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Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
die Wahl in Griechenland nahm mit dem Sieg von Syriza den auch von den Börsen erwarteten Ausgang. Die Kurse reagierten daher kaum auf dieses Ereignis. Selbst der Euro stabilisierte sich nach den Verlusten der Vorwoche. EZB-Beschluss ist wichtiger als die Wahl in Griechenland Und so bleibt uns Zeit, einen Blick auf ein anderes Ereignis zu werfen, das sowohl kurz- als auch langfristig erheblich mehr Bedeutung für die Märkte haben dürfte: das in der vergangenen Woche beschlossene Anleihekaufprogramm der EZB. Die für die Märkte wichtigen Eckpunkte des Programms sind der monatliche Umfang von 60 Milliarden Euro, der im Zeitraum von März 2015 bis mindestens (abhängig von der Inflationsentwicklung) September 2016 zum Tragen kommen soll. Das Programm hat also ein Gesamtvolumen von mindestens 1.140 Billionen Euro bei mindestens 19 Monaten Laufzeit. Damit ist es vergleichbar mit dem bisher letzten Kaufprogramm der Fed („QE3“), das von September 2012 bis Oktober 2014 lief. Im Vergleich mit den anderen entsprechenden Maßnahmen der Fed seit 2008 zeigt sich auch, welche Wirkungen dieses Programm auf die Märkte haben dürfte (siehe folgender Chart): Die Liquiditätsprogramme der Fed sorgten für steigende Aktienmärkte Prinzipiell zeigt sich, dass die Aktienmärkte (im Chart ist die Kursentwicklung des S&P 500 gezeigt) während der Laufzeit der Programme ansteigen. Das liegt – so die Befürworter solcher Programme – zum einen daran, dass die über die Banken ins System gepumpte Liquidität zu einem Teil natürlich auch direkt in den Aktienmarkt fließt. Zum anderen stopften die Banken mit diesem Geld zweifellos auch Löcher, welche die Finanzkrise in ihre Bilanz gerissen hat. Das verhindert, dass sie bei Neukrediten allzu restriktiv agieren mussten. (Tatsächlich stiegen z.B. Auto- und Studentenkredite, aber auch Finanzierungen für Luxusimmobilien in den vergangenen Jahren überproportional an.) In der Summe führte das dazu, dass sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt nach der Krise mehr und mehr erholten. Dementsprechend stiegen auch Umsätze und Gewinne der Unternehmen, so dass die Bewertung des Aktienmarktes wenigstens halbwegs mit den steigenden Kursen mithalten konnte. Inwieweit diese unterstellten positiven Effekte der QE-Programme der Fed auch von dem nun verkündeten EZB-Programm zu erwarten sind, bleibt vorerst dahingestellt. (In unserem Jahresausblick 2015 haben wir z.B. eine Abschätzung vorgenommen, wonach in den vergangenen Jahren allein der Boom der US-Fracking-Industrie für einen Wachstumsbeitrag von bis zu 0,9 Prozentpunkten zum Bruttoinlandsprodukt der USA verantwortlich war.) Erst könnte die Konsolidierung, dann die Rally kommen Wie auch immer – wenn die Märkte erneut dem Muster des US-Aktienmarktes folgen, dann könnte uns kurzfristig (in den kommenden Wochen) eine kleine Schwäche bei DAX und Co. bevorstehen. Schließlich sind die Märkte bereits im Vorfeld der EZB-Entscheidung in Erwartung dieses Beschlusses gestiegen. Daher – und zum Abbau der kurzfristig überkauften Situation – wäre also eine kleinere Konsolidierung nun keineswegs ungewöhnlich. Dies sahen wir in den USA – zumindest nach Ankündigung von QE2 und QE3. Im Gegensatz zu QE1, das weitgehend überraschend kam (insbesondere hinsichtlich seines Ausmaßes sowie der Schnelligkeit und Entschlossenheit der Fed nach der Lehman-Pleite; siehe rote Linie im Chart), deuteten sich die beiden Folgeprogramme vorher bereits an. Das galt vor allem für QE2, das der damalige Fed-Chef Bernanke 2010 auf der Notenbankertagung in Jackson Hole ankündigte (siehe blaue Linie im Chart). Diese Ankündigung war tatsächlich eine Überraschung, weshalb die Märkte danach steil anstiegen. Dem formellen Beschluss wenige Wochen später folgte dann eine kleine Konsolidierung. Ähnlich war es zu Beginn von QE3, wobei die damals drohende „Fiskalklippe“ in den USA zusätzlich die Kurse drückte. Anders dagegen war es, als die Fed eine Aufstockung von QE1 bzw. QE3 verkündete (siehe grüne Linien im Chart). Diese zusätzlichen Mittel trieben die Märkte jedes Mal an. Brechen die Kurse nach QE stets ein? Auffällig ist allerdings, dass es nach dem Ende der jeweiligen QE-Programme stets zu einem deutlichen Einbruch der Kurse kam. Genauso wie es unklar bleibt, ob allein diese Lockerungsmaßnahmen die Kurse trieben, ist aber wohl nicht allein deren Ende für den entsprechenden Einbruch verantwortlich: 2010 belastete die Euro-Krise auch die US-Märkte und 2011 eskalierte nach dem Ende von QE2 der Haushaltsstreit in den USA, der in der Bonitätsabstufung der USA gipfelte. Der Einbruch vom Oktober 2014 und die aktuelle Schwäche des US-Aktienmarktes kamen jedoch ohne derartige „Nebeneffekte“ zustande. Dafür war jedoch das Ende von QE3 lange zuvor (im Dezember 2013) angekündigt worden und im Gegensatz zu den Vorgängerprogrammen lief es schrittweise aus. Auch in Europa ist eine Fortsetzung der Rally möglich Dennoch gilt: Derartige Liquiditätsmaßnahmen der Notenbanken haben in der Regel positive Effekte auf die Aktienmärkte. Das gilt insbesondere dann, wenn – wie aktuell – gleichzeitig die Zinsen extrem niedrig und damit alternative Anlagen rar sind. Insofern könnte die momentane Schwäche des US-Marktes weniger mit dem Ende von QE3 der Fed zu tun haben als mit dem Start von QE1 der EZB: US-Anleger schichten einfach vom Dollar- in den Euroraum um. Eine solche Umschichtung macht auch der niedrige Eurokurs attraktiv, denn dadurch erhalten die US-Anleger mehr Euro-Aktien für ihre Dollars. Das Anleihekaufprogramm könnte also aus verschiedenen Gründen eine neue Rallystufe beim DAX zünden. Für dieses Szenario spricht natürlich vor allem auch der nachhaltige Ausbruch über das Allzeithoch und damit die Beendigung der seit Oktober 2013 andauernden Seitwärtsbewegung. Mit besten Grüßen Ihr Torsten Ewert PS: Wenn Sie wissen wollen, wie diese Aussichten zu unserem Szenario für 2015 passen und welche belastenden oder unterstützenden Faktoren in diesem Jahr außerdem noch auf die Börsen wirken werden, dann erwerben Sie unseren Jahresausblick 2015. | ||
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