Alt 02.06.17, 23:23
Standard So tickt die Börse: Klimaschutz wird zur Überzeugungssache, jeder Vierte verdient zu wenig zum Leben
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Okay, US-Präsident Donald Trump hat den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen verkündet. Es handelt sich um einen populistischen Schritt mit Signalwirkung, aber ohne besondere wirtschaftspolitische Folgen. Das Pariser Abkommen verpflichtet die 195 Unterzeichner, sich selbst klimapolitische Ziele zu setzen. Obama hatte für die USA bis 2025 das Ziel einer Reduktion der Treibhausgase von 26% unter das Niveau von 2005 gesetzt. Dieses Ziel kann Trump jederzeit streichen, modifizieren oder einfach ignorieren. Ein Austritt aus dem Pariser Abkommen ist dazu nicht erforderlich.

Gleichzeitig ist die Vermeidung von Treibhausgasen inzwischen ein Selbstläufer geworden, der eine gigantische Industrie nährt. Diese Industrie der erneuerbaren Energien, insbesondere Wind und Solar, wird aufgrund der Entscheidung von Trump nicht plötzlich verschwinden. Im Gegenteil, Unternehmen werden unvermindert weiter Geschäfte machen und die Politik, die auf US-Ebene nun gescheitert ist, wird auf lokaler Ebene fortgesetzt.

Hinter der Entscheidung Trumps stecken meiner Einschätzung nach im Wesentlichen zwei Beweggründe: Zum einen bringt er damit einen Großteil seiner Wählerschaft wieder hinter sich. Die Liste der Fehlschläge seit seiner Amtsübernahme ist lang, dieses Wahlversprechen kann er umsetzen, ohne dabei von Gerichten und Senat gestoppt zu werden.

Der zweite Grund liegt in dem kapitalistischen Grundverständnis der Amerikaner. Der Markt, so die Überzeugung der Anhänger der freien Marktwirtschaft, findet stets die BESTE Lösung. Wenn der Staat schon eingreifen muss, dann vielleicht in Forschung und Entwicklung, niemals aber in den Markt selbst.

So ist es dieser Ansicht zufolge durchaus vertretbar, Fördergelder für Unis und Unternehmen auszuloben, um gewünschte Technologien zu entwickeln. Die Markteinführung solcher Entwicklungen sollte man dann jedoch tunlichst findigen Unternehmens überlassen. In den Markt darf der Staat nicht eingreifen, so das amerikanische Selbstverständnis.

An diesem Verständnis lässt sich wunderbar der Unterschied zu Deutschland aufzeigen: Auch wir investieren stark in die Forschung und Entwicklung. Viele Innovationen stammen aus Deutschland. Nicht zuletzt die Solarenergie wurde in Deutschland entwickelt. Doch zur Marktreife, also zu wettbewerbsfähigen Preisen, hat es in Deutschland nach der wiederholten Pleite von der Solarworld kein einziges Unternehmen geschafft. Mit First Solar sitzt der größte Anbieter der deutschen Dünnschicht-Technologie in den USA.

Das Auto wurde in Deutschland erfunden, aber erst Henry Ford hat es für den Massenmarkt tauglich gemacht. Eine ähnliche Entwicklung erleben wir nun mit dem Elektroauto, das von Tesla massentauglich gemacht wird, nicht von VW. Ich möchte mit diesen Beispielen zeigen, wie tief verwurzelt in den USA der Glaube daran ist, dass Innovationen durch findige Unternehmer auf den Markt gebracht werden. Der Staat hat dort nichts zu suchen.

Das Klima-Abkommen von Paris zwingt jedoch viele Nationen, in ihre Märkte steuernd einzugreifen, um Treibhausgase zu reduzieren. Hier wird nicht in die Entwicklung neuer Technologien investiert, sondern durch Strafzölle und Subventionen direkt in den Markt eingegriffen. Diesem Ansatz liegt die Überzeugung zugrunde, dass der weltweite Markt nicht funktioniert, um menschengemachte Klimaveränderungen zu verhindern oder gar umzukehren.

Trump sagt, wenn die Menschen das wollen, dann werden sie die erforderlichen Technologien einsetzen. Er akzeptiert dabei nicht die Überzeugung von 194 Ländern, dass dieser Marktmechanismus in diesem Fall nicht funktioniert.

Trump beruft sich darauf, von den Menschen aus Pittsburgh und nicht von den Menschen aus Paris gewählt worden zu sein. Dies zeigt seine Bauchnabelpolitik, die jegliche Verantwortung für das eigene Tun über die eigenen Grenzen hinaus abtut. Witzig ist dabei, dass er gerade in Pittsburgh mit 39,5% der Wählerstimmen seiner Konkurrentin Hillary Clinton unterlag, sie holte dort 55,9% (keine Ahnung, warum der Bürgermeister von Pittsburgh von 80% spricht, ggfls. hat er ein ähnliches Verständnis von Fakten wie Trump).

Die Folge dieser Entscheidung: Klimapolitisch meiner Einschätzung nach gering, geopolitisch manövriert Trump seine USA weiter ins Abseits, wirtschaftlich werden die USA von günstigen Energiepreisen profitieren, stärkeres Konjunkturwachstum ist in Sicht. Und wenn die Konjunktur stärker wächst, dann verdienen Menschen und Unternehmen mehr und haben vielleicht am Ende mehr Geld übrig für den Klimaschutz ...


FAKTENCHECK ARBEITSLOSENSTATISTIK

Die Arbeitslosigkeit in Deutschland entwickelt sich weiter zurück, die Arbeitslosenquote beträgt nur noch 5,7%. dennoch habe ich immer wieder das Gefühl, dass viel mehr Menschen Probleme haben, ihr Auskommen selber zu verdienen. Ich habe mir die Zahlen daher einmal näher angeschaut.

Deutschland hat derzeit 82,8 Mio. Einwohner, niemals zuvor wohnten so viele Menschen in Deutschland wie Ende 2016. Per Ende April waren über die Hälfte davon, genau 43,98 Mio. Menschen, in Deutschland erwerbstätig. Nach den gestern veröffentlichten Zahlen sind 2,5 Mio. Menschen arbeitslos, also 5,7%. Das ist schon nah an der "Sockelarbeitslosigkeit" von 4%, die es eigentlich immer allein durch Jobwechsel und gewollte Auszeiten gibt.

Mich macht jedoch stutzig, dass in der Arbeitslosenstatistik von 699.000 Beziehern von Arbeitslosengeld I (ALG I, Lohnersatzleistungen) und weiteren 4,4 Mio. Beziehern von ALG II (Sicherung des Lebensunterhalts) gesprochen wird. Insgesamt beziehen also 11,6% der Erwerbstätigen in Deutschland Arbeitslosengeld, sind aber nicht alle arbeitslos. 11,6% klingt schon ganz anders, oder?

Von den 43,98 Mio. Erwerbstätigen sind nur 31,93 Mio. sozialversicherungspflichtig. 2,63 Mio. haben neben ihrem sozialversicherungspflichtigen Job einen Nebenjob, stocken also ihr Einkommen auf. Ich leite daraus ab, dass ihr Hauptberuf nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Wenn ich nun also einmal schaue, dass von den 31,93 Mio. sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen 2,63 Mio. ihr Einkommen aufstocken müssen, bleiben 29,3 Mio. Erwerbstätige in Deutschland, die allein für ihren Lebensunterhalt sorgen können.

3,28 Mio. sind selbständig, fallen somit aus dem Sozialversicherungssystem heraus. Weitere 4,72 Mio. sind geringfügig entlohnt beschäftigt (Minijob bis mtl. 450€), zahlen also ebenfalls keine Sozialabgaben. Und nochmals 78.000 der ALG II-Bezieher befinden sich in Arbeitsgelegenheiten, zählen also auch nicht als arbeitslos. Addiere ich die beiden letzten Gruppen zur Arbeitslosigkeit von 2,5 Mio. hinzu, so erhalte ich 7,3 Mio. Menschen in Deutschland, die zwar teilweise beschäftigt sind, aber nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Im Verhältnis zu den 29,3 Mio., die das können, sind also 25% der Erwerbstätigen in Deutschland nicht in der Lage, ausreichend zu verdienen. Jeder vierte Erwerbstätige in Deutschland wird direkt subventioniert.

Ist das nun ein Plädoyer für höhere Löhne, um den Menschen ein Auskommen zu ermöglichen, oder für niedrigere Löhne, um mit Wirtschaftswachstum mehr Arbeitsplätze zu schaffen? Ab hier verlassen wir die Fakten und ich kann nur meine Meinung nennen: Insbesondere vor dem Hintergrund der oben angeführten Systemunterschiede zwischen den USA und Deutschland bringt mich zu der Überzeugung, dass wir hier in Deutschland höhere Löhne benötigen. Die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre hat der Wirtschaft gut getan, nicht aber den Menschen. Die Menschen sind nicht in der Lage, neuen Innovationen wie dem Elektroauto oder der Solarenergie durch eigene Überzeugungskäufe zum Durchbruch zu verhelfen. Das ist nur in den USA möglich.

Schauen wir uns mal an, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich geschlagen haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (01.06.2017) Woche Δ Σ '17 Δ

Dow Jones 21.127 0,2% 6,9%
DAX 12.665 0,3% 10,3%
Nikkei 19.860 0,2% 3,9%
Shanghai A 3.249 -0,2% 0,0%
Euro/US-Dollar 1,12 0,0% 6,5%
Euro/Yen 124,86 -0,4% 1,5%
10-Jahres-US-Anleihe 2,23% -0,03 -0,22
Umlaufrendite Dt 0,11% -0,08 0,12
Feinunze Gold $1.266 0,9% 9,9%
Fass Brent Öl $51,24 -1,0% -9,6%
Kupfer 5.636 -0,5% 3,9%
Baltic Dry Shipping 850 -7,4% -8,4%



Trump verkündet den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und wenige Minuten später erklimmen Dow Jones, S&P 500 sowie Nasdaq neue Allzeithochs. Das ist ein ziemlich klares Statement der Wirtschaft zu diesem Schritt.

Auch der DAX erklimmt heute früh, während ich schreibe, ein neues Allzeithoch. In Japan hat der Nikkei heute Nacht zum ersten mal seit zwei Jahren wieder die 20.000er Marke übersprungen. Die Seitwärtsbewegung der vergangenen vier Wochen könnte damit enden.

Der Wechselkurs USD/EUR ringt noch um eine Richtung. Nach einem Verfall des USD infolge der Probleme Donald Trumps und einem Anstieg des Euros nach dem Wahlsieg Macrons pendelt das Wechselpaar nun seit vier Wochen seitwärts. Der Weg Donald Trumps könnte die US-Wirtschaft so stark unterstützen, dass das Ende der US-Dollarstärke nochmals um ein paar Jahre verschoben werden könnte. Sprich: In den vergangenen Monaten hatte sich langsam die Überzeugung durchgesetzt, dass nun ein Aufschwung des Euros zu erwarten ist. Doch dieser Aufschwung, der den Wechselkurs seit dem Amtsantritt Donald Trumps von 1,04 auf 1,12 hievte, könnte nun ins Stocken geraten oder sich schlimmstenfalls wieder umkehren. Ich würde derzeit zumindest keine Wette eingehen, egal in welche Richtung.

Die OPEC wird nicht in der Lage sein, den Ölpreis zu bestimmen. Entsprechend ist der Ölpreisanstieg der Vorwochen inzwischen wieder ausradiert.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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