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Zinsängste versus Unternehmensergebnisse lautete das Spielchen diese Woche. Die Zinsängste sind groß, doch gute Quartalszahlen von Unternehmen konnten in einigen Einzelaktien für deutliche Kurssprünge sorgen. Doch im weiteren Wochenverlauf nahmen die Zinsängste zu uns Q-Zahlen, die nicht begeistern konnten, führten zu heftigen Ausverkäufen der entsprechenden Unternehmen und Branchen.
APPLE HILFT GOOGLE, SCHADET FACEBOOK Meta, vormals Facebook, ist nach Q-Zahlen um 20% eingebrochen. Alphabet, vormals Google, ist nach Q-Zahlen um 10% angesprungen. Des einen Freud ist des anderen Leid. Google freut sich über wieder anziehende Werbeeinnahmen. Insbesondere das Reisegeschäft zeigt nach der Dürreperiode der Pandemie wieder Lebenszeichen. Bei Facebook schwächt sich hingegen das Wachstum bei den Werbeeinnahmen ab, der Ausblick wurde gesenkt. Der Grund: Apple hat die Einstellungen für die Privatsphäre verschärft. Warum das Facebook schadet und Google hilft, hat CEO Mark Zuckerberg in der Analystenkonferenz erklärt: Apple hat den Schutz der Privatsphäre für Apps verschärft. Sowohl Facebook als auch WhatsApp und Instagram werden überwiegend über Apps auf den Smartphones genutzt. Seit vergangenem Jahr müssen iPhone-Nutzer explizit das Tracken ihrer Aktionen genehmigen, wenn die App-Betreiber solche Daten auswerten möchten. Die wenigsten lassen das zu. Damit kann Facebook Werbung nicht mehr so gezielt ausliefern wie früher. Das wirkt sich negativ auf den Preis aus, den Werbetreibende zu zahlen bereit sind. Für Internetbrowser gelten diese Verschärfungen nicht in gleicher Form, dort gibt es noch immer einige Lücken, die von Webseiten wie eben Google genutzt werden können. Google-Werbung läuft also weiterhin gezielt und zieht dadurch Werbetreibende von Facebook zu sich herüber. Zusätzlich belastend wirkte sich bei Facebook das neue Projekt Metaworld aus. Investitionen in Augmented Reality, Virtual Reality und passende Hardware schlugen mit 4 Mrd. USD zu Buche, während nur 900 Mio. USD Umsatz generiert wurden. Während also die Werbeeinnahmen an Dynamik zu wünschen übrig lassen, geht Zuckerberg bei den Investitionen in die Vollen. Das kommt in Zeiten der steigenden Zinsen, wo Anleger lieber heute einen kleinen Gewinn als künftig einen vielleicht großen Gewinn sehen möchten, nicht gut an. Ungeachtet dieser speziellen Probleme zog Meta alle anderen sozialen Internetplattformen mit in den Keller: Pinterest -8%, Twitter -6% und SNAP -15%. Doch Facebooks Probleme sind Facebooks Probleme, und nicht Branchenprobleme. Nachdem die Bank of America nach dem Ausverkauf SNAP auf Kaufen hochgestuft hat, sprang die Aktie um 49% an. Pinterest legte gestern Zahlen vor und sprang daraufhin um 6% an: Erleichterungsrallye, das Pinterest nicht von der Facebook-Krankheit befallen wurde. Alphabet auf der anderen Seite vermeldete 32% Umsatzwachstum und 40% Gewinnwachstum. Highlights waren die Werbeeinnahmen der Suchmaschine (+38%) sowie der Umsatz mit der Google Cloud (+45%). Besondere Begeisterung rief die Meldung hervor, dass die Aktie im Verhältnis von 1:20 gesplittet wird. Bei einem Kurs von aktuell 2.600 Euro ist das ein Segen für Kleinanleger, die auf diese Weise künftig nur noch 130 Euro für eine Aktie zahlen müssen. SILTRONIC BLEIBT DEUTSCH, PVA TEPLA UND INFINEON LEIDEN ZUNÄCHST Ende Januar ist die Frist abgelaufen, in der die Übernahme von Siltronic durch den chinesischen Chipproduzenten GlobalWafers von den deutschen Behörden hätte genehmigt werden müssen. Seitens China war die Genehmigung Ende Januar erteilt worden, doch die deutsche Bundesregierung äußerte Sicherheitsbedenken und erteilte daher keine Genehmigung. Der Kurs von Siltronic war bereits Mitte Januar, als diese Entwicklung absehbar war, von 140 auf 115 Euro eingebrochen. Ende 2020 war die beabsichtigte Übernahme zum Preis von 140 Euro bekannt gegeben, die Aktie war damals von 80 auf 140 Euro gesprungen. GlobalWafers ist einer der weltweit größten Chiphersteller. Das Unternehmen sitzt in Taiwan und produziert für alle großen Chipunternehmen. Die Wafer (Halbleiterplatten) von Siltronic gelten als exzellent und GlobalWafers hätte sich gerne diesen Zulieferer ins Haus geholt. Im Frühjahr 2021 hatte ich im Rahmen unserer Interviewserie mit dem damaligen CEO von PVA TePla gesprochen. Alfred Schopf erklärte uns damals, dass es weltweit eigentlich nur zwei unabhängige Anbieter von Kristallzuchtanlagen gebe, PVA TePla sei eine davon. Diese Maschinen sind erforderlich, um aus qualitativ hochwertigen Kristallen anschließend Wafer zu produzieren. Eine Übernahme von Siltronic durch GlobalWafer hätte für alle Unternehmen positive Effekte gehabt: GlobalWafers hätte einen Qualitätssprung machen können, Siltronic hätte mehr produzieren können, da GlobalWafers sicherlich die Produktion ausgeweitet hätte. Und PVA TePla hätte die Maschinen für die Produktionsausweitung liefern dürfen. ... aber das Know-how wäre nach Taiwan gewandert. Und wenn wir uns anschauen, wie rückständig die europäische IT-Branche ist, ist es sicherlich strategisch sinnvoll, diese Übernahme nicht zu gestatten. Ich hoffe jedoch, dass die Bundesregierung auch mit weiteren Schritten plant, damit Siltronic und PVA TePla nicht mangels Großaufträgen verkümmern. Natürlich wird GlobalWafers weiterhin Wafer von Siltronic einkaufen und sicherlich auch mal eigene Anlagen mit Maschinen von PVA TePla ausstatten. Doch es ist ein Unterschied, ob man solche Produkte als Beimischung holt, oder aber voll darauf setzt. Die erhaltene Unabhängigkeit von Siltronic muss nun in Europa auch mit entsprechenden Aufträgen honoriert werden. Daher sind beide Aktien für mich derzeit trotz des starken Kurseinbruchs noch kein Kauf. PVA TePla ist seit November von 50 auf 30 Euro eingebrochen: Zunächst einfach nur, weil steigende Zinsen den Geschmack der Anleger für Wachstumsunternehmen verdorben haben. Dann aber auch, weil sich ein Scheitern dieser Übernahme abzeichnete. Das KGV 2023 von 28 ist für das erwartete Gewinnwachstum von 30% günstig. Doch wir befinden uns weiterhin in einer Marktphase, in der Unternehmen mit hohen KGVs, auch wenn sie durch Wachstum abgesichert sein mögen, unbeliebt sind. Ich würde mich also derzeit noch nicht festlegen wollen, dass hier schon ein Boden gebildet wird. Siltronic wiederum ist inzwischen mit einem KGV 23e von 10 sehr günstig, zumal der Gewinn um 12% wächst. Doch der Chipsektor war in den vergangenen Monaten heiß gelaufen und könnte - so fürchte ich - schon bald abkühlen. Apple hat in der vergangenen Woche vermeldet, dass die Chipknappheit des Q4 2021 nunmehr überwunden wurde. Elon Musk hat ganz klar gesagt, nicht Chips, sondern autonomes Fahren sei der maßgebliche Erfolgsfaktor. Ich gehe daher davon aus, dass wir spätestens im zweiten Halbjahr des laufenden Jahres keine Knappheit mehr haben, eher einen Überfluss. Und dann möchten Sie als Anleger keine Unternehmen aus der Chipindustrie haben. Bei Infineon als oberstem Glied in der Wertschöpfungskette wird ein Gewinnwachstum von 10% mit einem KGV 23e von 20 belegt, das ist wiederum nicht gerade billig. Infineon sucht Wachstum nicht mehr bei den Autoherstellern von Mercedes und BMW, sondern bei Kühlschränken und Waschmaschinen von Bosch und Siemens. Für das Internet der Dinge werden deutlich mehr Chips benötigt als für das autonome Fahren. TEAMVIEWER ÜBERRASCHT MIT GROSSEM AKTIENRÜCKKAUF Die endgültigen Zahlen von Teamviewer enthielten keine Überraschung mehr. Das Volumen des angekündigten Aktienrückkaufs überraschte jedoch: 10% der ausstehenden Aktien sollen bis Ende des Jahres für max. 300 Mio. Euro zurückgekauft und überwiegend aus dem Verkehr gezogen werden. Die Aktie sprang in Folge dieser Meldung um 25% an. Einem Unternehmen stehen in der Regel zwei Möglichkeiten zur Verfügung, überschüssige Liquidität an die Aktionäre zu geben: Durch die Ausschüttung von Dividenden, oder aber durch den Rückkauf von Aktien. Diesen beiden Optionen liegt jedoch zugrunde, dass die überschüssige Liquidität nicht investiert wird. Das Unternehmen ist also der Ansicht, alle Wachstumspläne bereits mit ausreichend Liquidität unterfüttert zu haben. Mit 15% Umsatzwachstum segelt das Unternehmen derzeit, der Gewinn wächst überproportional. Analysten waren damit nicht zufrieden und schickten die Aktie im vergangenen Jahr auf Talfahrt. Nun hat sich ein Boden gebildet und die Aktie beginnt wieder zu klettern. Die eingegangenen Sponsoringverträge mit dem Formel 1 Rennstall Mercedes und dem Champions League Verein Manchester United wurden scharf kritisiert: Zu teuer, hieß es. Das Geld hätte man lieber als überschüssige Liquidität für eine Dividende oder eben einen Aktienrückkauf sehen wollen. Der Umstand, dass nun trotz dieser teuren Sponsoringverträge weiterhin so viel überschüssige Liquidität verfügbar ist, wirkt wie Balsam auf die geschundenen Seelen der Aktionäre. Das KGV 2023e von 16 ist in meinen Augen bereits fair. Aber genau wie bei den oben besprochenen Werten gilt auch für TeamViewer: Aktuell ist nicht die Zeit der Wachstumsunternehmen. Ich würde mich auf Aktien von Unternehmen konzentrieren, die noch deutlich günstiger bewertet sind. SPOTIFY ERLEBT FACEBOOK-PROBLEME Erst vor anderthalb Jahren hat Spotify 100 Mio. USD dafür bezahlt, den Podcaster Joe Rogan exklusiv auf Spotify zu holen. Joe Rogan hat sich klar als Impfgegner positioniert und bei 9,5 Millionen Followern wird ihm zugesprochen, eine Verantwortung für die schlechten Impfquote in den USA zu tragen. Musiker Neil Young (Heart of Gold) hat aus Protest seine Lieder von Spotify abgezogen. Weitere Musiker folgen nun seinem Beispiel. Der Vorwurf, Joe Rogan verbreite Falschinformationen, wird nun heiß diskutiert. Gründer und CEO Daniel Ek wurde zu diesem Thema gestern interviewt. Seine Antwort war alles andere als zufriedenstellend: Er verwies darauf, dass man am Wochenende bei allen Beiträgen zum Thema Covid_19 Links zugefügt habe, die auf weiterführende Informationen und Fakten zum Thema verweisen. In einer Ansprache an seine Mitarbeiter verteidigte Daniel Ek den Deal mit Joe Rogan. Mit seinen 9,5 Mio. Followern brauche Spotify Joe Rogan, nicht aber umgekehrt, so Ek. Was soll er auch anderes sagen, immerhin hat er 100 Mio. USD für ihn ausgegeben. Doch hinter dieser Auseinandersetzung steckt mehr. Die Frage, wie weit der Betreiber einer Plattform (ob Facebook, Twitter oder Spotify-Podcasts) verantwortlich ist für die Inhalte, die über die zur Verfügung gestellten Plattform verfügbar sind. Facebook lehnt jegliche Verantwortung ab und wartet bis heute vergeblich auf Listen, die von der Politik zur Verfügung gestellt werden sollen, damit entsprechende Begriffe oder Inhalte dann automatisch ausgefiltert werden können. Twitter ist da deutlich progressiver und erstellt eigene Listen bzw. hat einen eigenen Faktencheck, dem bereits der ehemalige US-Präsident Donald Trump zum Opfer fiel: Sein Twitter-Konto wurde gelöscht. Daniel Ek hat Spotify noch nicht klar positioniert: Eiligst wurden am Wochenende Regeln eingeführt, die Falschinformationen von der Plattform verbannen sollen. Doch ob Joe Rogan Falschinformationen veröffentlichte, oder nicht, sagte er nicht. Einige Beobachter haben gemerkt, dass einige alte Podcasts von Joe Rogan inzwischen entfernt wurden. Doch um welche es sich handelt und warum sie entfernt wurden, weiß man nicht. Das Thema bleibt spannend. Eine zufriedenstellende Lösung bietet bislang noch niemand. Eigentlich sollten jedoch die Q-Zahlen von Spotify im Zentrum des Interesses stehen. Das Unternehmen vermeldete gestern ein Umsatzwachstum von 24% auf 2,7 Mrd. USD und einen Verlust von 0,21 USD/Aktie. Die Zahl der Abokunden wuchs um 16%, der Umsatz je Kunde hingegen blieb nahezu unverändert, Werbeeinnahmen wuchsen um 15%. Anleger waren enttäuscht. Ein KGV 2023e von 97 erfordert ein deutlich höheres Wachstum. Die Aktie wurde in Folge dessen um 23% ausverkauft. 13 Mrd. USD Umsatz werden für das Jahr 2023 erwartet, die Marktkapitalisierung von 26 Mrd. USD ist ambitioniert, aber in meiner Bewertungsmatrix gerade noch vertretbar. Aktuell jedoch, siehe oben, haben es solche Wachstumswerte schwer. Ich würde mit einem Kauf noch ein wenig abwarten. Mittelfristig ist Spotify sicherlich eine super Aktie. Denn bislang wird das Unternehmen stets mit Netflix verglichen. Zwei Drittel der Einnahmen aus dem Musik-Streaming führt Spotify an die Musiklabels (Universal, Sony, Warner, ...) ab. Netflix hat einen entsprechenden Kostenblock, wobei das Unternehmen zunehmend auf Eigenproduktionen setzt. Spotify hat bislang noch keine eigene Musik gemacht. Der große Unterschied liegt jedoch bei den Podcasts: Einmal abgesehen von dem Zugpferd Joe Rogan, für das 100 Mio. USD auf den Tisch gelegt wurden, gibt es keine Zahlungen an die Anbieter von Podcasts. Bei Podcasts ähnelt das Modell eher dem Model von YouTube beim Video-Streaming privater Inhalte. Hier fällt also der große Kostenblock für den Content weg. Je stärker Spotify auf Podcasts setzt, desto profitabler wird das Geschäftsmodell. Wir dürfen uns hier also auf ein deutlich überproportionales Gewinnwachstum freuen. AMAZON LIEFERT DURCHWACHSENE ZAHLEN AB Der heutige Kurssprung in der Amazon-Aktie von +11% ist weniger ein Zeichen der Stärke als vielmehr ein Aufholen der Kursverluste der zwei Vortage. Die Zahlen von Amazon waren nicht so schlimm wie nach den Zahlen von Paypal und Meta (Facebook) befürchtet. 9% Umsatzwachstum auf 137 Mrd. USD war etwas schwächer als erwartet. Aber der um Sondereffekte bereinigte Gewinn lag mit 5,80 USD/Aktie deutlich über den erwarteten 3,57 USD/Aktie. 4 Mrd. USD hat Amazon ausgegeben, um Lieferkettenprobleme, Corona-Schutzmaßnahmen, Inflationsdruck und Arbeitskräftemangel auszugleichen. Letztlich war das Geschäft des Online-Händlers damit im eigentlich lukrativen Weihnachtsquartal nicht profitabel, es wurde ein Verlust erwirtschaftet. Doch dann gibt es da noch die Amazon Cloud AWS, die bereits 15% des Konzernumsatzes ausmacht und mit 40% wächst. Dort wurde eine Gewinnmarge von 30% erwirtschaftet, was für so ziemlich den gesamten Quartalsgewinn verantwortlich ist. Der dritte Bereich, Werbung, macht erst 7% des Konzernumsatzes aus, wächst jedoch ebenfalls kräftig mit 33%. Einen Sondereffekt erzielte das Unternehmen durch den Börsengang von Rivian, dem Anbieter von Elektro-Lieferfahrzeugen. Die Beteiligung ist durch den Börsengang im Wert um 12 Mrd. USD angestiegen. Mit einem KGV 2023e von 38 ist auch Amazon nicht billig, doch billig war Amazon noch nie. Mag sein, dass auch Amazon im Zuge der Neubewertung vor dem Hintergrund des Umfeldes steigender Zinsen noch ein wenig unter Druck bleibt. Doch wenn der Online-Handel wieder profitabel wird und vielleicht die AWS mal ausgegliedert wird, dann sind in diesem Konzern noch viele Werte versteckt. Monopolrente nennt man das. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (03.02.2022) Woche Δ Σ '22 Δ Dow Jones 35.031 0,9% -3,6% DAX 15.100 -1,4% -4,9% Nikkei 27.440 2,7% -4,7% Shanghai A 3.522 0,0% -7,7% Euro/US-Dollar 1,15 2,8% 1,0% Euro/Yen 131,99 2,7% 0,9% 10-Jahres-US-Anleihe 1,91% 0,13 0,40 Umlaufrendite Dt 0,04% 0,22 0,32 Feinunze Gold $1.808 1,0% -0,9% Fass Brent Öl $93,45 3,4% 18,6% Kupfer $9.863 2,0% 1,8% Baltic Dry Shipping $1.425 9,4% -35,7% Bitcoin $40.274 6,3% -14,3% | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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