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Jeder, der Kinder bekommt, wird inzwischen vor die Entscheidung gestellt, die Nabelschnur bei der Geburt einzulagern, um damit später im Falle eines Falles Stammzellen für etwaige Therapien des Kindes zu sichern. Der Spaß kostet rund 2.500 Euro für die Einlagerung und dann 70 Euro für jedes Jahr der Lagerung.
Vita 34 heißt der Betreiber des zweitgrößten Nabelschnur-Aufbewahrungsdepots in Europa. Das Unternehmen sitzt in Leipzig, ist 2007 an die Börse gegangen und die Aktie hat sich in den vergangenen zwei Jahren vervierfacht. Gehört es bald zum Standard, dass bei der Geburt das kostbare Nabelschnurblut, in dem die Stammzellen enthalten sind, eingelagert wird? Und was kann man damit machen? Bei mir hat sich der Eindruck verfestigt, dass Vita 34 eher mit einem Versicherungsunternehmen zu vergleichen ist als mit einem Medizinunternehmen. Wer die Stammzellen seines Kindes einlagern lässt, der kauft damit eine Versicherung für den Fall, dass das Kind später in seinem Leben einmal eine Krankheit bekommt, die man mit eigenen Stammzellen behandeln kann. Solche Krankheiten bzw. Behandlungsmethoden gibt es heute noch nicht allzu häufig. Zwar gibt Vita 34 in seinen Unterlagen an, dass heute bereits 80 Stammzelltherapien angewendet würden. Doch klinische Studien über die Stammzelltherapie speziell mit aus der Nabelschnur gewonnenen Stammzellen gibt es weltweit nur 132, in Deutschland erst eine. Es wäre also vermessen zu behaupten, dass das Nabelschnurblut essentiell wichtig ist für bestehende Behandlungsmethoden. Wir reden hier lediglich von der Zukunft: Der zukünftigen Gesundheit eines Neugeborenen sowie von den zukünftigen Behandlungsmethoden. Wer weiß, vielleicht nehmen Stammzellentherapien auch in 100 Jahren gar keine so zentrale Bedeutung in der Medizin ein. In Deutschland versichert man sich gegen alles, im Ausland ernte ich regelmäßig erstauntes Kopfschütteln, wenn ich über die komplizierten und detaillierten Ausgestaltungen von Versicherungen bei uns berichte. Trotzdem ist die Nabelschnur-Einlagerung in Deutschland heute ziemlich selten: Aktuell werden von nur 2% der Neugeborenen Stammzellen aus der Nabelschnur eingelagert. In Spanien und Italien sind es 4%, in Rumänien sogar 7%. In Portugal lassen 10% der Eltern das Nabelschnurblut ihrer Babies einfrieren und in Südkorea sind es sogar 25%. Auf meine Frage, was in Südkorea anders laufe als in Deutschland, antwortete mir CEO Dr. Wolfgang Knirsch, dass es dort schon als nahezu fahrlässig gelte, das kostbare Nabelschnurblut einfach wegzuwerfen. Preislich gebe es weltweit kaum nennenswerte Unterschiede. Wir haben es hier also mit einem Markt zu tun, in dem "Absicherung" groß geschrieben wird. Ein Geschäft mit der Angst vor etwaigen Krankheiten in der fernen Zukunft, oder auf der anderen Seite ein Geschäft mit der Hoffnung auf revolutionäre Behandlungsmethoden mit Stammzellen in der Zukunft. Dr. Knirsch hat auf Nachfrage erklärt, dass Vita 34 nicht in das Geschäft mit der "Angst" einsteigen, sondern vielmehr die Chancen in den Vordergrund stellen wolle. Das ist schonmal sympathisch. Bei den 80 heute bereits angewendeten Stammzellentherapien handelt es sich überwiegend um Immunzellen, die gegen Allergien bis hin zu Krebszellen eingesetzt werden. Auch bei nicht genetisch bedingten Entwicklungsverzögerungen habe man nach Aussage von Dr. Knirsch recht gute Ergebnisse erzielt. Für die Zukunft forsche man an individuellen Behandlungsmethoden von Tumorzellen. Bei genetisch bedingten Krankheiten helfen die eigenen Stammzellen übrigens nicht, da muss man auf Stammzellen der Geschwister oder Verwandten zugreifen. Stammzellen sind die Zellen im Körper, die sich beliebig oft teilen können und die sämtliche Körperteile bilden können. Stammzellen lassen sich auch beispielsweise aus dem Knochenmark gewinnen, je älter der Mensch wird, desto schlechter wird die Qualität der Stammzellen. Aus diesem Betrachtungswinkel ist die Einlagerung des Nabelschnurbluts lediglich eine Versicherung für den Fall, dass nicht mehr ausreichend gute Stammzellen an anderen Stellen des Körpers gewonnen werden können. Je tiefer man in das Thema einsteigt, desto deutlicher wird, dass es nur in sehr wenigen Fällen vorkommen kann, dass gerade die Nabelschnur-Stammzelle benötigt wird und dass gerade dafür eine geeignete Behandlungsmethode existiert. Daher habe ich den Begriff "Versicherung" an den Anfang meiner Analyse gestellt. Kommen wir zum Geschäftsmodell von Vita 34. Das Tolle am Geschäftsmodell ist, dass es sich um ein Abo-Modell handelt. Wer die Nabelschnur des Kindes einlagert, der abonniert damit gleichzeitig für ein ganzes Leben lang die Lagerung bei Vita 34 für 70 Euro pro Jahr. Egal wie viele Neukunden Vita 34 gewinnt, die 70 Euro der Bestandskunden, derzeit rund 200.000, fließen immer. Das ist schonmal ein Grundrauschen von 14 Mio. Euro. In Deutschland werden derzeit jedes Jahr ca. 75.000 Babies geboren. 2% davon sind 1.500 Babies, deren Nabelschnurblut für 2.500 Euro eingelagert wird, macht 3,75 Mio. Euro. In anderen Ländern gewinnt Vita 34 weitere Kunden, insgesamt kamen in den vergangenen fünf Jahren jährlich rund 7.500 Neukunden pro Jahr hinzu, also 7.500*2.500= 18,75 Mio. Euro. Mit dieser groben Rechnung kommen wir ziemlich schnell auf 14+18,75= 32,75 Mio. Euro Jahresumsatz für Vita 34. Analysten erwarten für das Unternehmen aber nur 24 Mio. Euro Umsatz im laufenden Jahr. Wachsen möchte Vita 34 durch eine Erhöhung der Einlagerungsquote in den Märkten des Unternehmens, und da spricht CEO Dr. Knirsch von allen Regionen, die in 6 Stunden per Flugzeug zu erreichen sind, um das Nabelschnurblut schnell genug einfrieren zu können. Das geht also bis in die arabischen Länder hinein. Zum anderen möchte er die Kosten jedes Jahr um 10-20% senken. Mit Zukäufen möchte er international um 20-30% wachsen und zudem sollen neue Produkte ein weiteres Wachstum von 10-20% bringen. Von einem Gewinn (EBITDA) von aktuell 3,3 Mio. Euro möchte er bis 2021 auf 10 Mio. Euro kommen. Das entspricht einem Gewinnwachstum von 32% p.a. Wenn Dr. Knirsch seine Ziele auch nur annähernd erreicht, dann ist das aktuelle KGV 2019e von nur 22 viel zu niedrig. Ich gehe davon aus, dass in den kommenden Jahren immer mehr wissenschaftliche Studien über die Anwendungsmöglichkeiten der Stammzellentherapie veröffentlicht werden. Doch es bleibt die extrem geringe Wahrscheinlichkeit, mit der eine solche Krankheit gerade das eigene neugeborene Baby in seinem Leben irgendwann mal treffen könnte und es bleibt auch die Möglichkeit, dass die vermeintlich schlechteren Stammzellen, die auch später noch gewonnen werden können, in der Zukunft doch noch ausreichen. Es bleibt also auf absehbare Zeit dabei, dass Vita 34 eine Versicherung ist. Und für eine Versicherung sind Wachstumsraten nördlich der 30% ziemlich selten. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass solche Zahlen langfristig zu halten sind. Kurzfristig ist es also durchaus nachvollziehbar, dass die Aktie sich in den vergangenen zwei Jahren vervierfacht hat, das Bewertungsniveau ist noch nicht zu hoch. Doch wie weit die Aktie noch steigen kann, hängt davon ab, wie lange Vita 34 die hohe Wachstumsrate im Umsatz halten kann. Somit ist Vita 34 in meinen Augen eine gute Spekulation, aber noch kein Unternehmen, das man sich langfristig ins Depot legt und liegen lässt. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (24.08.2018) Woche Δ Σ '18 Δ Dow Jones 25.657 0,4% 3,3% DAX 12.366 1,0% -4,3% Nikkei 22.411 1,0% -1,6% Shanghai A 2.853 0,7% -17,6% Euro/US-Dollar 1,16 1,7% -3,5% Euro/Yen 128,93 2,2% -4,5% 10-Jahres-US-Anleihe 2,82% -0,05 0,40 Umlaufrendite Dt 0,17% 0,03 -0,11 Feinunze Gold $1.189 1,2% -8,7% Fass Brent Öl $74,68 4,9% 12,2% Kupfer 5.971 2,2% -16,6% Baltic Dry Shipping 1.735 0,5% 27,0% Bitcoin 6.480 1,8% -53,4% Nach der Eskalation des Handelsstreits zwischen China und den USA haben sich in der abgelaufenen Woche die Gemüter wieder ein wenig beruhigt und die Aktienmärkte konnten sich etwas erholen. Die Reise einer chinesischen Verhandlungsdelegation nach Washington hat zum Wochenauftakt für steigende Kurse gesorgt. Die Gespräche blieben aber ergebnislos, so pendelten die Märkte danach mehr oder weniger lustlos seitwärts. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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