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Liberté, Ègalité, Fraternité heißt es seit der französischen Revolution in immer mehr europäischen Ländern. Fraternité, Brüderlichkeit, wird heute als Solidarität verstanden, Solidarität innerhalb der Gemeinschaft.
Innerhalb der Familie ist das selbstverständlich, mit Freunden und Verwandten häufig auch noch. Auf der größeren Ebene, Gemeinde, Länder und Staaten bis hin zur EU hat der Gesetzgeber immer stärker die Aufgabe der Solidarität übernommen. Als Zeichen der Solidarität werden von dem Einem Steuern eingenommen und dem Anderen gegeben. Die Menschen in Europa mögen das System unterstützen, dessen aktuelle Ausprägung jedoch steht in der Kritik. Wir können noch so stolz auf unseren Sozialstaat sei, doch wir müssen erkennen, dass immer mehr Menschen sich darin nicht mehr gerecht berücksichtigt fühlen. In Frankreich wird nun Fraçois Fillon zur Präsidentschaftswahl antreten. Er ist der konservativste Kandidat, den sich die französischen Republikaner vorstellen konnten. Fillon setzt auf Liberté, Freiheit und Ègalité, Gleichheit (vor dem Gesetz, sprich: Gerechtigkeit). Im Mutterland der Brüderlichkeit rückt dieses wichtige Prinzip gegebenenfalls, sollte Fillon die Wahlen im kommenden Frühjahr gewinnen, an die dritte Stelle. Mit den folgenden Wahlversprechen hat er die innerparteiliche Nominierung gewonnen: - Ich verspreche, die Wochenarbeitszeit um 4 Stunden zu verlängern, - ich verspreche, das Renteneintrittsalter zu erhöhen und - ich verspreche, 500.000 Stellen (im öffentlichen Dienst) zu streichen. Wenn Sie mir diese drei Versprechen als Zitate von Donald Trump vorgelegt hätten, hätte ich die Nase gerümpft und gesagt: Mutig, aber kaum umsetzbar. Aber nicht im Land des Turbokapitalismus kommt ein Kandidat mit diesen versprechen durch, sondern im Mutterland der Brüderlichkeit, im Mutterland des Sozialstaates. Ich habe den Eindruck, La Grande Nation hat verstanden, dass ein Land nicht ewig seinen Wohlstand halten kann, wenn man mehr vom Staat bekommt als irgendwo sonst auf der Welt. Frankreich hat eine gesetzliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. In Rente geht man in Frankreich mit 62 Jahren (USA: 67). Im Jahr arbeitet der Franzose durchschnittlich 1.495 Stunden, der durchschnittliche US-Amerikaner muss 300 Stunden länger arbeiten. In Deutschland wird übrigens 60 Stunden pro Jahr weniger gearbeitet als in Frankreich, dafür haben wir unser Rentenalter bereits schrittweise in Richtung 67 Jahre bewegt. Die Briten wollen nicht mehr in der EU sein (Brexit), in den USA gewinnt ein ultrakonservativer Testosteron Macho (Trump) und in Österreich und Italien steht eine Entscheidung über die zukünftige Richtung der Länder an diesem Wochenende auf des Messers Schneide. Wir haben der Fraternité viel zu verdanken, doch in seiner heutigen Ausprägung sind die Menschen damit nicht mehr zufrieden. Ich bin gespannt, ob das in Deutschland von den etablierten Parteien noch rechtzeitig vor den Wahlen im kommenden Herbst erkannt wird. Bislang wird die "Schuld" auf die "populistischen" Querulanten abgeschoben. Bei der Gelegenheit noch ein Nachtrag zu den Erfolgsaussichten des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Er will ein Infrastrukturprogramm mit einem Volumen von 1 Billionen USD auflegen, finanziert durch Staatsschulden, das im Laufe der kommenden fünf Jahre umgesetzt wird. Trump hat schon eine Reihe weiterer Vorhaben angekündigt, deren Kosten Analysten mit spitzem Bleistift auf 6 Billionen USD über vier Jahre als zusätzliche Neuverschuldung aufsummiert haben. Damit bewegt sich der Schuldenstand der USA in Richtung 100% des Bruttoinlandsproduktes. In Europa haben wir die Grenze von 60% definiert, weil unzählige wirtschaftliche Studien zeigen, dass Staaten mit einer Verschuldung von über 70% des BIP kaum noch fähig sind, Wachstumsraten zu erzeugen. Die Schuldenlast frißt mögliche Investitionen auf, irgendwann wird es fraglich, ob die Schulden überhaupt noch zurückgezahlt werden können. Trump möchte seine Schulden natürlich durch hohe Wachstumsraten (4%) gegenfinanzieren und somit aus der hohen Schuldenquote herauswachsen. Das ist Ronald Reagan in den Achtziger gelungen, doch es dauerte bis 2000, bis Bill Clinton erstmals wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorzeigen konnte. Zudem betrug der Schuldenstand bei Reagans Amtsantritt nur 30% vom BIP. Ich erwarte also einen Konjunkturaufschwung, der durch Donald Trump angeheizt wird. Doch ob das zu nachhaltig höheren Wachstumsraten in den USA führt, oder aber wie ein Strohfeuer verpufft, wird an den Strukturmaßnahmen liegen, die Trump durchführt. Er hat sich dafür diese Woche zwei ausgewiesene Bankexperten in sein Kabinett geholt: Steven Mnuchin wird Finanzminister, Willbur Ross wird Handelsminister. Willbur Ross ist ein ehemaliger Investmentbanker, heute 79 Jahre alt, der sein Vermögen durch die Restrukturierung veralteter Industrien gemacht hat (Stahl, Kohle, Telekom, Textil). Steven Mnuchin ist mit seinen 53 Jahren sowas wie ein junger Hüpfer im Trump-Umfeld, er kommt von Goldman Sachs und führte lange Jahre einen Hedgefonds. Die beiden waren in einem ausführlichen Interview auf CNBC zu hören. Dort haben sie bekannt gegeben, die Unternehmenssteuer von derzeit 30% auf 15% zu senken. Das gehe aber nicht zulasten der Einkommenssteuer, dort werde man insbesondere mittlere Einkommen entlasten. Fraternité hat in den USA noch nie eine so große Rolle gespielt wie unter Obama. Doch das wird nun schnell wieder zurück gedreht. Schauen wir einmal, wie die Märkte diese Woche darauf reagiert haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (01.12.16) Woche Δ Dow Jones 19.171 0,5% DAX 10.513 -1,6% Nikkei 18.426 0,2% Shanghai A 3.397 0,1% Euro/US-Dollar 1,07 0,7% Euro/Yen 121,23 1,3% 10-Jahres-US-Anleihe 2,38% 0,02 Umlaufrendite Dt 0,11% 0,07 Feinunze Gold $1.176 -1,0% Fass Brent Öl $54,12 10,4% Kupfer 5.773 -1,1% Baltic Dry Shipping 1.196 -0,4% Nachdem der DAX in den Vorwochen von der Rallye der internationalen Märkte ausgespart wurde, traf ihn diese Woche die Verschnaufpause doppelt hart: Mit einem Minus von 1,6% hält der DAX diese Woche die rote Laterne, der Dow Jones legte um 0,5% zu, der Nikkei um 0,2% und in China stiegen die Aktien leicht um 0,1%. Während sich der russische Präsident Wladimir Putin mit Donald Trump auseinandersetzt, China als Handelspartner lobt und Interesse an Südostasien zeigt, erwähnt er Europa nicht mit einer Silbe. Europa, und allen voran Deutschland, leidet unter den anstehenden Wahlen in Österreich, Frankreich und Deutschland sowie unter dem Referendum in Italien. Die Zukunft Europas ist so ungewiß wie lange nicht mehr, entsprechend ziehen Anleger ihr Geld ab. Das zeigt sich auch im schwachen Euro. Da mögen die volkswirtschaftlichen Daten in Europa doch allen Grund zur Hoffnung geben, doch wer will schon in einem Land investieren, das derzeit kaum Beachtung findet. Einen Freudensprung hat der Ölpreis gemacht: +10,4%! Die OPEC hat sich in Wien auf eine Fördermengenkürzung um 1,2 Mio. auf 32,5 Mio. Fässer pro Tag geeinigt. Die Sensation: Saudi Arabien hat sich einseitig zu Förderkürzungen in Höhe von 486.000 Fässern pro Tag bereit erklärt und auch Russland wird, so wird zumindest geschrieben, im kommenden Jahr 300.000 Fässer weniger pro Tag fördern als geplant. Geplant war übrigens eine Fördermengenausweitung um 400.000 Fässer pro Tag, Russland verzichtet also auf diese Investition. Weiter hätten sich Nicht-OPEC-Staaten bereit erklärt, insgesamt 300.000 Fässer pro Tag weniger zu fördern. Indonesiens Mitgliedschaft wurde zeitweilig ausgesetzt, da sich das Land nicht an der Einigung beteiligte. Der Iran bekam seine Extrawurst und darf im kommenden Jahr seine Förderung um 90.000 Fässer pro Tag ausweiten. Die Einigung gilt für sechs Monate und soll dann verlängert werden. Ich bin überrascht von dem Ergebnis, hatte ich doch noch vor einigen Wochen die Verhandlungen als Show abgetan. Ohne eine Einigung wäre der Ölpreis nun abgestürzt. Dank der Einigung ist der Ölpreis nun endgültig über 50 USD/Fass gesprungen. Ich kann mir nun gut vorstellen, dass dieses Niveau gehalten wird. An eine Rallye in Richtung 70 USD/Fass glaube ich nicht, denn mit 50 USD/Fass ist die US-Fracking-Branche wieder im Rennen. Und dort wurden in den vergangenen Monaten wieder mehr Bohrtürme aufgestellt als zuvor. Noch im Mai wurden nur 318 Bohrtürme in den USA gezählt, inzwischen sind es wieder 477. Zum Vergleich: Vor dem Ölpreiseinbruch wurden Mitte 2014 noch 1.600 Bohrtürme gezählt. Wenn sich die Förderung so etwa ab 50 USD/fass lohnt, dann gibt es in den USA noch reichlich Potential, die Förderkapazitäten auszuweiten. Von einer Ölpreisrallye sind wir also weit entfernt. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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