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Die olympischen Spiele haben begonnen, der griechische Finanzminister Varoufakis ist Volkswirtschaftsprofessor mit Schwerpunkt Spieltheorie. Die Spieltheorie ist eine mathematische Disziplin in unserer Zunft, die Einflussnahmen persönlicher Interessen der am Entscheidungsprozess Beteiligten auf die anderen Beteiligten berücksichtigt.
Im Bereich der Spieltheorie wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten sieben Nobelpreise vergeben. Glauben Sie also nicht, dass die Entscheidungsfindung eine trockene Elfenbeindisziplin ist, man kann damit erstaunliche Dinge bewegen. Und genau das hat Varoufakis vor: Er spielt die europäischen Verantwortlichen gegeneinander aus, beobachtet die Reaktionen und setzt neue Nadelstiche, während er vor laufender Kamera stets mit treuem Dackelblick beteuert, die Griechen wollen keinen Schuldenschnitt. Beim Treffen mit Finanzminister Schäuble deutet er darauf hin, dass Deutschland nach dem ersten Weltkrieg unter der Last der ungerechten und zu hohen Reparationszahlungen keine Chance auf wirtschaftliche Erholung hatte und dadurch schließlich den extremen Nazis verfallen sei. Das wolle Deutschland doch nicht in Griechenland sehen, oder? Auf die Frage, warum er erst zuletzt zu Finanzminister Schäuble zum Antrittsbesuch kam, nachdem er Italien, Frankreich und selbst England besucht habe, beantwortet er einmal gar nicht, auf die nochmalige Wiederholung der Frage sagt er, er sei doch jetzt hier. Nachdem Griechenland seinen Teil des europäischen Rettungsprogramms aufgekündigt hat, indem die Troika des Landes verwiesen wurde, empört man sich nun über die EZB, die ihrerseits ihre an die Existenz eines laufenden Rettungsprogramms gebundenen Hilfen aufkündigt. Deutschland wird vorgeführt und die gesamte Weltpresse geht davon aus, dass Griechenland gewinnen wird. Niemand fürchtet, dass Griechenland den Euro verlassen könnte. Es werde aufgeweichte Konditionen für die Zahlungsvereinbarungen geben, hört man überall. DAX und bald auch wieder Dow Jones stürmen von Rekord zu Rekord. Ich habe nichts dagegen, dass Varoufakis bessere Konditionen für sein Land aushandelt. Ich sehe allerdings seine Aktivitäten, eine Front gegen Deutschland zu bilden, sehr skeptisch. Varoufakis ist clever, und ich hoffe, dass Merkel und Schäuble sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Merkel? Da war doch noch was: ihr Besuch bei Putin. Die Sache ist gelaufen, da haben sich die USA durchgesetzt und einen langfristigen Kriegsschauplatz direkt vor unserer Haustüre geschaffen. Nun werden sie bald auch noch Waffen dorthin liefern dürfen während Putin sich wirtschaftlich ohnehin schon von Europa abgewendet hat und mit China kooperiert. Hier hat sich Merkel bereits die Butter vom Brot nehmen lassen. Übrigens, wenn Deutschland auf den expansiven geldpolitischen Kurs der Club-Med Länder einlenkt, könnten viele andere Probleme mit gelöst werden. Nicht nur die Schuldenkrise in Italien, Spanien, Frankreich und auch Griechenland könnte mit mehr Geld für Wachstum inzwischen bekämpft werden. Es ist unbestritten, dass viele der erforderlichen Reformen inzwischen von den Ländern umgesetzt wurden, wenn auch noch lange nicht genug. Doch es sieht dort heute schon besser aus als vor fünf Jahren, und ein wirtschaftlicher Aufschwung könnte deren Bruttoinlandsprodukt stark anwachsen lassen, sodass die Schuldenquote auch ohne eine weitere Rückführung von Krediten deutlich sinken dürfte. Wachstum in Europa bietet wiederum den Chinesen ihren Lieblings-Absatzmarkt. China hat ja nicht nur hausgemachte Probleme, letzte Woche wurde bekanntgegeben, dass im dritten Quartal weniger Haushaltsgeräte verkauft wurden als ein Jahr zuvor. WENIGER. Die sprechen nicht von einem Wachstum unter +7%, sondern von tatsächlich rückläufigen Absatzzahlen. Eine Belebung in Europa würde ziemlich direkt auch der chinesischen Wirtschaft helfen. Und wenn China wieder in den westlichen Märkten Fuß fasst, wird deren Bestreben nach Kooperation mit Russland auch wieder ein wenig nachlassen, der Notnagel für Putin. Das könnte dann also Putin wiederum veranlassen, doch etwas mehr Verhandlungsbereitschaft hinsichtlich der Ukraine an den Tag zu legen. Derzeit hat er das nicht nötig, Merkel und Hollande werden ohne nachhaltigen Erfolg aus Moskau abreisen. Naja, ein wenig Phantasterei. Wir sollten die tatsächliche Außenpolitik doch den von uns gewählten Politikern überlassen. Ich wollte hier nur aufzeigen, welche wirtschaftlichen Folgen diese außenpolitischen Ereignisse haben können. Nach einem schwachen Monat Januar haben die US-Amerikaner plötzlich wieder ihre Aktien entdeckt. Die Quartalszahlen haben für jede Menge Überraschungen gesorgt. Allein heute befinden sich nach Quartalszahlen Twitter und LinkedIn mit über 10% im Plus, GoPro, Yelp und Pandora stürzen um über 10% ab. Schauen wir einmal auf die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (05.02.2015) | Woche Δ Dow Jones: 17.885 | 2,7% DAX: 10.905 | 1,6% Nikkei: 17.649 | 0,2% Euro/US-Dollar: 1,14 | 1,1% Euro/Yen: 134,31 | 0,3% 10-Jahres-US-Anleihe: 1,82% | 0,06 Umlaufrendite Dt: 0,25% | -0,04 Feinunze Gold: $1.266 | 0,8% Fass Brent Öl: $58,42 | 19,1% Kupfer: 5.685 | 4,7% Baltic Dry Shipping: 564 | -15,3% Der Ölpreis ist um 19% angesprungen. Bei 45 USD/Fass Western Texas US-Öl hat Kinder Morgan eine Übernahme verkündet. Rich Kinder, Chef von Kinder Morgen, sagte, er wolle sich nicht bei einem Ölpreis von 44 oder 43 USD/Fass mit anderen Kaufinteressenten um eine Firma streiten, also habe er bei 45 USD/Fass gekauft. Eine solche Aussage wirkt wie ein Sicherheitsnetz unter dem Ölpreis. Marktteilnehmer wissen nun, dass auf diesem Niveau Schnäppchen zu haben sind, viel tiefer dürfte der Preis also fundamental betrachtet nicht fallen. Technische Reaktionen kann es natürlich immer geben, die den Ölpreis kurzfristig noch tiefer drücken. Doch die 45 USD/Fass werden für die kommenden Wochen eine Signalwirkung haben, sollte der Ölpreis nochmals abstürzen. 19% Preisanstieg in nur einer Woche ist natürlich schwindelerregend. Nun gibt es eine Diskussion um V- oder U-Boden. Schießt der Ölpreis also wie bei einem V gleich wieder in Richtung 70 USD/Fass? Oder wird er nochmals die 45 USD/fass besuchen und einige Wochen um dieses Niveau pendeln bevor es dann langsam wieder bergauf geht? Ich finde niemanden, der in dieser Diskussion von einem V-Boden ausgeht, alle sind sich einig, dass es einen U-Boden geben muss. Grund genug für mich, mir einige Argumente der Gegenseite auszudenken: 70% des förderbaren Öls wird bei der Fracking-Methode gleich im ersten Jahr der Erschließung gefördert. Danach ist die Quelle praktisch fast schon leer. Kein Vergleich zu den herkömmlichen Ölquellen, die ihre maximale Förderkapazität oftmals erst nach einigen Jahren erreichten. Entsprechend schnell könnte also der Fracking-Boom und damit die Ölschwemme enden. Dagegen spricht allerdings die hohe Aktivität im Golf von Mexiko, wo derzeit ebenfalls mehr Ölquellen in der Tiefsee angeschlossen werden als jemals zuvor. Eine Meinung will ich mir hier nicht erlauben, da sind andere Akteure am Markt unterwegs, die den Ölpreis jederzeit in die eine oder andere Richtung biegen können. Der Baltic Dry Verschiffungsindex ist auf das niedrigste Niveau seit Jahrzehnten gefallen. Ein weiteres Zeichen dafür, dass China nicht mehr so viel importiert. Neben den rückläufigen Absatzzahlen der Haushaltsgeräte ist dies das zweite Warnsignal aus China. Doch gleichzeitig ist der Kupferpreis um 4,7% angesprungen, und Kupfer wird als besserer Konjunkturindikator für die Welt angesehen. Hoffen wir, dass dies stimmt. Der Dow Jones hat mit einem Wochenplus von 2,7% nunmehr seine Januarverluste fast ausgeglichen, auf Jahressicht notiert er noch -0,5% im Minus. Der DAX hingegen liegt schon mit 11,2% vorne. Ich habe noch nie eine so unterschiedliche Entwicklung zwischen den beiden Indizes gesehen. Mal sehen, wie lange diese Diskrepanz anhalten kann. Vielleicht hat der DAX jedoch auch nur in einem Monat das nachgeholt, was sich der Dow Jones im gesamten Jahr 2014 an Vorsprung gegenüber dem DAX vorübergehend erarbeitet hatte. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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