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Was für eine Woche: Zu Beginn der Woche brachen die Aktienmärkte weltweit ein, doch seit Wochenmitte konnten die Verluste wieder mehr als ausgeglichen werden. Weltuntergangsszenarien werden aus der Tasche geholt, gleichzeitig kursieren Goldilocks-Szenarien (beste aller Welten). Auf den Blickwinkel kommt es an.
XINA Der chinesische Premierminister Xi Jinping hat höchste Ambitionen. Die bis dato in China übliche Amtszeitbegrenzung ließ er aufheben und kann somit auch nach dem Jahr 2023 weiter im Amt bleiben, am liebsten auf Lebenszeit. China würde so zu Xina. Doch das läuft nicht automatisch, er muss sich die Gunst seiner Parteifreunde immer wieder auf's Neue verdienen. So hat er nach mehreren Jahrzehnten des wirtschaftlichen Aufschwungs nunmehr die kommunistische Ader wiederbelebt. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in China weit auseinander gegangen, insbesondere bei der Landbevölkerung ist der globale Erfolg Chinas noch nicht angekommen. Seit einigen Monaten kümmert sich Xi daher nun darum, soziale Missstände auszugleichen. Insbesondere die Superreichen des Landes sowie die international erfolgreichen Unternehmen werden zu Zielen. Alibaba Tochtergesellschaft Ant Financial wollte an die Börse, der Börsengang wurde jedoch am Vorabend des weltweit größten Börsengangs gestoppt. Gründer und CEO Jack Ma verschwand seither vollständig aus den Medien. Alibaba spendete 12 Mrd. USD an die kommunistische Partei. Auch Tencent spendete 12 Mrd. USD, weitere internationale Unternehmen spendeten ebenfalls nennenswert. Kinder dürfen nur noch sehr eingeschränkt Online-Spiele spielen. Unternehmen mit Lehrauftrag dürfen keine Gewinne mehr erzielen. Die Palette der Einflussnahme des Staates ist breit gefächert. Wo über Jahrzehnte die Zügel für die Wirtschaft locker waren, werden sie nun straff angezogen. Evergrande, einer der größten Immobiliengesellschaften in China, ist seit Wochen in Zahlungsschwierigkeiten. "Too big to fail" hieß es lange Zeit, doch der Staat griff wider Erwarten nicht ein. Der Gründer von Evergrande war bis vor kurzem Chinas reichster Mann. Es widerstrebt Xi, ihm unter die Arme zu greifen. Das Geschäftsmodell von Evergrande ist auf Wachstum und steigende Immobilienpreise angelegt. Über Monate führte Evergrande mit geschönten Aussagen neue Investoren hinters Licht, bis diesem Treiben nun Einhalt geboten wurde. Kommt die Dynamik in diesem Bereich ins Stocken, so funktioniert das Geschäftsmodell nicht mehr. Eine Art Schneeball-System. Ich wurde von meinen Lesern bereits im Jahr 2012 davor gewarnt, dass diese Machenschaften nicht gesund seien. Nachdem die wirtschaftliche Dynamik, und somit auch die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt in Folge von Corona nachgelassen hat, bricht nun das Kartenhaus von Evergrande zusammen. Diese Woche waren einige Zinszahlungen fällig, die das Unternehmen nicht mehr leisten konnte. Mitarbeiter wurden aufgefordert, dem Unternehmen auszuhelfen. Am Montag und Dienstag dieser Woche blieben die chinesischen Finanzmärkte aufgrund des Mitt-Herbstfestes geschlossen. Es kam Angst auf, dass Evergrande am Mittwoch kollabieren könnte. Einige fürchteten sogar einen "Lehman-Moment" Chinas. Ich denke, die Brisanz dieser Situation hat man in China lange Zeit unterschätzt. Man hat geglaubt, man könne Evergrande pleite gehen lassen und somit einen Teil der vermeintlich Reichen bestrafen. Doch es stellte sich heraus, dass 1,2 Mio. Apartments von Chinesen gekauft wurden, die nicht zu den Reichen zählen, sondern die ihre Lebensersparnisse, ihre Altersvorsorge so anlegen wollten. Die Apartments sind noch nicht fertig und würden nicht fertig gestellt, wenn Evergrande pleite ginge. Eine Pleite von Evergrande würde diese 1,2 Mio. Chinesen hart treffen. Nicht die Finanzierer und Anlageberater müssten am Ende die Zeche zahlen, sondern 1,2 Mio. Chinesen, die dem Mittelstand zuzuordnen sind. Berichten zufolge gibt es Aufruhr in China. In mehreren Städten gibt es Protestbewegungen vor den Büros von Evergrande. Wenn Xi in zwei Jahren erneut zum Staatsoberhaupt gewählt werden möchte, muss er diese Protestbewegung einfangen. In der Nacht zum Mittwoch meldete Evergrande, die Zinszahlungen an chinesische Gläubiger seien gesichert. Bis heute weiß niemand, wie genau diese Sicherung erfolgte. Außerdem bezieht sich diese Zusicherung nur auf chinesische Papiere. Papiere im Ausland, die auf US-Dollar lauten, wurden nicht erwähnt. Doch auch für sie sind heute Zinsen fällig. "Moral Hazard" nennt man in der Volkswirtschaft den Effekt, wenn man Unternehmen rettet, nur weil sie zu groß sind, als dass man sie pleite gehen lassen könnte. Solche Unternehmen gehen unvernünftige Risiken ein, weil sie fest damit rechnen, am Ende gerettet zu werden. Xi darf also Evergrande eigentlich nicht retten, wenn er Moral Hasard vermeiden möchte. Denn der lachende Dritte von den Vorgängen ist der Gründer von Evergrande, der einst reichste Chinese, der mit seiner Masche durchgekommen wäre. Doch China funktioniert nicht wie unser System. Xi hat die Möglichkeit, Evergrande zu retten, gleichzeitig aber den Gründer zu bestrafen - siehe Jack Ma. Ob er ihn in ein Umerziehungslager schickt, oder mit anderen Methoden bestraft, sei dahin gestellt. Ich möchte darauf hinaus, dass Xi ganz andere Möglichkeiten hat, seine Ziele durchzusetzen, als wir uns das vorstellen können. So könnte er die 1,2 Mio. Chinesen retten, ausländische Investoren (die ihm egal sind) zur Kassen bitten und Moral Hasard vermeiden. Von den Finanzmärkten wurde dieses Vorgehen überaus positiv aufgenommen. Die Verluste der ausländischen Anleger sind zu vernachlässigen. Viel wichtiger ist ein funktionierendes China, da China inzwischen für viele international aufgestellte Unternehmen der größte Abnehmer ist. Wussten Sie, dass 41% aller VWs in China verkauft werden? BMW 33% und Daimler 31%. Eine Immobilienkrise in China wäre für unsere Autobauer ein heftiger Rückschlag. Da diese nun abgewendet ist, steigen die Kurse wieder. Doch das gefällt mir nicht, denn hinter der Evergrande-Geschichte steckt mehr, wie oben gezeigt: Xi geht gegen jeden vor, der in seinen Augen zu viel Geld verdient. Ausländische Unternehmen, deren Produkte auch von chinesischen Unternehmen hergestellt werden können, sind da ein besonders beliebtes Ziel. Schon am vergangenen Freitag zeigte ich, dass sich China konsequent abkoppelt vom Rest der Welt: Deglobalisierung. Wenn wir uns vor Augen führen, dass die Weltwirtschaft in den vergangenen 10 Jahren maßgeblich durch das hohe Wachstum Chinas gezogen wurde, wären die leichtesten Rückschläge in China, bspw. durch neue Regulierungen, eine Katastrophe für die globale Konjunktur. Nachdem China von der Werkbank der Welt zum Konsumenten der Welt aufgestiegen ist, ist die Abhängigkeit der international vernetzten Konjunktur stark abhängig von China. Xi hat alle Karten auf der Hand. Die Eingliederung Hongkongs konnte von der westlichen Welt nicht verhindert werden. Der ehemalige Hongkong-Verantwortliche wurde kürzlich zum Verantwortlichen für Taiwan bestellt. Ich halte die Entwicklungen in China wirtschaftlich betrachtet für sehr gefährlich. WEITERHIN LOCKERE GELDPOLITIK DER US-NOTENBANK US-Notenbankchef Jay Powell hat am Mittwoch die weitere Geldpolitik vorgestellt: Die Fed wird die ultralockere Geldpolitik langsam zu Ende bringen. Über das Tempo wurde nichts Konkretes gesagt, er ließ lediglich verlauten, dass die Wirtschaft derzeit die Rückführung hergeben würde. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass man weiterhin wachsam sei hinsichtlich des Arbeitsmarktes sowie hinsichtlich der Entwicklung von Covid-19. Das war eine Aussage nach dem Geschmack aller Anleger. Die Falken erhofften sich konkrete Hinweise auf das Ende der ultralockeren Geldpolitik. Ihnen sagte er, dass es nun an der Zeit sei, das Ende ins Auge zu fassen. Nachdem bis vor kurzem noch die Aussage stand, man spreche noch nicht über das Ende, war dies schon eine Genugtuung für die Falken. Gleichzeitig beteuerte Powell jedoch, die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von den aktuellen Entwicklungen festzulegen. Die Tauben, die Angst vor der sich ausbreitenden Delta-Mutation von Corona haben, können also darauf zählen, dass Powell im Falle erneuter wirtschaftlicher Beeinträchtigungen entsprechend zurückhaltend agieren wird. CORONA BREITET SICH AUS Tatsächlich gerät die zunächst erfolgreiche Impfkampagne der USA zunehmend ins Straucheln: Impfverweigerer werden nicht erreicht. Berechtigte Zweifel über die Wirksamkeit des Moderna-Impfstoffes gegen die Delta-Mutation sowie eine nachlassende Wirkung der Impfung nach 6 Monaten führen dazu, dass viele Angestellte weiterhin lieber zu Hause bleiben, als sich der Gefahr der Ansteckung am Arbeitsplatz auszusetzen. FedEx sprach im Rahmen der Veröffentlichung der Q-Zahlen ausgiebig darüber, dass an einigen Knotenpunkten nur 65% der erforderlichen Belegschaft verfügbar seien. Der Rest sei an Corona erkrankt, befinde sich in Quarantäne oder melde sich einfach krank. Aushilfskräfte ließen sich nicht finden. Die Entwicklung der täglich neuen Corona-Infektionen ist leicht rückläufig. Optimisten hoffen, das Schlimmste überstanden zu haben. Doch Gewissheit darüber gibt es noch nicht. Somit könnte sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt sehr bald schon entspannen und die US-Wirtschaft könnte ihre ins Stocken geratene Erholung fortsetzen. Gleichzeitig braucht Jay Powell Gewissheit darüber, dass die Ausbreitung der Delta-Mutation zurück geht. Doch bis er die haben kann, wird es noch eine Weile dauern. Er wird also mit der Rückführung der ultralockeren Geldpolitik eher etwas länger abwarten, als vorschnell zu riskieren, in einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen hinein die Wirtschaft zu früh abzuwürgen. Goldilocks: Die Wirtschaft zieht an, während die Geldpolitik die Zügel noch nicht straffen kann. Was will das Anlegerherz mehr :-). Schauen wir mal, wie sich diese Entwicklung auf die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich ausgewirkt haben. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (24.09.2021) Woche Δ Σ '21 Δ Dow Jones 34.798 0,6% 14,1% DAX 15.532 0,3% 13,2% Nikkei 30.249 -0,8% 10,2% Shanghai A 3.787 0,0% 5,8% Euro/US-Dollar 1,17 0,0% -4,6% Euro/Yen 129,80 0,7% 2,4% 10-Jahres-US-Anleihe 1,46% 0,09 0,52 Umlaufrendite Dt -0,32% 0,03 0,24 Feinunze Gold $1.749 -0,3% -7,2% Fass Brent Öl $78,04 4,2% 51,9% Kupfer $7.927 -14,4% 1,1% Baltic Dry Shipping $4.651 8,8% 240,5% Bitcoin $43.036 -9,0% 52,8% Der Bitcoin ist im Wochenvergleich sogar um 9% eingebrochen: Heftig! Vorsicht ist angebracht, aber Panik wäre übertrieben. In Kapitel 07 gehe ich näher darauf ein. Auf der anderen Seite ist der Baltic Dry Verschiffungsindex um 9% angesprungen: Wir befinden uns noch immer in der NAch-Corona-Zeit, in der die globale Logistik noch nicht rund läuft. Fehlende Kapazitäten und Fehlallokationen führen zu steigenden Preisen für die Verschiffung von Gütern. Diese Entwicklung schürt die Inflationsangst. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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