Alt 24.09.09, 20:04
Reagiert die Fed zu langsam?
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Es haben sich doch einige kleine, aber entscheidende Dinge in dem Statement des FOMC geändert. Insgesamt weist die Fed in dem Statement auf eine Belebung der Wirtschaft hin. Sogar ein Passus, in dem von einer Zunahme der Aktivität auf dem Immobilienmarkt gesprochen wird, wurde hinzugefügt. Allerdings hat die Fed auch sicherlich nicht ohne Absicht eine Passage eingefügt, dass diese Stabilisierung nach einem dramatischen Einbruch geschieht. Damit will sie offenbar verhindern, dass der Markt eine baldige Straffung der Geldpolitik erwartet. Etwas später wird, wahrscheinlich aus demselben Grund angeführt, dass auch die längerfristigen Inflationserwartungen durch einen erheblichen Nachfragerückgang und Überkapazitäten eingedämmt werden.

Und so wurde logischerweise auch der Passus nicht verändert, in dem steht, dass die Zinsen für einen längeren Zeitraum niedrig bleiben werden.

Eine Kleinigkeit

Eine einzige Veränderung ist allerdings doch zu erkennen: Die Fed will nicht mehr alle Mittel, sondern nur noch eine große Auswahl an Mitteln dazu einsetzen, die wirtschaftliche Erholung zu fördern und die Preisstabilität aufrechtzuerhalten. Daraufhin brach der Zinssatz für 10jährige Staatsanleihen intraday erst einmal merklich ein.

Die Fed versucht offenbar ganz behutsam, Schritt für Schritt, ihre expansiven Maßnahmen einzuschränken. Das ist eigentlich nicht falsch, ich fürchte nur, dass die Fed insgesamt zu langsam reagiert. Es mag sich vermessen anhören, die Fed-Politik zu kritisieren, aber es ist nicht das erste Mal, dass ich so vermessen bin.

Ein Rückblick

Um die aktuelle Situation zu verstehen, muss man noch mal in die Jahre 2003 und 2004 zurückgehen. Damals hatte Alan Greenspan die niedrigen Zinsen sehr lange unverändert belassen. In der wenige Jahre später folgenden Immobilienkrise haben viele Analysten und Ökonomen kritisiert, dass eben genau dieses Zögern die eigentliche Ursache der neuen Blase (Immobilienblase) gewesen sei. Sie gaben damit Alan Greenspan die Schuld, die Immobilienblase überhaupt erst in diesem Ausmaß bewirkt zu haben.

Wenn Sie mich schon länger lesen, wissen Sie, dass ich, nachdem Ben Bernanke Alan Greenspan als Notenbankchef abgelöst hatte, die Geldpolitik von Ben Beranke kritisierte. Er erhöhte in jeder FOMC-Sitzung weiter die Zinsen bis auf ein Niveau von über 5 %. Mir ging das damals zu schnell. Ich hätte es lieber gesehen, wenn Ben Bernanke bei einem Niveau von 4 % erst einmal eine Pause im Zinserhöhungszyklus eingelegt hätte, um die Wirkung der unlängst gestiegenen Zinsen auf die US-Wirtschaft und den US-Immobilienmarkt zu testen. Schließlich wirken sich Zinsveränderungen mit einer Verzögerung von mindestens 6 Monaten zeitversetzt auf die Wirtschaft aus. Ich hatte damals eine Historie zu Zinsen und Aktienkursen hinzugefügt, die einen Zusammenhang zwischen Zinsen in der Nähe der 6 % Marke und starken Kurseinbrüchen der Aktienmärkte belegte.
Offensichtlich hat also Ben Bernanke damals nicht vorsichtig genug gearbeitet und damit unter Umständen die Heftigkeit der Immobilienkrise gefördert. Vielleicht hätte ein vorsichtigeres Vorgehen eine langsame Anpassung des US-Immobilienmarktes bewirkt.

In der Krise

Auch als er am Anfang der Krise mit Alternativen zu starken Zinssenkungen herumspielte, erntete er Kritik und das nicht nur von mir. Sogar Alan Greenspan zeigte sich verwundert. Im Nachhinein hätten frühe und massive Zinssenkungen vielleicht sogar das Ausmaß der Bankenkrise abgeschwächt. Schließlich hätten sich die Banken besser refinanzieren können. Allerdings redet davon heute niemand mehr.

Insgesamt hat sich meines Erachtens Ben Bernanke in den letzten Jahren nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Ihm fehlt offenbar das Gefühl für die Märkte und ein gehöriges Maß Timing. Und wie wir als Trader wissen, Timing ist an den Börsen alles.

Zu zögerlich

Wenn ich nun das heutige Statement lese, muss ich wieder so vermessen sein und warnen. Wie gesagt, ich befürchte, dass er auch dieses Mal zu langsam reagiert. Wahrscheinlich will er warten, bis sich auf dem US-Arbeitsmarkt eine deutliche Stabilisierung zeigt, da er weiß, dass der US-Konsum die tragende Säule der US-Wirtschaft ist. Oder er hofft darauf, dass sich die ISM-Indizes und andere Indikatoren weiter verbessern. Ein wichtiger Punkt wird zudem die Inflationsrate sein, denn nach wie vor befindet sich die Fed noch in der Deflationsbekämpfungsphase. Auch hier war ich einer der ersten, die vor der Deflation warnten, als noch alle anderen vor Inflation redeten (einschließlich der Fed).

Erwartet die Fed ein „Double Dip“ Anfang 2010?

Ich kann mir sogar vorstellen, dass Ben Bernanke, wie einige andere Ökonomen, davon ausgeht, dass es Anfang 2010 noch zu einem zweiten Einbruch der Wirtschaftsaktivität in den USA kommt. In diesem Zusammenhang wird häufig von einem W-förmigen Verlauf der wirtschaftlichen Aktivität oder auch von einem „Double Dip“ geredet. Es könnte also sein, dass er das noch abwarten will, um nicht in diese Entwicklung hinein die Zinsen zu erhöhen.

Die Schleuderfahrt der US-Wirtschaft

Doch ich möchte hier noch einmal das Beispiel von dem Auto anbringen, das ins Schleudern gekommen ist, um verständlich zu machen, warum ich fürchte, dass er zu langsam reagiert:

Das US-Wirtschafts-/Börsen-Auto, kurz UWB-Auto kam im Jahr 2000 ein wenig von der Fahrbahn ab. Mit dem Anschlag 2001 und dem Irak-Krieg geriet es dann endgültig ins Schleudern. Um einen Unfall (Zusammenbruch) zu verhindern, steuerte Alan Greenspan über niedrige Zinsen dagegen. Das UWB-Auto fing sich zunächst, und es sah alles gut aus. Doch die Kraft des Gegenlenkens führte zu einem neuen Ungleichgewicht (Blase), das zu einem Ausbrechen des Wagens in die andere Richtung führte.

Da steuerte der Nachfolger Alan Greenspans, Ben Bernanke mit zu hohen Zinsen (also zu schnell zu stark) gegen. Es kam, wie es kommen musste, das Auto rutschte wieder in die andere Richtung weg (Börsencrash / Bankenkrise). Es kam zu einem Beinahe-Unfall (Zusammenbruch des Finanzsystems). Ben Bernanke blieb also nichts anderes übrig, als nun mit aller Kraft auf Anschlag wieder gegenzusteuern: Nullzinspolitik, Aufkauf von Staatsanleihen, etc.
Damit zerren jetzt enorme Kräfte am UWB-Auto.

Um das UWB-Auto wieder auf Spur zu bringen, müsste man nun nur sehr kurz, aber stark gegenlenken und sobald das Auto reagiert, die Kraft wieder rausnehmen. Die Fed tut aber genau das nicht

Und so erkennen wir an den Märkten bereits Überreaktionen.

Dabei hat die Fed durchaus die Möglichkeit, die Zinsen ohne größere Auswirkungen auf 1-2 % anzuheben.

Mittlerweile wissen wir auch, zu welcher Blase die Niedrigzinspolitik dieses Mal führen wird. Sie erinnern sich, ich hatte es vor einigen Monaten schon einmal als Möglichkeit dargestellt: Eine fundamental nicht gerechtfertigte Aktienhausse, die noch verrückter ist als alle anderen Blasen zuvor, zumindest wenn dieser Wahnsinn noch mehrere Monate weiter gehen sollte.

Viele Grüße

Jochen Steffens
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