Beitrag gelesen: 9735 x |
||
52 lautet die aktuelle Ziffer des Einkaufsmanagerindex aus China. Dabei soll doch die chinesische Volkswirtschaft gegen eine Wand fahren, oder? Kreditblasen, fehlende Nachfrage der Konsumenten und eine allzu hart agierende Regierung, die wichtige Wirtschaftszweige abwürgt, sollten doch die Stimmung der Wirtschaft belasten, oder? Und bei 7,5% Wirtschaftswachstum ist nach unten noch viel Luft, ein Einkaufsmanagerindex unter 50 ist die Voraussetzung für ein weiteres Abfallen des Wirtschaftswachstums. Wie um alles in der Welt kann die Stimmung nun plötzlich ins Positive drehen, wo doch weltweit für China das Chaos vorhergesagt wird?
Hedgefonds, die auf das negative Szenario gesetzt haben, wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Genauso die Hedgefonds, die für Europa eine Rückkehr in den Krisenmodus erwarten. Die Wirtschaft in Europa entwickelt sich solide, wenn auch nicht so gut wie in den USA, aber solide. Nicht nur Deutschland zieht die Wirtschaft aus dem Sumpf, die Verbesserungen sind in vielen Club-Med Staaten zu sehen. Wie kann das sein? 40% der Gaslieferungen kommen aus Russland. Ohne russisches Gas keine Wirtschaft in Deutschland, würde ich sagen. Die Ukraine-Krise mit den US-Forderungen nach schärferen Sanktionen ist ein Spiel mit dem Feuer. Ein Spiel der Ungewißheit, was an den Börsen verhasst ist. Und dennoch notiert der DAX bei 9.800 Punkten und nur 2% unter seinem Allzeithoch. Hedgefonds, die auf eine Eskalation der Ukraine-Krise gesetzt haben, wurden bislang auf dem falschen Fuß erwischt. Oder schauen wir uns den Biotech- und Social Media Bereich an, vor dem US-Notenbankchefin Janet Yellen vor einer Woche warnte. In dem Bereich seien einige Aktien überbewertet, sagte sie. Sie meinte damit junge Biotech-Aktien wie Idenix, die am folgenden Tag durch ein Übernahmeangebot von Merck um 300% nach oben sprangen! Wenn Idenix zuvor bereits überbewertet war, wie dumm muss Merck dann sein? Oder Puma Biotech, das Unternehmen hat diese Woche Testergebnisse für ein Brustkrebsmedikament veröffentlicht. Die Aktie sprang ebenfalls um 300% in die Luft, weil diese kleine, überbewertete Bude ein Medikament gefunden hat, das im zweiten Behandlungsjahr signifikant verbesserte Behandlungserfolge erzielt. Auch hier müssen wir fragen wie Frau Yellen die Bewertung dieses zuvor überbewerteten Unternehmens nach dem 300% Kurssprung einschätzt. Nicht zuletzt können wir uns Facebook anschauen, die gestern nach Quartalszahlen auf ein neues Allzeithoch geklettert sind. Social Media zeigt der US-Notenbankpräsidentin, dass es dort Verdienstmöglichkeiten gibt, von denen sie offensichtlich keine Ahnung hat. Und das Bewertungsniveau? Ich halte Facebook noch immer für günstig bewertet. Der Umsatz ist um 61% angesprungen, insbesondere der Umsatz im mobilen Internet (Smartphones!) konnte überproportional auf 67% des Gesamtumsatzes zulegen (vor einem Jahr noch 41%). Der Gewinn ist um 116% angesprungen. Analysten erwarten für 2015 einen Gewinn je Aktie von 2,02 USD, nach den aktuellen Zahlen jedoch erwarte ich eher 3 USD je Aktie, und ich gehe davon aus, das Analysten ihre Schätzungen in den kommenden Tagen drastisch nach oben korrigieren werden. Auch erwarten Analysten für die kommenden Jahre durchschnittlich ein Gewinnwachstum von 30% p.a. Sie kennen meine Faustregel: Eine faire Bewertung ist dort gegeben, wo das KGV der Gewinnwachstumsgeschwindigkeit entspricht. Bei guten Unternehmen kann das KGV auch schon mal der doppelten Wachstumsgeschwindigkeit entsprechen. Das KGV 2015e für Facebook steht bei 25. Ich halte Facebook für ein gut geführtes Unternehmen, Gründer und CEO Mark Zuckerberg hat wiederholt gezeigt, dass er schnell auf Marktveränderungen reagieren kann und die sozialen Daten seiner Nutzer zu Geld machen kann. Ich würde ihm also durchaus das doppelte KGV zugestehen, was zu einem Kurs von 3 USD Gewinn je Aktie x 2x30 = 120 USD führt. Aktuell steht die Aktie bei 75 USD. Wenn Facebook die 61% Umsatzwachstum in Gewinn umwandeln kann, dann ist das Kursziel nochmals deutlich höher. Und denken Sie daran, derzeit wächst der Gewinn mit 116% überproportional schnell zum Umsatz. Ich kann also auch hier nicht nachvollziehen, was Janet Yellen meinte. Hedgefonds, die einen Pfifferling auf diese Aussage von Janet Yellen gesetzt haben, wurden auf dem falschen Fuß erwischt. DAX Plus 0,4%, Dow Jones Plus 0,6%? Wie kann das sein?? Wie kann der DAX bei dieser Nachrichtenlage nur knapp hinter dem Dow Jones zurückbleiben? Und wieso tauchen die Indizes nicht endlich mal ab? Schauen wir uns zunächst mal die Wochenentwicklung im Einzelnen an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (24.07.2014) | Woche Δ Dow Jones: 17.084 | 0,6% DAX: 9.794 | 0,4% Nikkei: 15.458 | 1,6% Euro/US-Dollar: 1,34 | -0,7% Euro/Yen: 136,79 | -0,2% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,49% | 0,02 Umlaufrendite Dt: 0,98% | -0,01 Feinunze Gold: $1.294 | -1,3% Fass Brent Öl: $107,22 | -1,0% Kupfer: 7.173 | 1,9% Baltic Dry Shipping: 732 | -0,8% China: Ich denke, niemand traut den Daten aus China. Das sind alles modifizierte Kennzahlen, denken die professionellen Anleger. Das dicke Ende kommt noch. Doch auf das dicke Ende kann man nicht ewig warten, und je länger der positive Nachrichtenfluss aus China anhält und je höher vor diesem Hintergrund die chinesische Börse steigt, desto weniger Argumente haben die Bären der Hedgefonds. Irgendwann verlieren die Kunden der Hedgefonds die Geduld und ziehen ihr Geld ab, wenn der Hedgefondsmanager nicht rechtzeitig die Notbremse zieht und die Short-Positionen eindeckt. Ukraine-Krise: Ich fürchte, hier hat der Finanzmarkt ein für allemal beschlossen, dass es keine negativen wirtschaftlichen Auswirkungen geben wird. Ob das noch immer richtig ist, wage ich nicht zu beurteilen. Aber anders kann ich das nach wie vor hohe Kursniveau des DAX nicht erklären. Überbewertete Biotech und Social Media Aktien: Haben sie die Börsengänge von Aliababa, Uber, Drop Box, Box, Air BNB gesehen? Ich auch noch nicht. Solange die auf sich warten lassen, bleibt das Angebot an Aktien in diesem Bereich geringer als die Nachfrage, die Kurse können weiter klettern. Dann schauen Sie sich mal die Rendite der Anleihen an: 0,98% Umlaufrendite in Deutschland, 2,49% in den USA. Ich erwarte, dass der starke Euro gegenüber dem US-Dollar nachgibt. In den USA bekommen Sie derzeit also die zweieinhalbfache Rendite und zusätzlich die Aussicht auf eine steigende Währung. Dieses Missverhältnis, das besonders deutlich wird, wenn Sie sich die 2,42% Rendite der vergleichbaren italienischen Anleihen anschauen, drängt das Kapital weiterhin in Aktien, insbesondere bei europäischen Anlegern. Als sicherer Hafen stehen die USA derzeit in meinen Augen besser da als Italien, dennoch muss die USA mehr Zinsen zahlen als die Italiener. Die niedrige Umlaufrendite in Deutschland ist wiederum ein Zeichen für das Sicherheitsbedürfnis der Anleger. Und bei einem Niveau unter 1% überlegen sich viele Anleger, ob man da nicht lieber ein paar solide Aktien mit passabler Rendite kauft. Auch das dürfte ein Grund sein, warum sich der DAX so gut hält. An der Front der Quartalsergebnisse herrscht in diesen Tagen pure Verwirrung: Noch nie gab es so viele Kurssprünge nach Quartalszahlen wie in dieser Woche. Leider ist das Verhältnis der Kurssprünge nach oben zu denen nach unten ausgeglichen, wir können also keinen Trend ausmachen. Es zeigt jedoch, dass Unternehmen eins ums andere mit Überraschungen aufwarten. Die jüngste Überraschung kam letzte Nacht von Amazon.com. Der Online-Versandhändler veröffentlichte gestern einen größeren Verlust als von Anlegern erwartet. Die Aktie wird heute ausverkauft, aktuell liegt sie mit 11,5% im Minus. Der Grund ist meiner Ansicht nach nicht nur in dem schwachen Gewinn zu finden, sondern in der Arroganz des Managements. Gründer und CEO Jeff Bezos ist dafür bekannt, dass er mit Amazon die ganze Welt erobern möchte. Er investiert wie kein anderer in immer neue Versandzentren, um Lieferungen am gleichen Tag zu ermöglichen, Lieferungen aus der Luft oder Lieferungen von verderblichen Nahrungsmitteln. Er investiert in immer neue Technologien, um den Absatz von Büchern anzukurbeln (Kindle Fire), um den Absatz des Versandhandels anzukurbeln (Amazon Fire, Verkaufsstart heute!) oder um neue Geschäftsbereiche zu erobern (Amazon Cloud). Ein Analyst hat gezählt, dass während der Analystenkonferenz gestern 33 mal das Wort "investieren" fiel, jedoch kein einziges Mal über den erwarteten Rückfluss, die erwartete Rendite einer Investition gesprochen wurde. Am Ende der Analystenkonferenz hatten selbst viele eingefleischte Amazon-Bullen die Geduld verloren, wie an den Kommentaren deutlich zu merken war. Jegliche Fragen werden von CEO Bezos sowie CFO Tom Szkutak ohne Inhalt beantwortet. Beispielsweise auf die Frage nach dem bekanntermaßen tobenden Preiskrieg in den Cloud-Produkten antwortet Szkutak, dass diese Schwächephase geplant oder zumindest erwartet wurde. Wie hilfreich. Zumindest hat er nicht gesagt, dass er die Schwäche begrüßt. Was für eine Auswirkung die Schwäche in der Cloud jedoch auf die gesamte Marge des Unternehmen hatte, beantwortet er nicht. Diese Kennziffer liege nicht in seinem Fokus. Nicht im Fokus liegen auch detaillierte Zahlen zum Geschäft in Europa, nicht im Fokus ist auch die Entwicklung der Gewinnmarge, die sich nach Vermutung eines Analysten verbessert haben könnte. Immerhin wurde eine Prognose für das laufende Jahr ausgegeben, aber die liege ebenfalls nicht besonders im Fokus der Geschäftsleitung. Whow. Investitionen liegen im Fokus! Ohne Rücksicht auf deren Wirtschaftlichkeit. Und die Investitionen werden sich in der zweiten Jahreshälfte noch vervielfachen, so Bezos. Worin investiert wird? Natürlich in den Ausbau des Geschäfts, oh Wunder. Konkreter wurde er nicht. Wie viel in Versandzentren geht, in das Smartphone Amazon Fire, das Tablet Kindle Fire, die Cloud, ... keine Aufschlüsselung irgendwelcher Zahlen. Ich habe stets die Meinung vertreten, dass man Jeff Bezos vertrauen muss. Doch blind vertrauen möchte ich nicht, daher habe ich Amazon nicht in unser Portfolio geholt. 21% Umsatzwachstum bei 1 Mrd. Umsatz ist schon bemerkenswert, das schaffen nur wenige andere Unternehmen. Aber die Arroganz, mit der dieses Management jegliche Informationen seinen Anlegern vorenthält, ist schon erschreckend. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass Jeff Bezos weiß, was er macht. Doch Google, Facebook und Apple haben eine ähnlich gute Geschäftsentwicklung, bessere Gewinnmargen und eine transparentere Unternehmenskommunikation. Warum also das Risiko mit Amazon eingehen? Vermutlich wird die Aktie von Amazon in einem Jahr wieder deutlich höher stehen als heute. Doch es ist eine Wette auf einen Zauberer Bezos, der sich nicht in die Karten schauen lässt. Und wir werden niemals wissen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem er sich übernommen hat. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
|