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Die Berichtssaison ist voll im Gange. Die heutige Ausgabe ist dominiert von meiner Einschätzung zu einzelnen Quartalszahlen.
CHIPOTLE: FRISCHE NAHRUNGSMITTEL EIN FAULES VERSPRECHEN Dank meiner Empfehlung von Chipotle Mexican Grill, dem US-Burritoanbieter, konnten die Kunden des Heibel-Ticker PLUS 20% Gewinn einstreichen. Vor anderthalb Jahren gab es einen E.coli Ausbruch bei Chipotle, Umsatz und Aktie brachen ein. Ich hatte darauf spekuliert, dass ein Jahr später diese Vorfälle vergessen würden und das Unternehmen zu alter Stärke gelangen könne. Entsprechend stieg die Aktie stark an. Doch mein Kursziel wurde nicht ganz erreicht, die Aktie dreht im Frühjahr wieder gen Süden. Gründe für diese Entwicklung konnte ich nicht finden, dennoch haben wir schließlich mit einem Stopp Loss unseren Gewinn von wenigstens 20% realisiert und die Position aufgelöst. Seither ist die Aktie weiter gefallen wie ein Stein. Hätten wir die Position behalten, säßen wir nun auf einem Verlust von 10%. Diese Woche hat die Aktie ihr Tief von vor anderthalb Jahren noch unterschritten. Ich habe nachgeforscht, was da los ist: Chipotle hat eine Filiale in Virginia geschlossen, nachdem mehrere Kunden dieses Restaurants krank wurden. Damit ist die gesamte Aufarbeitung des E.coli-Vorfalls infrage gestellt. Gründer und CEO Steve Ells hat immer wieder betont, dass man die schärfsten Gesundheitsregeln bei Chipotle eingeführt habe, die es in den USA gebe. Das Postulat der gesunden und frischen Nahrungsmittel werde von keiner zweiten US-Restaurantkette so konsequent umgesetzt wie bei Chipotle. Zweifel, dass es überhaupt möglich sei, eine Frischegarantie wirtschaftlich in großem Stil umzusetzen, erhalten nun ;-) frische Nahrung ;-), denn die Vorfälle in Virginia bestätigen die Kritiker. Es scheint, Steve Ells Versprechen war ein faules Versprechen. Hatten wir mit unserem frühzeitigen Verkauf also mehr Glück als Verstand? Ich würde sagen, wir haben uns an unsere Disziplin gehalten und aufgrund des nicht mehr nachvollziehbaren Kursverhaltens die Notbremse gezogen. Diese Disziplin ist bei Spekulationen angebracht, anders als bei Wachstums- und Dividendenpositionen. Dort nutzen wir solche unerklärlichen Kurseinbrüche zum Nachkaufen. MICROSOFT: MS AZURE MACHT FREUDE Microsoft hat unter CEO Satya Nadella den Schwenk zum Cloud-Geschäft geschafft. Nicht nur MS Azure, der Konkurrent zur Amazon Cloud AWS, erfreut sich zunehmender Beliebtheit, sondern auch MS Office wird immer häufiger über die Cloud bezogen. Damit ist bereits ein Drittel des Microsoft-Umsatzes in der Cloud. Der Umsatz ist im abgelaufenen Quartal um 9% auf 24,7 Mrd. USD gesprungen. Der Gewinn hat sich auf 6,5 Mrd. USD verdoppelt. Anders als die Amazon Cloud, die viele Privatkunden und Einzelhändler zu ihren Kunden zählt, gehören der Microsoft Cloud überwiegend große Firmen an. Das Angebot ist professioneller, die Wachstumsraten sind größer. Microsoft schließt langsam zu Amazon auf. Analysten erwarten für Microsoft in den kommenden fünf Jahren ein durchschnittliches Gewinnwachstum p.a. von 10%. Das KGV 2018e steht bei 20. Damit ist Microsoft derzeit fair bewertet, denn ich halte die zweifache Wachstumsgeschwindigkeit im KGV für angemessen, da Microsoft ein Marktführer ist. URSACHE FÜR AUSVERKAUF Nun, am heutigen Freitag haben wir einen großen Optionsverfallstag. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der DAX aus beiden Richtungen, also von Put- als auch Call-Spekulanten, unter Druck gerät. Heute Mittag setzen sich die Put-Spekulanten durch und drücken den DAX auf 12.300 Punkte, wo es ein Gleichgewicht zwischen Put- und Call-Spekulanten gibt. Für diese negative Stimmung werden nun einige Ereignisse als Begründung herangezogen: Die US-Konjunktur sei schwach. Das lasse ich nicht gelten, denn die US-Konjunktur ist schon seit Monaten schwach. Donald Trump könne sein Infrastrukturprogramm nicht durchsetzen. Das gilt schon eher, da sein Eingeständnis, seine eigene Gesundheitsreform nicht umsetzen zu können, ein Beweis für seine mangelhafte Durchsetzungskraft ist. Man traut ihm immer weniger zu, das mit 1 Billionen US-Dollar ausgerufene Infrastrukturprogramm umzusetzen, zumal diese Woche eine Reihe von Meldungen die starke Überschuldung seiner Regierung ankreideten. In Deutschland hingegen sieht es eigentlich gut aus: Die Konjunkturdaten sind erfreulich, die ZEW-Konjunkturerwartung notiert mit 17,5 in moderat positivem Terrain. Mario Draghi hat gestern nach der EZB-Sitzung die Beibehaltung der aktuellen Geldpolitik verkündet. Dabei legte er besonderen Wert darauf, möglichst keine Richtung für künftige Entscheidungen vorzugeben. Im Herbst werde über eine Änderung der Geldpolitik entschieden, dabei sei eine Straffung der Geldpolitik genauso möglich wie eine Lockerung, wenn es die Entwicklung der Rahmenbedingungen erfordern. Alles deutet darauf hin, dass die EZB sich von ihrer lockeren Geldpolitik langsam, vermutlich langsamer als vielen das recht sein wird, verabschiedet. Doch Abschied ist Abschied, egal wann. Entsprechend hat der Euro einen Sprung nach oben gemacht, denn eine straffere Geldpolitik unterstützt den Außenwert der heimischen Währung. Schauen wir uns die Entwicklung der wichtigsten Indizes einmal im Wochenvergleich an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (20.07.2017) Woche Δ Σ '17 Δ Dow Jones 21.640 0,4% 9,5% DAX 12.447 -1,5% 8,4% Nikkei 20.145 0,2% 5,4% Shanghai A 3.398 0,8% 4,6% Euro/US-Dollar 1,16 1,9% 10,4% Euro/Yen 130,22 0,7% 5,9% 10-Jahres-US-Anleihe 2,27% -0,08 -0,18 Umlaufrendite Dt 0,32% 0,00 0,33 Feinunze Gold $1.243 2,1% 7,9% Fass Brent Öl $49,46 2,5% -12,8% Kupfer 5.955 0,9% 9,8% Baltic Dry Shipping 964 8,6% 3,9% Die Wochenübersicht zeigt sofort den Grund für den DAX-Einbruch: Um -1,5% hat der DAX abgegeben, während gleichzeitig der Euro um +1,9% angesprungen ist. Na, wenn dieser starke Euro kein Gegenwind für die Exportnation Deutschland darstellt, was dann? Es scheint, als hätten sich viele internationale Anleger von Deutschland abgewendet, insbesondere da Japan seine lockere Zinspolitik zeitgleich nochmals um ein Jahr verlängert hat. Der Yen ist gegenüber dem Euro um 0,7% angestiegen, der Nikkei konnte ein Plus von 0,2% erzielen. Japans Bank of Japan hat diese Woche das Ziel der Inflationsrate von 2% vom Jahr 2018 auf das Jahr 2019 verschoben, aktuell fährt man mit einem Leitzins von 0,0% eine extrem lockere Geldpolitik, die den Yen schwächt und der Exportnation Japan hilft. Der Ölpreis hat sich weiter erholt. Gerüchten zufolge hat sich die OPEC mit Vertretern der US-Frackingindustrie getroffen. Das Fracking der USA ist inzwischen so günstig, dass die USA immer weniger Öl importieren müssen und immer mehr eigenes Öl produzieren. Solange der Ölpreis über 45 USD/Fass notiert, lohnt sich die Erschließung neuer Fracking-Vorkommen. Die OPEC möchte den Ölpreis aber wieder deutlich höher sehen, möglichst in Richtung 60 USD/Fass. Das geht jedoch nicht gegen den Willen der Frackingindustrie. Nun wird darüber spekuliert, ob man sich lediglich gegenseitig informiert hat, oder ob es zu irgendwelchen Vereinbarungen gekommen sein könnte. Denn der Wettkampf im Ölsektor läuft über zwei Stellschrauben: Zum einen über den Ölpreis, also die Gewinnmarge, zum anderen über die Fördermenge, bzw. den Marktanteil. Der Baltic Dry Verschiffungsindex zeigt eine ansteigende Verschiffungsaktivität in China an. Dort steht in einigen Monaten das alle fünf Jahre stattfindende Treffen des Politbüros statt, auf dem die Ziele für die nächsten Jahre definiert werden. Mir wurde zugetragen, dass im Vorfeld dieses Treffens stets ausschließlich positive Konjunkturdaten zu erwarten sind, da man das Treffen in einem positiven Umfeld stattfinden lassen möchte. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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