Alt 29.06.19, 03:08
Standard So tickt die Börse: Bayer braucht langfristige Lösung des Glyphosat-Problems
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Diese Woche wurde zunächst, wie von mir erwartet, die Rallye der Vorwoche verdaut. Seither steigen die Kurse in freudiger Erwartung vor dem G20-Gipfel an. Im Wochenvergleich haben sich die Indizes kaum verändert.

BAYER-CHEF BAUMANN UNTER DRUCK

Bayer steht diese Woche mit +11,1% auf der Gewinnerliste. Der aktivistische Investor Paul Singer hat mit seinem Hedgefonds "Elliot" 2% der ausstehenden Bayer-Aktien gekauft. 2% mag nicht viel klingen, doch für Paul Singer ist das genug, um ordentlich Druck auf das Management auszuüben. Immerhin entspricht das einem Gegenwert von über einer Milliarde Euro.

Vor zwei Jahren hat Bayer den US-Wettbewerber Monsanto für 66 Mrd. Euro gekauft. Seither hat sich der Aktienkurs von Bayer halbiert. Eine endlos erscheinende Klagewelle gegen das vermeintlich krebserzeugende Düngemittel Glyphosat von Monsanto bindet Management-Kapazitäten, bindet Kapital durch Rückstellungen und vermiest die öffentliche Reputation.

Glyphosat ist weltweit das führende Düngemittel für Bauern. Der aktuell verhandelte Vorwurf der Krebsgefährdung durch zu häufigen Kontakt mit Glyphosat erfasst meines Erachtens die bestehende Kritik nur unvollständig: Das Unkrautvernichtungsmittel ist so effektiv, dass die Artenvielfalt der Grünpflanzen im Umfeld der mit Glyphosat behandelten Felder drastisch zurück geht, was erhebliche Auswirkungen auf die umliegenden Ökosysteme hat.

Ich habe daher bereits vor zwei Jahren die Meinung vertreten, dass selbst ein Bayer-Sieg in der Frage, ob Glyphosat krebserzeugend ist oder nicht, kein Ende der weltweiten Kampagne gegen die Produkte von Monsanto bedeuten würde.

Bayer-CEO Werner Baumann hat die Übernahme von Monsanto gegen große Widerstände durchgesetzt. Bis heute hält er daran fest, dass diese Übernahme erforderlich gewesen war, um im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden. Und fast schon stur hält der Bayer-Konzern bis heute daran fest, dass Glyphosat nachgewiesenermaßen nicht krebserzeugend sei. Ich halte diese Strategie für falsch, denn der hinter dieser Klagewelle liegende gesellschaftliche Vorwurf des "falschen Ackerbaus" wird nicht adressiert.

Stattdessen betont Bayer bei jeder Gelegenheit das Bevölkerungswachstum der Erde und die Notwendigkeit, immer mehr Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Ohne Glyphosat, so die Argumentation Bayers, wären die Hungersnöte in der Welt viel größer.

Diese Argumentation zeigt jedoch meines Erachtens in die Richtung "der Zweck heiligt die Mittel", und das ist keine nachhaltige Strategie. Bis heute gibt es keine Alternative zu Glyphosat, nicht einmal ein offizielles Forschungsprojekt, das eine Alternative suchen soll.

Durch die Übernahme Monsanto ist das Segment Agrarwirtschaft (Coop Science, 14 Mrd. Euro) fast so umsatzstark wie die Pharmasparte (17 Mrd. Euro). Gesundheitsprodukte (Consumer Health (5 Mrd. Euro) und Tiermedizin (Animal Health 1,5 Mrd. Euro) sind damit abgehängt. Bayer ist vom Pharma- zum Agrarkonzern geworden.

So ist es kein Wunder, dass die Querelen um Monsanto die Bayer-Aktie in den Keller holen: Durch die Übernahme zu 66 Mrd. Euro wurden inzwischen 56 Mrd. Euro an Börsenwert vernichtet. Ich würde diese Bilanz als Desaster bezeichnen und ich habe mich nicht gewundert, dass Werner Baumann auf der jüngsten Hauptversammlung im April die Entlastung durch die Aktionäre verweigert wird.

Eine Nicht-Entlastung hat erst einmal keine Folgen für den Vorstand. Doch wenn über die Hälfte der Aktionäre dem Vorstand dadurch einen Denkzettel verpasst, auf dem steht, dass man überaus unzufrieden mit seiner Leistung ist, dann ruft das natürlich Anleger auf den Plan, die daran etwas ändern wollen.

Paul Singer hat eine Einschätzung zu Bayer veröffentlicht. Darin lobt er vieles im Konzern, insbesondere die Hinhaltetaktik bei den Glyphosat-Prozessen. Doch am Ende deutet er an, dass seiner Einschätzung nach die Summe der einzelnen Segmente mehr wert sein müsste, als es der derzeitige Börsenwert widerspiegelt. Das heißt mit anderen Worten: Wenn sich Bayer in seine vier Segmente aufspaltet, sollte das seiner Ansicht nach vorteilhaft für die Aktionäre sein.

Ich denke, da ist was dran: Bayer ist auf ein KGV 20e von 7 niedergeprügelt worden, die Dividendenrendite beträgt 5,6%. Die Frage, die sich Anleger stellen müssen, ist, ob die Monsanto-Übernahme Bayer in den Ruin (Konkurs!) führen kann, oder nicht. Wenn nicht, dann ist die Aktie deutlich mehr wert als heute, der jetzige Kurs könnte sich auf Sicht von mehreren Jahren als absoluter Schnäppchenpreis herausstellen.

Ich denke nicht, dass die Glyphosat-Verfahren geeignet sind, Bayer in den Ruin zu treiben. Solange Bayer jedoch keine neue Strategie für seine Glyphosat-Sparte präsentiert, wird die Schlacht immer weiter gehen und je nachdem, was sich die Gegner als nächstes ausdenken, kann das irgendwann tatsächlich mal in einen Ruin münden.

Der Auftritt Paul Singers ist ein klares Zeichen dafür, dass eher heute als morgen eine Lösung für das Problem gefunden werden muss. Die Strategie Baumanns muss überdacht werden und sobald es einen möglichen Ausweg aus der Klageflut gibt, wird die Aktie von Bayer wieder deutlich anziehen. Ob der mögliche Ausweg eine Zerschlagung / Aufspaltung des Konzerns ist, oder aber noch andere Lösungsmöglichkeiten aus dem Hut gezaubert werden, weiß ich nicht. Ich lasse mich überraschen. Doch ab jetzt wird an einer langfristigen Lösung gearbeitet und genau das honorieren die Anleger mit einem Kursplus von 11%.

SILTRONIC SPRINGT UM 30% IN 10 TAGEN AN

Siltronic, Anbieter von Wafern für die Chipinduistrie, ist in den vergangenen 10 Tagen um 30% angesprungen. Nach einer Gewinnwarnung war die Aktie um 15% eingebrochen, es handelte sich dabei um den finalen Seal-Off, wie wir heute sehen können. Denn seither ist die Aktie steil nach oben gelaufen.

Die Chipindustrie ist ein Gradmesser für die Spannungen zwischen China und den USA. Eskaliert der Handelsstreit weiter, dann wird dieser Streit heftige Auswirkungen auf die Chiphersteller haben, denn keine andere Branche ist so eng vernetzt zwischen China und den USA wie die Chipbranche. Ich habe hier im Heibel-Ticker zu Beginn des Handelskonfliktes US-Chipwerte vorgestellt, die über 80% ihres Umsatzes in China machen (Skyworks).

Wenn ich mir die jüngste Entwicklung bei den Chip-Aktien anschaue, dann rechnen Anleger fest mit konstruktiven Fortschritten zwischen Xi und Trump im Rahmen des G20. Wir alle haben erlebt, wie sprunghaft Trump sein kann, daher würde ich weder in die eine, noch in die andere Richtung darauf spekulieren. Doch eines ist sicher: An diesem Wochenende wird die Aktienmarktrichtung dieses Sommers bestimmt.

Schauen wir nun einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (27.06.2019) Woche Δ Σ '19 Δ

Dow Jones 26.558 -0,8% 15,2%
DAX 12.383 0,4% 17,3%
Nikkei 21.276 0,1% 6,3%
Shanghai A 3.120 -0,8% 19,5%
Euro/US-Dollar 1,14 0,6% -0,5%
Euro/Yen 122,64 0,7% -2,8%
10-Jahres-US-Anleihe 2,01% -0,04 -0,72
Umlaufrendite Dt -0,35% -0,01 -0,45
Feinunze Gold $1.411 1,4% 10,2%
Fass Brent Öl $66,52 2,1% 27,4%
Kupfer 5.953 1,0% -1,0%
Baltic Dry Shipping 1.340 12,2% 5,4%
Bitcoin 11.051 15,2% 181,8%



Der Bitcoin fällt diese Woche aus dem Rahmen: Die 12.000 USD wurden zeitweilig wieder übersprungen und Erinnerungen an den Hype von vor zwei Jahren werden wach. Facebooks Libra hat das Interesse an der Kryptowährung wieder aufgefrischt.

Die Bundesbank hat zwischenzeitlich eine Warnung vor dem Libra herausgegeben: Wenn eine Weltwähruhng, wie der Libra, seinen Gegenwert in Währungen hält, dann kommt es in diesen Währungen zu starken Schwankungen, allein wenn die Milliarden Facebook-Kunden ein wenig ihrer heimischen Währung in Libra umtauschen, denn Facebook müsse dann entsprechende Gegenwerte in den dem Libra zugrunde liegenden Währungen kaufen.

Das klingt plausibel und zeigt die Befürchtung der Währungshüter auf: eine Weltwährung könnte die Notenbanken ihrer Instrumente berauben. Währungen könnten so in eine Abhängigkeit vom Libra geraten, was nicht wünschenswert sei.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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