Alt 25.05.09, 20:39
Markt-Timing für Langfristinvestoren
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Verehrte Leserinnen und Leser,

in der letzten Woche lugte der DAX nach langer Zeit wieder einmal über die 5.000-Punkte-Marke. Am Mittwoch gab es sogar einen Schlusskurs über dieser Schallmauer, das erste Mal seit 19 Wochen.

Damit hat der deutsche Leitindex über 37 % seit seinem Tiefststand im März 2009 gewonnen. Viele Anleger fragen sich nun natürlich, ob jetzt die Zeit für einen Einstieg gekommen ist, ob dieser Zeitpunkt nach diesen Kursgewinnen nicht vielleicht schon wieder vorbei ist oder ob man nicht sogar besser diese Gelegenheit für Verkäufe nutzen sollte.

Timing oder Stockpicking – Quadratur des Börsenkreises hoch zwei

Letztlich geht es also um die immer aktuelle Frage des Timings an der Börse. Altmeister André Kostolany empfahl: Kaufen, liegen lassen und währenddessen schlafen. Das scheint angesichts des Kursverlaufes der letzten 10 bis 15 Jahre auch keine so tolle Strategie zu sein. Aber selbst die Profis, beispielsweise der meisten Fonds, erreichen über diesen Zeitraum keine stabile Überrendite gegenüber den großen Indizes. Also scheinen weder das Timing noch die Einzelwertauswahl etwas zu bringen.

Doch beides ist falsch. Dass die Einzelwertauswahl, das Stockpicking, funktioniert, demonstriert immer wieder eindrucksvoll Super-Investor Warren Buffett. Zugegeben, nicht jeder von uns ist ein Warren Buffett, und die Aktienauswahl ist auch mühevoll und langwierig. Und dann gilt es noch geduldig auf einen sinnvollen Einstiegszeitpunkt zu warten.

Doch machbar ist es. In der Stockstreet Investment Strategie, unserem Börsendienst für Vermögen und Wohlstand, haben wir beispielsweise in unserer Sonderausgabe „Perlen“ Mitte März vier nach fundamentalen Kriterien ausgewählte Aktien besprochen. Seitdem sind drei dieser Werte zwischen 36 und 87 % im Plus! Selbst die „schlechteste“ Empfehlung weist noch einen Gewinn von 9 % auf. Buffett würde sagen: „Es ist besser, ungefähr richtig zu liegen als komplett falsch.“

Markt-Timing ist machbar

Ähnlich ist das mit dem Timing. Machen wir uns nichts vor – den absoluten Tiefpunkt beim Einstieg und das Hoch beim Ausstieg zu erwischen, ist unmöglich oder bestenfalls gelegentliches Glück. Doch mit Buffetts Ansatz (ungefähr richtig, statt komplett falsch), kommen wir auch ganz gut zurecht. Wir brauchen allerdings eine sinnvolle und handhabbare Strategie dafür.

Dazu nehmen wir erneut eine Anleihe aus Buffetts reichem Erfahrungsschatz. Er empfiehlt Langfristinvestoren, denen Stockpicking zu mühsam oder aufwändig ist, einfach Index-Fonds zu nehmen. Gut, kaufen wir also den DAX – mit ETFs (Exchange Traded Funds) ist das heutzutage kein Problem und extrem kostengünstig möglich.

Doch wonach richten wir uns beim Ein- und Ausstieg? Kaum ein System scheint doch dem Chaos der Börse auf lange Sicht widerstehen zu können. Langfristinvestoren haben es da vergleichsweise einfach. Denn letztlich folgt die Börse dem Rhythmus der Wirtschaft, auch wenn sie ihr kurzfristig in der Regel ein paar Monate voraus ist. Die Crux ist nur, Anhaltspunkte dafür zu finden, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird. Generationen von Ökonomen haben sich darüber den Kopf zerbrochen, unzählige Indikatoren sind dafür entwickelt worden

Ungefähr richtig, statt komplett falsch

Doch auch hier wollen wir es gar nicht zu genau machen (Denken Sie an Buffetts Wahlspruch!). Nun ist „die Wirtschaft“ ja kein abstrakter Begriff, sondern Menschen, Unternehmen und Organisationen hauchen ihr erst Leben ein. Was liegt näher, als deren eigene Ansichten als Indikatoren zu verwenden?

Im folgenden Chart sehen Sie den DAX zusammen mit zwei der bekanntesten Frühindikatoren in Deutschland, den ZEW-Konjunkturerwartungen und den beiden Komponenten des ifo-Index.


Quellen: MarketMaker, ZEW, ifo

Beide Indikatoren werden aus Umfragen gewonnen; das ZEW befragt Finanzmarktexperten, das ifo-Institut die Unternehmen. Wir erkennen, dass die rote ZEW-Kurve im mittleren Chartteil häufig an markanten Börsenhochs in den oberen Extrembereich läuft – logisch, Finanzmarktteilnehmer neigen meist zu übertriebenem Optimismus.

Die Selbsteinschätzung der Wirtschaft als Schlüssel für Börsengewinne?

Das ist beim ifo-Index (unterer Chartteil) nicht so ausgeprägt. Auch das ist logisch: Unternehmer sind traditionell eher realistisch bis zurückhaltend, die Deutschen sowieso. Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn die Erwartungen (dunkelblau) unter die Kurve der Lagekomponente (hellblau) fallen. Das bedeutet nämlich, dass die Unternehmen für die Zukunft eine Verschlechterung erwarten.

Auf der anderen Seite scheint ein Tief erreicht zu sein, wenn bei schlechter Lagebeurteilung die künftigen Erwartungen besser werden. Auch das ist logisch: Wie mies es auch immer sein mag, wenn die Firmen eine Besserung erwarten, ist das positiv. Übrigens, im ifo deutet sich gerade aktuell eine solche Entwicklung an...

Die senkrechten Linien im Chart zeigen die Zeitpunkte, die aufgrund derartiger Überlegungen als Kauf- (grün) und Verkaufssignale (rot) gefunden wurden. Optimal ist das noch nicht. Es scheint, die Deutschen sind tatsächlich zu pessimistisch...

Doch insbesondere die grünen Einstiegspunkte liegen offenbar recht günstig in der zugehörigen Trendphase. Als Langfristinvestoren wissen wir, dass Trends mitunter viel länger anhalten, als man zunächst glauben mag. Also haben wir in der Stockstreet Investment Strategie unseren Ansatz nach dem bekannten Prinzip „Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen“ optimiert.

Mit Charttechnik und langem Atem

Dazu bemühen wir die Charttechnik und das klassische Positionsmanagement aus dem Trading. Wir lassen den DAX also Chartsignale generieren, an denen wir – je nach Trendphase – schrittweise ein- und aussteigen.

Nun kann man natürlich eine Menge Arbeit investieren, um die besten Chartsignale und die optimale Verteilung der einzelnen Positionen zu ermitteln. Aber wie gesagt, es ist besser, ungefähr richtig zu liegen...

Im folgenden Chart sind daher auch nur fünf Positionen berücksichtigt worden und relativ simple Chartsignale, wie das Erreichen neuer Hochs u.Ä.


Quellen: MarketMaker, eigenen Berechnungen

Trotzdem erreicht dieses einfache „System“ bereits eine 2,3fache Performance als eine Kaufen-und-Halten-Strategie im DAX und ein Rendite im betrachteten Zeitraum von über 12 % pro Jahr! Dabei hat es in den vergangenen schwachen Monaten noch nicht einen Kauf gegeben – ganz im Gegensatz zu den Empfehlungen in unserer Stockstreet Investment Strategie.

Abgesehen von den oben genannten Aktien sind einzelne unserer Depotpositionen seit den Käufen zwischen Januar und März bereits 20 oder gar 40 % im Plus... Und das mit einer ausgesprochen ruhigen Strategie, die Ihnen keine hektischen Depotumschichtungen abverlangt.

Mit besten Grüßen

Torsten Ewert
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