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Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier mal biblisch aktiv würde. Doch auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner für die vielen Katastrophen, die derzeit über uns hereinbrechen, kam mir dieser Spruch aus dem Alten Testament in den Sinn. Gleiches mit Gleichem vergelten. Wie Du mir, so ich Dir. Eine Einstellung, die unsere Kultur eigentlich vor 2.000 Jahren über Bord geworfen hat.
Eigentlich. Aber nicht ganz. Denn auf der Suche nach einer Erklärung für den VW-Skandal kommen zwei Knackpunkte ins Rampenlicht: Zum einen der immer währende Leistungsdruck, der insbesondere von Ex-CEO Winterkorn für den US-Markt nicht durch eine intelligente Strategie verfolgt wurde, sondern nur durch utopische Ziele. Zum anderen der als umweltfreundlich getarnte Schutz der USA vor der Diesel-Invasion aus Europa durch überzogen hohe Abgasstandards speziell für Dieselfahrzeuge. Der VW-Manager sieht sich also einer unerfüllbaren Zielvorgabe seines Chefs gegenüber und sieht gleichzeitig, wie die USA ihre eigene Autoindustrie mit den benzinfressenden PickUps schützt und es Dieselfahrzeugen aus Deutschland unmöglich macht, Fuß zu fassen. Da gibt es den einen Managertyp der irgendwann das Handtuch schmeißt. Da gibt es aber auch den anderen, der sich sagt: Wenn ihr mit unfairen Mitteln spielt, dann kann ich das auch... und so wird eine offensichtlich schon lange vorhandene Software ein wenig modifiziert. Wie kann ein Manager so etwas wissentlich tun? Nun, wenn er die PickUps über die Straßen rollen sieht, dann ist der Gedanke schon nahe, dass ein Dieselfahrzeug doch allemal besser sei als diese Drecksschleudern - auch wenn die Umweltstandards erschummelt werden, oder? Wie Du mir, so ich Dir, wird sich dieser Managertyp dann denken, und schon haben wir eine Rechtfertigung für den VW-Skandal. Eine Rückbesinnung auf unsere christliche Kultur halte ich daher für überfällig, egal ob man dafür zur Kirche geht oder das Ganze unter den Begriff kultureller Ethik zusammenfasst. Ich halte es für richtig, dass Martin Winterkorn seinen Hut genommen hat. Er hat das China-Geschäft gut aufgebaut, aber für den US-Markt keine Antwort gefunden. Und "keine Antwort" ist in meinen Augen schon seit einigen Quartalen Grund genug, um bei VW für einen neuen Besen an der Spitze zu sorgen. Nun kommt vermutlich Matthias Müller, ein Opportunist ohne Ecken und Kanten. Ich halte ihn für den richtigen Mann, um VW in gebeugter Haltung die nächsten ein bis zwei Jahren durch diesen Skandal zu manövrieren. Mein Mitarbeiter Sascha Huber hingegen ist nicht überzeugt von ihm. VW verfügt über 10 Marken: Audi, Seat, Skoda, Bentley, Lamborghini, Bugatti, MAN, Scania und VW Nutzfahrzeuge. Da wird ein Vertrauensverlust vom Konsumenten dieser Welt vermutlich auf die Automarke VW beschränkt bleiben und nicht auf die anderen neun Marken überspringen. Dennoch wird VW in den kommenden ein bis zwei Jahren immer wieder negative Schlagzeilen aus dieser Geschichte bekommen, was den Kurs immer wieder unter Druck setzen kann. Jetzt kaufen, auf diesem niedrigen Niveau? Auf Sicht von fünf Jahren und mehr: Ja. Doch wie sich dieser Skandal in den kommenden ein bis zwei Jahren entwickeln wird, kann ich derzeit noch nicht abschätzen. Ich würde mir lieber die anderen Autokonzerne anschauen, Daimler und BMW, die von einem eventuellen Absatzrückgang bei VW profitieren werden. Auch Peugeot und Fiat könnten davon profitieren. Aktuell sieht es so aus, als sei der VW-Skandal ein Einzelfall und ließe sich nicht auf andere Hersteller übertragen. In den kommenden Monaten werden viele Tests überarbeitet, Testergebnisse werden verfeinert, und es wird die eine oder andere positive und negative Überraschung zu einzelnen Fahrzeugen geben. Ob dabei weitere systematische Betrügereien ans Licht kommen werden, kann ich leider nicht abschätzen. Wissen Sie übrigens, wer der größte Profiteur von diesem Skandal ist? Tesla. Wer Autokonzerne nun unter Generalverdacht der Trickserei stellt, der wird sich künftig mit einem Elektroauto auseinandersetzen. Auge um Auge, Zahn um Zahn sehe ich auch als Verhaltensmuster in der Flüchtlingskrise. Ungarn fühlt sich allein gelassen bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms und greift zu drastischen Mitteln. Wenn ihr uns bei der Bewältigung des Flüchtlingszustroms nicht helft, dann machen wir eben die Grenzen dicht, hört man aus Ungarn. Wenig später hört man aus Kroatien, wenn Ungarn alle Flüchtlinge durch unser Land schickt, dann machen eben auch wir die Grenzen dicht. Dieses Verhalten passt nicht in meine Vorstellung einer gemeinsamen europäischen Kultur. Warum hat Angela Merkel nicht früher eingelenkt und den Dublin-Prozess mit den betroffenen Ländern diskutiert? Die Unzufriedenheit ist schon seit Jahren bekannt. In diesem Zusammenhang muss ich nun auch einmal eine Lanze für die Griechen brechen. Dort wird im Namen der Menschlichkeit getan was getan werden kann. Hilferufe sind natürlich an der Tagesordnung, doch unmenschliche Kurzschlusshandlungen bleiben in Griechenland aus. Vielleicht hilft uns diese Krise zu definieren, was Europa eigentlich zusammenhält. Doch zurück zur Börse. VW hat als DAX-Schwergewicht zu einem Ausverkauf von 7,8% im DAX in dieser Woche geführt. BMW und Daimler wurden in Sippenhaft genommen. Eine Reihe weiterer DAX-Unternehmen sind Zulieferer der Automobilindustrie und ließen allein dadurch natürlich ebenfalls Federn. Die VW-Krise hat selbst die USA mit sich nach unten gezogen, der Dow Jones verlor 2,8%, auch Japans Nikkei gab um 1% nach. Es ist schon erstaunlich, denn die US-Notenbankchefin Janet Yellen hatte ja am Donnerstag vor einer Woche die Verantwortung für die Weltkonjunktur übernommen, indem sie trotz robuster US-Konjunkturdaten mit Hinweis auf die weltweiten Probleme den Leitzins unverändert niedrig beließ. Darauf hätte eine Rallye folgen müssen, doch die kam nicht. Sie kam nicht, weil viele Anleger darin die Sorge der Fed sahen, dass sich die Weltkonjunktur in den kommenden Monaten drastisch verschlechtern würde. Weiß die Fed mehr? Sieht sie Konjunkturprobleme, die wir noch nicht sehen? Anleger waren verunsichert und verkauften Aktien. Gestern Abend dann folgte die Erlösung: In einer Rede gab Janet Yellen bekannt, im Dezember den Leitzins anzuheben, sofern nichts Nachteiliges bis dahin passieren werde. Es war das Signal, wenn alles so weiterläuft wie bisher, dann ist die Konjunktur gesund, und wir können den Leitzins anheben. Natürlich hat sie sich das Hintertürchen offengelassen, im Falle sich ändernder Rahmenbedingungen eine andere Entscheidung zu treffen. So kommt es heute zur erneut paradoxen Reaktion, dass die Aussicht auf steigende Zinsen zu einer Kursrallye führt. Schauen wir einmal, wie sich die anderen Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (24.09.2015) | Woche Δ Dow Jones: 16.201 | -2,8% DAX: 9.428 | -7,8% Nikkei: 17.881 | -1,0% Euro/US-Dollar: 1,11 | -2,4% Euro/Yen: 134,78 | -1,8% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,12% | -0,10 Umlaufrendite Dt: 0,45% | -0,12 Feinunze Gold: $1.143 | 0,8% Fass Brent Öl: $48,21 | -2,2% Kupfer: 5.063 | -5,4% Baltic Dry Shipping: 922 | 4,4% Der Euro ist gegenüber dem US-Dollar wieder zurückgefallen. Nach der Zinsentscheidung war der Wechselkurs von 1,13 auf 1,145 USD/EUR gesprungen. Nach der gestrigen Ankündigung von Janet Yellen ist der Wechselkurs von 1,13 auf 1,11 USD/EUR zurückgefallen. Steigende US-Zinsen werden den US-Dollar stärken, es gibt schon wieder Prognosen für eine Parität der beiden Währungen, also einen Wechselkurs von 1:1. Auch gegenüber dem Yen hat der US-Dollar an Wert zugelegt. Und steigende Zinsen werden auch das weiter anheizen, sodass Exporte für US-Unternehmen schwerer werden. Es ist also schon überraschend, dass die Reaktion auf die Ankündigung der Zinserhöhung im Dezember steigende Aktienkurse sind. Gleichzeitig fallen die Renditen. Die Umlaufrendite als auch die Rendite 10 Jahre laufender US-Anleihen ist um 0,1%-Punkte zurückgegangen. Trotz der Aussicht auf steigende Zinsen werden heute schon Anleihen gekauft. Wenn es einen Grund für den gestiegenen Goldpreis (+0,8%) gibt, dann die Verwirrung, die diese Reaktionen auslösen. Irgendwie passt das alles nicht zusammen, und Anleger werden nervös. Da ist der Sichere Hafen des Goldes gefragt. Konjunkturbarometer Öl und Kupfer hingegen haben Federn gelassen (-2,2% und -5,4% resp.), was die anhaltende Skepsis gegenüber der globalen Konjunktur widerspiegelt. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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