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Müssen wir jetzt schon wieder über den Brexit sprechen? Da ist der DAX um 4,2% angesprungen und der Heibel fängt wieder mit dem Brexit an? Ist das Thema an den Aktienmärkten nicht längst durch??
Ich fürchte nein. Es gibt Stimmen, die sehen in den ganzen chaotischen Entwicklungen die strategisch gewollte Bewegung in Richtung Exit vom Brexit. Es gibt andere Stimmen, die sehen darin einmal mehr den Beweis dafür, dass Europa handlungsunfähig ist. Gelähmt durch die Demokratie und ein übersteigertes Konsensbestreben. Einer der Gründe, warum der DAX nicht mit dem Dow Jones mithalten kann. Egal wie die Entscheidung ausfallen wird, so könnte man derzeit meinen, Anleger sind froh, dass das Brexitchaos bald ein Ende haben wird. Das könnte zumindest vorläufig stimmen, denn selbst im Falle einer Verschiebung wäre der Druck erst einmal aus dem Kessel. Und das ist wichtig für die anstehenden Wochen: Wir laufen auf eine sehr wichtige Berichtssaison zu. Das erste Quartal 2019 ist zu Ende, Unternehmen schubsen ihre Zahlen zurecht und schon nächste Woche wird es in den USA mit den ersten Quartalsberichten losgehen. Wir erinnern uns: Die Prognosen für dieses Quartal wurden überwiegend zum Jahreswechsel ausgestellt. Damals war die Zinspolitik noch höchst ungewiss und der Handelsstreit mit China drohte zu eskalieren. Derzeit zeichnen sich aber Lösungen ab, so dass die Unternehmensprognosen meiner Einschätzung nach wieder mehr Zuversicht ausstrahlen können, während man gegebenenfalls die Q1-Zahlen als einmaligen Ausrutscher einordnet. Derweil läuft an den Aktienmärkten eine gigantische Rotationsbewegung: Die Konjunktursorgen ebben ab und entsprechend werden zyklische Industrieaktien nach oben gejubelt (+6,6%). Auch die Autowerte (+8,7%) und Chemiewerte (+6,2%) haben diese Woche von den nachlassenden Konjunktursorgen profitiert. Größte Gewinner sind Dr. Hönle (+15%) und Aixtron (+13%), Hella (+16%) und Leoni (+17%). Bei Leoni kann es sich meines Erachtens nur um eine heftige Erholungsbewegung im übergeordneten Abwärtstrend handeln, denn nach 75% Kursverlust ist ein Kursgewinn von 17% nicht wirklich eine Trendwende. Auf der anderen Seite hinkten Immobilienwerte mit +1,4% hinterher. Und der Einzelhandel (-0,5%) wurde sogar gegen den positiven Markttrend ausverkauft. Größte Verlierer sind dort Zooplus (-7%) und Steinhoff Holding (-8,3%). Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (04.04.19) Woche Δ Σ '19 Δ Dow Jones 26.409 2,2% 14,5% DAX 12.010 4,2% 13,7% Nikkei 21.808 2,8% 9,0% Shanghai A 3.401 5,0% 30,2% Euro/US-Dollar 1,12 0,0% -2,0% Euro/Yen 125,32 0,8% -0,7% 10-Jahres-US-Anleihe 2,50% 0,09 -0,23 Umlaufrendite Dt -0,06% 0,07 -0,16 Feinunze Gold $1.292 -0,2% 0,9% Fass Brent Öl $69,98 2,3% 34,0% Kupfer 6.482 2,3% 7,7% Baltic Dry Shipping 699 1,0% -45,0% Bitcoin 4.955 22,6% 26,3% Nicht nur DAX und Dow Jones konnten diese Woche zulegen, auch der japanische Nikkei (+2,8%) und der chinesische Festlandindex Shanghai A (+5%) profitierten von abflauenden Konjunkturängsten und aufkeimender Hoffnung auf einen Verhandlungserfolg. Die Rendite in Deutschland und in den USA konnte sich vor diesem Hintergrund wieder erholen: Die Umlaufrendite verkleinerte ihren Negativzins auf -0,06%, die US-Staatspapiere erholten sich um 0,09%punkte auf 2,5%. Der Bitcoin ist von 4.000 auf 5.000 USD gesprungen. Als Auslöser wird ein Aprilscherz genannt: Die US-Börsenaufsicht SEC habe zwei Bitcoin-ETFs genehmigt, hieß es und schon begann der Bitcoin zu fliegen. Doch so leicht ist das nicht: Erstens ist der Kurs, seit der Aprilscherz aufgedeckt wurde, nicht wieder zurückgekommen und zweitens gibt es eine ganze Reihe von Entwicklungen, die dafür sprechen, dass dem Bitcoin wieder Leben eingehaucht wird. Punkt eins ist leicht zu erklären: Wäre der Bitcoin allein aufgrund eines Aprilscherzes um 20% angesprungen, dann würde das Dementi dieser Meldung, also die Aufklärung darüber, dass es nur ein Aprilscherz war, den Kurs umgehend wieder auf das ursprüngliche Niveau zurück holen. Die fundamentale Entwicklung, die für die 20% Wertzuwachs verantwortlich war, hat sich als Aprilscherz herausgestellt und folglich ist der Bitcoin wieder so wenig wert wie vor dem Aprilscherz, oder? Der Umstand, dass dies nicht geschehen ist, zeigt meines Erachtens aber, dass der Bitcoin eben nicht nur Phantasiegeld ist, das keinen fundamentalen Wert trägt, sondern eben doch einen Wert hat. In den vergangenen Monaten habe ich immer wieder Meldungen über weitere Einsatzmöglichkeiten des Bitcoin gelesen und über Entwicklungen in Sachen Sicherheit. Zudem steigt langsam das Wissen über den Bitcoin in der Gesellschaft. Vergessen wir mal den Hype um den Bitcoin im Jahr 2017, der den Preis auf 20.000 USD getrieben hat. Wenn wir dies als Übertreibung verbuchen, dann ist dennoch weiterhin erstaunlich, dass der Bitcoin Anfang 2017 noch unter 1.000 USD notierte und dieses Niveau auch nach der heftigen Korrektur des vergangenen Jahres nicht mehr gesehen hat: Das Tief lag knapp unter 3.000 USD. Wer also Ende 2016 in den Bitcoin investiert hat, der blickte selbst im Zenit der Korrektur noch auf eine Kursverdreifachung, heute ist es schon wieder eine Verfünffachung. Ich will den Bitcoin also nicht als Phantasiewährung abtun. Es gibt eine Entwicklung, die Bitcoin-Freaks im Auge haben: Nächstes Jahr wird das Schürfen von Bitcoins erheblich schwerer gemacht. Zuletzt 2016 wurde die Belohnung für Rechner, die Bitcoins schürften, halbiert. Die nächste Halbierung steht 2020 an und dürfte die Verknappung dieser Währung wieder verdeutlichen. Vor einem Jahr gab es Bitcoin-Schürfrechner im Überfluss. Wir haben erlebt, wie Nvidia unter diesem Überschuss gelitten hat: High-End Graphikkarten, die eigentlich für Hochleistungsrechner vorgesehen waren, um Bitcoins zu schürfen, werden noch heute auf dem Markt verramscht. Das Angebot wird also nicht mehr so stark ausgeweitet wie noch Ende 2017. Der Markt kommt, laut Nvidia, im nun laufenden zweiten Quartal wieder ins Gleichgewicht. Vielleicht ist das auch für den Bitcoin der Fall und die Anzahl der angebotenen Bitcoins übersteigt nicht mehr die Nachfrage. Hier kommt nun die Wirkung des Aprilscherzes hinzu: Berichten zufolge habe es im Anschluss an den Aprilscherz eine Kauforder für Bitcoins gegeben, die ein Volumen von 100 Mio. USD hatte. Die Order wurde auf drei Bitcoin-Börsen verteilt und zog jeweils weitere Käufe nach sich. Der Bitcoin wird nämlich zu einem großen Teil von vollautomatischen Handelssystemen gehandelt. Registrieren diese Handelssysteme ein Anstieg des Handelsvolumens, dann wird mitunter ein Algorithmus aktiviert, der das als attraktive Kaufgelegenheit identifiziert und für das eigene Bitcoin-Produkt weitere Kauforders erzeugt. So wird eine sich selbst verstärkende Nachfrage erzeugt, die beim vergleichsweise dünnen Handelsvolumen des Bitcoins eine sehr starke Dynamik entwickeln kann. Ich würde also sagen: Der Bitcoin ist nicht in die Versenkung verschwunden, sondern konnte sich nach seinem Ausflug in die Hype-Region stabilisieren, erarbeitet sich Vertrauen und wurde nach langer Bodenbildung nun auf ein neues Niveau gehievt. Ich würde nicht darauf wetten, dass der Bitcoin bald wieder zurück unter 4.000 USD rutschen muss. Wenn, dann würde ich drauf wetten, dass die Rallye noch ein wenig weiter geht - allerdings würde ich dann ein sehr enges automatisches Stopp Loss verwenden. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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