Alt 19.06.15, 12:31
Standard Drama mit ungewissem Ausgang – Nächster Akt: Kapitalverkehrskontrollen
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Viel wird in diesen Tagen von einem Poker um die griechische Zukunft gesprochen und geschrieben. Bei einem Pokerspiel allerdings behält jeder Spieler seine Karten bis zum Schluss auf der Hand und erst im sogenannten Showdown wird entschieden, wer den Pott in der Mitte gewinnt. Im Poker um die griechischen Schulden aber hat ein Spieler seine Karten in den vergangenen Monaten schon offen auf den Tisch gelegt. Die europäischen Geldgeber haben einen entscheidenden Fehler begangen. Sie haben das Szenario Grexit von vornherein nicht als Option zugelassen, was ihr Gegenspieler, die griechische Regierung, brillant ausgenutzt hat. Premier Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis haben ihre Strategie des Hartbleibens und des „Nicht nachgeben wollen“ konsequent durchgezogen und sie werden, davon ist auszugehen, auch in der aktuellen Zuspitzung diesen Kurs beibehalten.

Griechenland-Drama wird die Märkte noch eine Weile beschäftigen

Dass die EU nun versucht, ihre offenen Karten wieder vom Tisch zu nehmen, was sich dann in solchen Formulierungen wie „Es gibt kein Verbleib in der Eurozone um jeden Preis“ widerspiegelt, ist zwar ein netter Versuch, die Hoheit am Pokertisch zurückzugewinnen, aber dürfte schon jetzt zum Scheitern verurteilt sein. Dafür ist schon zu oft von der letzten Chance, dem letzten Ultimatum und den „Schicksalstagen“ für Griechenland und die Eurozone gesprochen worden, der Trumpf ist ausgereizt. Noch ist nicht genau zu sagen, wie lange dieses Spiel noch gehen wird. Aber eines scheint mir ziemlich sicher, einen Grexit werden wir weder an diesem Wochenende und auch nicht zum vermeintlichen Stichtag am 30.Juni erleben. Deshalb wird dieses Drama in unzähligen Akten auch die Finanzmärkte noch eine ganze Weile beschäftigen und beunruhigen.

Kapitalflucht aus dem Land beschleunigt sich

Der nächste Akt allerdings könnte in den kommenden Tagen zur Aufführung kommen, wenn die Griechen aus Angst vor weiteren Kapitalabflüssen diese Entwicklung durch Kapitalverkehrskontrollen zu verhindern versuchen. Nach Abbruch der Verhandlungen am Wochenende flossen aus Griechenland allein am Montag 700 Millionen Euro ab, seit Dezember vergangenen Jahres hat das griechische Bankensystem Einlagen in Höhe von rund 30 Milliarden Euro verloren. Nun darf munter darüber spekuliert werden, wie viel flexibles Kapital vor allem der Reichen des Landes nach mehreren Monaten nah am finanziellen Exodus noch auf den Konten verblieben ist und ob nur noch der kleine Mann auf der Straße in Panik versetzt werden kann, der wegen der kleinen Beträge von solchen Kontrollen nicht betroffen wäre. Aber allein die Tatsache, dass jetzt offen über solche Kontrollen spekuliert wird und das nun auch bei den bislang relativ ruhig gebliebenen griechischen Bürgen ankommt, dürfte nicht ohne Folgen bleiben. Erhöhten sich die täglichen Abflüsse nun auf eine Milliarde Euro pro Tag, wären die Kassen bei einem aktuellen Einlagenbestand des griechischen Bankensystems von 130 Milliarden Euro in gut vier Monaten leer.

Die Geduld mit den Griechen ist am Ende

Noch stützt die Europäische Zentralbank mit ihren ELA-Krediten das griechische Bankensystem vor dem Exodus. Und das wird sie auch weiter tun, den sie will nicht diejenige sein, die über eine Zukunft der Griechen innerhalb oder außerhalb der Eurozone entscheidet. Das soll dann schon die Politik tun, die wiederum aber im Moment selber nicht genau weiß, was richtig ist. In den Regierungsfraktionen des Deutschen Bundestages, welcher möglichen Hilfen noch bis Ende Juni zustimmen muss, schwindet die Mehrheit der uneingeschränkten Unterstützer und Befürworter eines Verbleibs der Griechen in der Eurozone. Und dass der deutsche Bürger zwar gern auf Kreta und Korfu Urlaub macht, nun aber am liebsten den Geldhahn für die Griechen zu drehen und sie aus dem Euro schmeißen will, ist zwar nicht sonderlich überraschend, aber Politiker werden nun mal von den Bürgern gewählt, und da ist ökonomischer Sachverstand oft nur zweitrangig.

Beide Seiten stecken aber in einem Dilemma

Bemüht man diesen ökonomischen Sachverstand allerdings, kommt man durchaus zu einem ähnlichen Ergebnis. Nein, Europa darf nicht klein beigeben, wenn es um die Reformbereitschaft und den Sparwillen der Griechen geht. Und sicher sind Rentenkürzungen der schon armen alten Griechen nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber wenn einem das Wasser tatsächlich bis zum Hals steht, gibt man alles dafür, wieder mehr Boden unter die Füße zu bekommen. Aber genau diesen Eindruck machen die stets gut gelaunten Herren Tsipras und Varoufakis eben gerade nicht. Müssen sie auch nicht, denn sie kennen ja die nicht gerade überzeugenden Karten der Europäer und wissen um deren Dilemma. Und sie haben ihren Wählern einiges versprochen, was geradezu konträr zu dem läuft, was die Europäer wollen. Also stecken beide Seiten in einem Dilemma. Bei der Deutschen Bahn würde man jetzt in die achte oder neunte Streikrunde gehen und nach einem Schlichter rufen. In der Causa Griechenland aber gab es schon so viele Schlichter, man ist aber nicht wirklich vorangekommen. Und so wird wohl noch eine ganze Weile und damit auch über das „letzte entscheidende“ Wochenende hinaus, in einem für die Zukunft Europa so wichtigen Poker von beiden Seiten weiter taktiert. Von einem Showdown in Brüssel oder Athen sind wir noch ein ganzes Stück entfernt. Und von einem Sieger allemal.


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