrochen, konnte sich jedoch im Anschluss wieder bis auf das Vorkrisenniveau erholen. In den vergangenen Wochen jedoch kamen Zweifel darüber auf, ob Adidas denn von einem Nachkrisenboom profitieren könne, oder aber ob Nike und Under Armour den Jungs aus Herzogenaurach die Butter vom Brot gestohlen haben. Doch mit der neuen Strategie scheint diese Befürchtung nun adressiert zu sein, die Aktie springt an. Auch Hugo Boss hat diese Woche einen kräftigen Kurssprung hingelegt: +11%! Der Konzern hat den Onlinehandel verstärkt und konnte einen großen Teil des Umsatzausfalls im Einzelhandel durch neue Großhandelsverträge im asiatischen Raum (=China?) auffangen. Auch Zalando legte Zahlen vor, die über den Erwartungen lagen. Die Unternehmensprognose wurde angehoben und ein Aktienrückkauf gestartet. Was kann das Anlegerherz mehr wünschen? ...a ber die Aktie hat kaum darauf reagiert: das Wochenplus beträgt magere 1,6%. Zalando ist ein Coronagewinner, denn als Online-Versandhändler hat sich die Nation in den vergangenen Monaten Kleidung ins Haus bestellt. Die herausragenden Zahlen werden nach einer Kursverdreifachung in den vergangenen 15 Monaten nur noch als Bestätigung der in den Himmel gewachsenen Erwartungen gewertet. Schlimmer noch ist es der Global Fashion Group gegangen: der Online-Versandhändler hat sich auf Schwellenländer konzentriert und tritt in Deutschland gar nicht auf. Schwer greifbar also für heimische Anleger. Die Aktie war in der Coronakrise von 1 auf 14 Euro katapultiert worden, doch seit Februar schwankt der Kurs nun zwischen 12 und 14 Euro. Neue Treiber werden erst wieder nächste Woche Mittwoch (12.5.) erwartet, wenn die Q1-Zahlen veröffentlicht werden. In der Zwischenzeit kann sich die Aktie nicht von der allgemeinen Abneigung der Anleger gegen die ehemaligen Coronagewinner entziehen, diese Woche verlor die Aktie 10%. Auch Rational, der Anbieter von Großküchen, passt in das aktuelle Bild: Noch im Februar gab man sich sehr zurückhaltend beim Ausblick auf das laufende Jahr. Doch diese Woche meldeten die Zulieferer der Hotellerie und Gastronomie, dass ihre Kunden langsam die Zurückhaltung aufgeben würden und Bestellungen anziehen. Die Aktie springt diese Woche um 12% an. Zeal hingegen, der Anbieter von Online-Glücksspielen (Lotto), der im Lockdown stark profitierte, konnte heute mit guten Quartalszahlen und einem unverändert beibehaltenen Ausblick nicht begeistern, die Aktie bricht um 8% ein. TeamViewer, ein absoluter Corona-Gewinner, vermeldete einen Anstieg der ausgestellten Rechnungen von 22%. Es handelt sich um ein Abo-Modell für die Fernwartung von IT-Infrastruktur, daher ist die Rechnungsstellung ein ziemlich guter Indikator für das künftige Wachstum. Doch der Gewinn blieb hinter den Erwartungen zurück und so brach auch diese Aktie kräftig ein, -13%. Die absoluten Gewinner dieser Woche waren die Rohstofftitel K+S (Kali und Salz +11%), Aurubis (Kupfer, +9%) und Salzgitter (Stahl, +8%). Sie haben sicherlich schon gehört, dass die globale Chipknappheit nur einer der Bereiche ist, in dem die globalen Lieferketten nicht mehr rund laufen. Das zieht sich durch alle Branchen bis runter auf die Rohstoffmärkte, so dass die Rohstoffpreise nun anziehen. Inflation? Nein, ist nicht in Sicht, behaupten unsere Altvorderen von den Notenbanken weiterhin: Wer von Ihnen kauft denn Stahl für den täglichen Bedarf ein, oder Aluminium? Okay, beim Salz und sogar beim Kalium (Dünger) lasse ich mit mir reden, doch bis deren Preisanstieg im Warenkorb des statistischen Bundesamtes Auswirkungen hat, dauert es noch einige Zeit. Nein, Inflation ist nicht in Sicht. Auch diese Übersicht, die mir ein Kunde netterweise zukommen ließ, ist sicherlich nur ein Einzelfall: Preisanpassung bei Raab Karcher Nun ist es durchaus kritisch zu betrachten, ob der Erfolg auf der Rohstoffseite so gut ist für die gesamte Wirtschaft. Steigende Preise lassen sich nicht immer an die Endkunden durchreichen, häufig bleiben einige Zulieferer auf den gestiegenen Kosten sitzen. Ich denke zwar, dass die Liquiditätsflutung genug Geld in die Portemonnaies der Endkunden gespült hat, um Preissteigerungen zu tolerieren. Doch zwischenzeitlich, vielleicht in den Sommermonaten, könnte das zu Unruhe führen. Während diese Woche also der Rohstoffbereich um 4,5% zulegen konnte, gaben Aktien aus dem Gesundheitsbereich durchschnittlich 3,3% ab: Compugroup Medical -14%, Morphosys -11%. Ach so, nicht zu vergessen, der Pandemie-Retter BioNTech gab zwischenzeitlich um 30% nach! Der Grund: Die USA finden nun, nachdem sie sich dem Export der im eigenen Land produzierten Impfstoffe verweigert haben, dass man den Patentschutz auf Corona-Impfstoffe vorübergehend aufheben könnte. Das würde den Entwicklungsländern zugute kommen. Europa kontert, dass auch ohne Aufhebung des Patentschutzes bereits die Hälfte der 400 Mio. in Europa produzierten Impfdosen exportiert wurden. Zudem sei der Aufbau von Impfstoffkapazitäten nur durch Kooperation und nicht per Dekret zu erreichen. Nimmt man den innovativen Forschern die Aussicht auf ihre Belohnung, würden sie in der Zukunft diesen Forschungsbereich als "risikobehaftet" meiden. Außerdem könne man eine Impfstoffproduktion nicht wie eine Bauanleitung von Ikea aufziehen, vielmehr müsse man das erforderliche Know-how in den ärmeren Ländern in Kooperation erst einmal aufbauen. Ich hoffe mal, dass die Diskussion dazu führt, dass der Know-how Transfer ohne Patentverletzung organisiert wird, und dass die Patentinhaber im Falle der erzwungenen Offenlegung ausreichend entschädigt werden. Im Idealfall resultiert aus dieser Diskussion eine weltweite Anstrengung, das globale Gesundheitsnetz besser auszubauen. Und ich will nicht ausschließen, dass gerade BioNTech und die anderen Impfstoffunternehmen letztlich von einer solchen Entscheidung profitieren würden. Der Kurseinbruch war daher meiner Ansicht nach übertrieben. Ein Großteil des gestern erlittenen Kursverlusts wurde heute schon wieder ausgeglichen. In Deutschland hat sich das Narrativ geändert: Nachdem man sich noch vor vier Wochen in der Härte der Lockdowns überbot, gibt es nun einen Wettlauf um die Öffnungsschritte. Ich bin froh, dass wir am Wochenende den 80. Geburtstag meiner Mutter gemeinsam mit meiner Schwester und unseren Familien feiern können. Und so, wie sukzessive immer mehr möglich wird, wird auch die Laune unter den Anlegern wieder ansteigen. Dennoch konkurrieren derzeit zwei Überzeugungen auf dem Börsenparkett: Auf der einen Seite werden die Coronagewinner trotz guter Meldungen verkauft. Auf der anderen Seite werden die Coronaverlierer konsequent eingesammelt. Schauen wir mal, wie sich das auf die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich auswirkt: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (06.05.2021) Woche Δ Σ '21 Δ Dow Jones 34.705 2,5% 13,8% DAX 15.400 1,7% 12,3% Nikkei 29.358 1,9% 7,0% Shanghai A 3.583 -0,8% 0,1% Euro/US-Dollar 1,22 1,1% -1,1% Euro/Yen 131,97 0,3% 4,1% 10-Jahres-US-Anleihe 1,57% -0,07 0,63 Umlaufrendite Dt -0,29% -0,02 0,27 Feinunze Gold $1.835 3,9% -2,6% Fass Brent Öl $68,40 1,7% 33,1% Kupfer $9.929 0,8% 26,6% Baltic Dry Shipping $3.212 6,8% 135,1% Bitcoin $57.625 1,4% 104,6% Noch besser als der Bitcoin performt übrigens der Baltic Dry Verschiffungsindex in diesem Jahr: +135% seit Jahresanfang! Die Verschiffungsraten, die insbesondere in chinesischen Häfen für Schüttgut, also Rohstoffe, gebildet werden, gehen durch die Decke. Sie haben es sicherlich auch schon gemerkt: Viele Produkte, die Sie gerne kaufen möchten, sind derzeit nicht verfügbar. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir so eine Situation schon mal hatten. Freunde von uns haben nun, nach 4 Monaten Wartezeit, ihre zu Weihnachten bestellte Playstation 5 erhalten. Fahrräder und e-Bikes sind ausverkauft, die Produktionslinien vieler Automodelle stehen mangels Komponenten still ... ... aber Inflation ist nicht in Sicht. Der Goldpreis ist diese Woche über 1.800 USD/Oz gesprungen und nimmt damit Kurs auf sein Allzeithoch knapp über 2.000, ich könnte mir sogar einen Lauf bis 2.200 USD/Oz vorstellen. In den vergangenen Monaten habe ich immer wieder aufgerufen, jetzt Ihren Goldbestand aufzustocken. Das Fenster dieser Möglichkeit schließt sich nun langsam. Auch der Ölpreis ist inzwischen deutlich über die 60 USD/Fass gestiegen. Unter einem US-Präsidenten Donald Trump, der zitiert wird mit "drill , Baby, drill!", Bohr, Baby, bohr!, gab es zu viel Öl, als dass das schwarze Gold im Preis ansteigen konnte. Im Gegenteil, die OPEC+ war immer wieder genötigt, weitere Förderkapazitäten zu stutzen. US-Präsident Joe Biden hingegen beendet die laxe Politik gegenüber der Ölindustrie und so wird es nun schwerer, in den USA neue Ölquellen zu erschließen. Der Ölpreis steigt, die Saudis, Russland und Venezuela werden es Biden danken. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
|