Beitrag gelesen: 16112 x |
||
Apple produziert Chips in den USA.
Kern der Auseinandersetzung zwischen den USA und China ist die Chipindustrie. Schon unter Präsident Donald Trump wurden den chinesischen Unternehmen Steine in den Weg gerollt. Unter Joe Biden hagelte es Export-Verbote, die inzwischen deutliche Spuren in der Branche hinterlassen haben. Keine andere Branche ist so global wie die Chipbranche. Das Chipdesign wird von Unternehmen wie Nvidia, AMD, Marvell und Qualcomm in den USA entwickelt. Man nutzt dafür Patente, die von der britischen ARM Holding entwickelt wurden. Die Fertigung der Chips findet dann in Taiwan von Taiwan Semiconductor statt, die Maschinen von ASML aus den Niederlanden verwenden. Die fertigen Chips werden dann nach China zum Einbau in die Endgeräte geliefert. So eine stark vereinfachte Skizze der globalen Verflechtung. Das Damoklesschwert, das über der Branche hängt, ist ein Einmarsch Chinas in Taiwan. Dort ist der größte Teil der weltweiten Chipfertigung installiert: 54% der globalen Chipproduktion, bei High-End Chips sind es sogar 90%. China könnte die USA von heute auf morgen davon abschneiden. Es ist daher kein Wunder, dass die USA Taiwan den Rücken stärken. 1990 werden noch 37% der weltweit gefertigten Chips in den USA gefertigt. Heute sind es nur noch 12%. Im gleichen Zeitraum sprang der in China gefertigte Anteil von 1% auf 15%, bis 2025 möchte China 70% des Eigenbedarfs selber fertigen. 85% der globalen Chipdesigns finden in den USA statt. Das hilft jedoch kaum, wenn man die Chips dann nicht fertigen kann. Immerhin kommen 41% der globalen Fertigungsmaschinen der Chipindustrie aus den USA, doch nur sehr wenig davon wird in den USA eingesetzt. Apple hat nun bekannt gegeben, bis 2024 einen Teil seiner Chips in Arizona, USA fertigen zu lassen. Fast zeitgleich hat Taiwan Semiconductor bekannt gegeben, bis 2024 eine Fertigungsstätte in Arizona aufzubauen. Dahinter steckt nicht nur eine einfache Diversifizierungsstrategie Apples, sondern auch das strategische Ziel der USA, die heimische Chipindustrie zu stärken, um es China zu erschweren, das ausgegebene Ziel der 70% Eigenfertigung zu erreichen. Je stärker China von den High-End Chips abgeschnitten wird, desto schwerer dürfte dieses Ziel zu erreichen sein. Ich höre aus Deutschland und Europa immer wieder, man solle die Auseinandersetzung zwischen den USA und China nicht so hoch hängen, China sei weiterhin ein verlässlicher Partner. Wenn solche Meldungen aus dem Hause Adidas kommen, die dort einen starken Absatzmarkt für Markenartikel haben, dann kann ich das gut nachvollziehen. Adidas-Schuhe profitieren vom Marketing, nicht von Ingenieurleistungen. Wenn es jedoch um High-Tech geht, sehen solche Äußerungen für mich blauäugig aus. Halbleiter sind der Kern der Automatisierung, des Cloud-Computing, des autonomen Fahrens, des Internets der Dinge über 5G, der Entwicklung sauberer Energien etc. Auch bei der Effizienzsteigerung unserer Agrarwirtschaft sind Chips die Innovationstreiber, wenn bspw. immer leistungsfähigere Bildauswertungen die gezielte Düngung ermöglicht. Nachhaltige (säkulare) Wachstumstrends bauen immer häufiger auf leistungsfähigen Chips auf. Eine Stärkung dieser Industrie in Europa ist überfällig. Nur vorläufiges Ende der Inflationsspirale In den USA feiert man bereits das Ende der Inflation. Für die Dezember-Sitzung der US-Notenbank erwarten die meisten Volkswirte inzwischen nur noch eine Leitzinsanhebung von 0,5%, nachdem der Leitzins viermal in Folge um 0,75% angehoben wurde. Das diese Woche veröffentlichte Protokoll der November-Sitzung der US-Notenbank bestärkt die Erwartung, dass die Fed ihre harte Gangart ein wenig moderater gestalten könnte. Auch die Konjunkturdaten unterstützen diese Erwartung: Der Anstieg der Hypothekenzinsen hat in den USA dazu geführt, dass eine Familie inzwischen 107.381 USD im Jahr verdienen muss, um die 2.682 USD an monatlichen Raten finanzieren zu können. Noch vor zwei Jahren brauchte man nur 1.851 USD/Monat. Ein Eigenheim ist für eine Familie somit um 45% teurer geworden, während der Lohn nur um 5% anstieg. Immobilienpreise sind eine Folge der monatlichen Finanzierungskosten. Damit ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Immobilienpreise deutlich zurück kommen werden. Bei derzeit 7% Hypothekenzins in den USA wäre es für die US-Notenbank nun ratsam abzuwarten, bis sich dieser Effekt durch die Branche zieht. Es gibt keine Notwendigkeit, den Hypothekenzins durch weitere große Zinsschritte auf 8% zu ziehen, um den Immobilienmarkt kollabieren zu lassen. Der Markt der Gebrauchtwagen in den USA befindet sich ebenfalls im Rückwärtsgang. Der Preis für Gebrauchte ist im Vergleich zum Vorjahr um 11% zurückgegangen (Manheim Index). General Motors gab bekannt, dass die Zeit der Produktionsunterbrechungen aufgrund von fehlenden Teilen (häufig Chips) vorüber sei, man bringe nun eine grobe Zahl an Neuwagen auf den Markt. Ford berichtet ebenfalls, dank der Lieferung fehlender Teile habe man nun 50.000 unfertige Fahrzeuge fertigstellen und verschicken können. BNPL steht für Buy Not Paypal Later - Kaufe jetzt, zahle später. Unternehmen wir Affirm haben mit diesem Geschäftsmodell Umsätze im Automarkt nach oben katapultiert. Der Gebrauchtwagenhändler Caravana bot seinen Kunden diese Zahlungsmethode an und verjubelte Autos zu Höchstpreisen. Inzwischen musste Affirm zugeben, dass viele Kunden ihre Raten nicht zahlen, die Aktie von Affirm ist um 92% eingebrochen. Caravana sitzt auf unzähligen Gebrauchtwagen und braucht Geld, die Aktie ist um 99% eingebrochen. Wer von Ihnen in den USA lebt: Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, ein Auto zu kaufen! Ich weiß nicht, ob weitere Leitzinsanhebungen die Situation noch verschlimmern können. Löhne und Gehälter steigen nicht mehr so stark an. Eine Inflation, die ungezügelt voranschreitet, schürt das Verlangen nach höheren Einkommen. Eine harte Zinspolitik jedoch, die der Konjunktur zusetzt, lässt Arbeitnehmer moderate Forderungen formulieren, um nicht den Job zu verlieren. Amazon hat hunderttausende neue Arbeitskräfte während der Pandemie eingestellt, um die sprunghaft angestiegene Nachfrage zu bedienen. Nun normalisiert sich der Einzelhandel und ich reche damit, dass Amazon nach dem Weihnachtsgeschäft Entlassungen im großen Stil verkünden wird. Andere Tech-Unternehmen haben bereits Einstellungsstopps oder erste Entlassungswellen verkündet, allen voran Twitter. Der Arbeitsmarkt normalisiert sich. Auch hier sind weitere Zinsanhebungen nicht mehr erforderlich. Und die Rohstoffpreise sind ebenfalls schon längst wieder zurück gekommen. Der Preis für Bauholz war der erste Indikator, aber inzwischen ist selbst der Ölpreis wieder unter 85 USD/Fass Brent gerutscht, obwohl Russland weiterhin Krieg gegen die Ukraine führt. Joe Biden hat verkündet, die US-Ölreserven zu Preise von 67-72 USD WTI wieder aufzufüllen. Derweil wird in Europa ein Preisdeckel von 65-70 USD/Fass Brent diskutiert. Im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie befinden sich alle Preise noch deutlich höher: +10% oder +20%. Aber die +100% sind vorüber. Immobilienpreise, Autopreise, Löhne und Gehälter, Rohstoffpreise, ... überall lässt der Preisdruck nach, wenngleich die Situation von vor Corona noch nicht wieder erreicht wurde. Wenn die US-Notenbank zum Ziel hat, den Corona-Effekt vollständig auszuradieren, dann müssen wir uns auf weitere harte Zinsschritte einstellen. Ich glaube das aber nicht, sondern gehe davon aus, dass die Fed mit dem bislang Erreichten zufrieden sein wird. Damit bleibt jedoch noch immer ein deutlicher Preisanstieg auf Sicht von zwei Jahren. Und das wird sich in den Köpfen der Menschen festsetzen und zu einem anhaltenden Inflationsdruck führen. Den Peitscheneffekt habe ich das vor einigen Monaten genannt: Die Inflation kommt wellenweise. Vorerst dürfen wir uns über eine Entlastung freuen, doch im Verlauf des kommenden Jahres, vielleicht auch erst wieder 2024 wird der Inflationsdruck dann wieder zunehmen. Für eine zwei Jahre laufende US-Staatsanleihe bekommen Sie derzeit 4,5% Zinsen. Für eine 10 Jahre laufende Bundesanleihe sind es 3,75%. Der Aktienmarkt hat wieder eine Alternative, wenngleich die Alternative in meinen Augen noch nicht attraktiv genug ist. Doch immerhin gibt es eine erträgliche Rendite für risikolose Parkplätze. Ölmarkt unter Druck Das Wallstreet Journal behauptet, im Dezember werde Saudi Arabien die tägliche Ölfördermenge um 500.000 Fässer pro Tag erhöhen. Noch nicht einmal vor zwei Monaten hatte die OPEC+ die tägliche Ölfördermenge um 2 Mio. Fässer pro Tag reduziert, um den Ölpreis zu stützen. Das Gerücht um die Förderausweitung ließ den Ölpreis einbrechen. Auch hier spielt sich hinter den Kulissen viel mehr ab, als wir sehen können. Joe Biden hat vor einigen Monaten bekannt gegeben, den hohen Ölpreis mit dem Verkauf von Öl aus den strategischen Reserven zu stützen. Binnen weniger Monate hat er die Ölreserven auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren gedrückt. Das Öl, das er aus dem eigenen Bestand verkaufte, konnte er am Markt zu Preisen zwischen 90 und 100 USD losschlagen. Nun hat er angekündigt, die Ölreserven wieder aufzufüllen, sobald der Ölpreis zwischen 67 und 72 USD notiert. Saudi Arabien erhöht die Förderung und wird den Preis dadurch drücken, aber das niedrige Preisniveau zwingt Saudi Arabien zu diesem Schritt. So hat Biden wirtschaftlich betrachtet einen genialen Schachzug vollzogen. In China steigen die Zahlen der Corona-Infektionen, die Lockdown-Maßnahmen werden ausgeweitet und die ganze Welt fürchtet konjunkturelle Auswirkungen der Null-Covid-Politik. Der Ölpreis bricht ein, nicht nur wegen des Gerüchts um Saudi Arabien, sondern auch wegen der Lockdowns in China. Meine Meinung: Chinas Präsident Xi ist wiedergewählt. Er kann sich nun der Problemlösung widmen und muss nicht mehr taktieren. Null-Covid lässt sich als Strategie in den ersten Tagen einer Pandemie erfolgreich umsetzen, oder aber am Ende, um die letzten Infektionen auslaufen zu lassen. In China befinden wir uns mitten im Infektionsgeschehen und auch die härtesten Lockdowns führen nicht mehr zum Erfolg. Früher oder später wird Xi von der Null-Covid-Politik abrücken müssen, denn die wirtschaftlichen Schäden nicht nur für die globale Konjunktur, sondern insbesondere für seine eigene Bevölkerung, werden nicht mehr tragbar sein. Heiße Aktie für den Zeitpunkt des Abrückens von der Null-Covid-Politik: Adidas! Mehr dazu siehe Leserfragen, ein Leser hat es kurz und prägnant zusammen gefasst. Wochenperformance der wichtigsten Indizes INDIZES (24.11.22) Woche Δ Σ '22 Δ Dow Jones 34.362 2,0% -5,4% DAX 14.541 0,8% -8,5% Nikkei 28.283 1,4% -1,8% Shanghai A 3.251 0,1% -14,8% Euro/US-Dollar 1,04 0,6% -8,2% Euro/Yen 144,73 -0,1% 10,7% 10-Jahres-US-Anleihe 3,72% -0,09 2,21 Umlaufrendite Dt 1,92% -0,14 2,20 Feinunze Gold $1.753 -0,1% -3,9% Fass Brent Öl $84,24 -2,5% 6,9% Kupfer $8.051 -1,0% -16,9% Baltic Dry Shipping $1.242 1,1% -44,0% Bitcoin $16.503 -0,5% -64,9% | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
|