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In der abgelaufenen Woche wurde ein statistischer Meilenstein erreicht: Die jüngste Corona-Zählung in Deutschland hat erstmals ergeben, dass es hierzulande inzwischen mehr Corona-Experten gibt als Corona-Infizierte.
Ich weiß nicht, wie ich in diesem Zusammenhang auf die Bundesliga komme. Dort sitzen Millionen Trainer derzeit gelangweilt zu Hause auf dem Sofa. Aber das soll nun ein Ende haben: ab dem 16. Mai gibt es Geisterspiele. Ich befinde mich nun in Erklärungsnot, denn mein Sohn, ebenfalls begeisterter Fußballer, darf - anders als die Profis - noch nicht Fußball spielen, nicht einmal im Freien. Zum Glück haben unzählige Fußballprofis, Trainer und Verantwortliche in der Vergangenheit immer wieder für Ereignisse gesorgt, aus deren Anlass ich die Vorbildfunktion des Profisports drastisch relativieren musste. Diesmal ziehen Politik und Sport gemeinsam an einem Strang. Ist die Bundesliga nun ein für unsere Gesellschaft wichtiges Ereignis, das Menschen in Deutschland vereint? Dann sollte die Bundesliga endlich wieder kostenfrei ausgestrahlt werden. Oder ist es in erster Linie ein gewinnorientierter Wirtschaftsbetrieb? Dann sollte das Gelaber von "Vorbildfunktion" endlich aufhören. So, jetzt nehme ich meine Trainer-Cap wieder ab. NACH HEILUNGS-HOFFNUNG NUN IMPF-HOFFNUNG Vor einer Woche berichtete ich Ihnen von den vielversprechenden Testergebnissen zu Remdesivir von Gilead. Der DAX war vor Euphorie über 11.000 Punkte gesprungen. Doch diverse Drohungen in Richtung China seitens Donald Trump holten die Aktienmärkte im weiteren Wochenverlauf wieder zurück. Gestern hat die US-Gesundheitsbehörde FDA den mRNA-Impfstoff von Moderna zu klinischen Tests der Phase II zugelassen. Moderna durchläuft die verschiedenen Entwicklungsstufen, Marktzulassungshürden und Produktionsvorbereitungen in atemberaubendem Tempo. Nie zuvor wurde ein Impfstoff auf mRNA-Basis zugelassen, Moderna bewegt sich in absolutem Neuland. Daher rechnet eigentlich jeder Experte mit zwischenzeitlichen Rückschlägen, doch die bleiben bislang aus. Schon im Frühsommer möchte Moderna die letzte klinische Testphase beginnen, die Phase III, nach deren erfolgreichem Abschluss die Marktzulassung zeitnah möglich ist. Der als optimistisch geltende Termin Herbst für die Markteinführung, und damit rechtzeitig vor der erwarteten nächsten Epidemie-Welle, rückt in greifbare Nähe. Nachdem also vor einer Woche Gilead mit Remdesivir Hoffnung auf eine erste wirkungsvolle Behandlung von Covid-19 machte, folgt nun die Hoffnung für die rechtzeitige Zulassung eines wirksamen Impfstoffes vor der zweiten Welle. Der DAX notiert heute mit 0,7% im Plus. Es handelt sich um eine Hoffnungsrallye. Es gibt bislang noch keinen Impfstoff und es gibt noch viele Stolpersteine, über die Moderna auf dem Weg zur Zulassung stolpern könnte. Mehr als ein Hoffnungsschimmer ist das also nicht. Ebenso ist auch die Entwicklung bei Remdesivir zu sehen: Es gibt auch auf dem Weg zur Zulassung von Remdesivir noch eine Reihe von möglichen Stolpersteinen. Bitte verwechseln Sie die Hoffnungsrallye nicht mit einer Lösungsrallye. MASKENBALL! WOLKENBAU ÜBERM ABGRUND TRÜBER ZEITEN So wird im Phantom der Oper der Maskenball treffend beschrieben. Die Gesichtsmaske wird in den kommenden Monaten zum Stadtbild gehören. Das Ausmaß der Folgen des Lockdowns sind noch nicht annähernd aufgedeckt, wie die immer wieder "überraschenden" Arbeitsmarktdaten eindrucksvoll belegen. Die zweite Runde bundesweiter Lockerungen nach dem Lockdown wurde diese Woche beschlossen. Für viele Bereiche bedeuten die beschlossenen Lockerungen eine große Verbesserung, wenngleich noch lange nicht von einer Normalisierung die Rede sein kann. Nachdem ich mich weiter oben darüber lustig gemacht habe, wie viele Corona-Experten es in Deutschland gibt, werde ich mich heute eines Kommentars enthalten. Schauen wir stattdessen auf die wirtschaftlichen Auswirkungen. Sowohl in Geschäften als auch in Büros und vielen weiteren Arbeitsplätzen gilt nach wie vor die Abstandsregel von 1,5m. Daraus resultieren weiterhin erhebliche Beeinträchtigungen, sei es beim Shopping, sei es bei Team-Projekten bis hin zu organisatorischen Klimmzügen in Produktionsbetrieben. Ich kann mir also kaum vorstellen, dass in den kommenden Wochen wirtschaftlich bereits wieder eine Normalisierung, geschweige denn ein Nachholeffekt erzielt werden kann. So sprechen denn auch die meisten Unternehmen in ihren Pressekonferenzen von einem erwarteten Tiefpunkt der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise im dritten Quartal (Juli bis September). Wer also glaubt, die derzeitigen Konjunkturdaten spiegeln schon annähernd das Ausmaß des Wirtschaftseinbruchs wider, der irrt. Immerhin führt die Flexibilität und Kreativität der Menschen dazu, dass alternative Lieferketten die Produktion sichern und Online-Absatzkanäle mindern den Umsatzverlust. Doch von einem Nachholeffekt im zweiten Halbjahr sind wir bislang noch weit entfernt. Die Einschränkungen dauern - wenn auch weniger strikt - länger als zu Beginn des Ausnahmezustands befürchtet. Wer noch nicht die Ausnahmesituation in Zahlen erfasst hat, der schaue sich bitte mal die Q-Zahlen von HolidayCheck an, die heute früh veröffentlicht wurden: Es wurde ein Quartalsumsatz von -5 Mio. Euro erzielt. Ein negativer Umsatz. Das heißt, das Unternehmen hat mehr Geld an Kunden ausbezahlt als eingenommen. Dieser Effekt wird sogar noch aufgeschlüsselt: nach 42 Mio. Euro Umsatz im Vorjahresquartal wurden nun nur noch 10 Mio. Euro eingenommen. Einschließlich der Rückzahlungen für Reisen, die früher bezahlt, aber nicht angetreten und entsprechend erstattet wurden, ergibt sich ein Umsatz von -5 Mio. Euro. Entsprechend können wir also davon ausgehen, dass 15 Mio. Euro für stornierte Reisen erstattet wurden. Sehr honorig von HolidayCheck den Kunden gegenüber. Vor Corona wurden 150 Mio. Euro Jahresumsatz mit einer Marktkapitalisierung von 150 Mio. Euro bewertet. Was ist HolidayCheck wert, wenn mehrere Quartale in Folge ein negativer Umsatz ausgewiesen werden muss? Egal, die EZB zahlt ja alles. KOHL HAT DIE D-MARK VERKAUFT 1992 wurden die Maastricht-Kriterien als Basis für eine europäische Währung festgelegt. Die Südländer wollten gerne die starke D-Mark haben und waren zu weitreichenden Zugeständnisse bereit. So etwa auch die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Die drei Maastricht-Kriterien galten seitens Deutschlands als elementar für eine feste Währung, die von einer unabhängigen Notenbank administriert wird, um Konflikte zwischen Fiskal- und Geldpolitik frühzeitig zu vermeiden. Ich habe damals VWL in Würzburg studiert und erinnere mich, wie unser VWL-Prof. Berthold sichtlich verärgert die Vereinbarung vorstellte: Was, wenn jemand ein Kriterium bricht? Was, wenn sich einige Länder nicht daran halten? Es gibt keinen Sanktionsmechanismus und mangels Sanktionsmechanismus werden solche Länder niemals mehrheitlich zu einer Kurskorrektur gezwungen werden können. Bundeskanzler Kohl ist in diesem letzten - vermeintlich kleinen - Mosaiksteinchen unseres Geldsystems eingeknickt. Und genau dieser fehlende Sanktionsmechanismus ist die Ursache der frühen Skepsis gegenüber dem Euro, der fortwährenden Streitereien zwischen Süd- und Nordeuropa, dessen Streit diese Woche in einem historisch wichtigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. In Deutschland sind wir überzeugt, dass fiskalpolitische Disziplin wichtig ist, um Politiker daran zu hindern, durch Steuerversprechen Wahlen zu gewinnen, um anschließend die Staatsverschuldung in ungeahnte Höhen zu schrauben. Politiker sind davon überzeugt, dass sie den Willen des Volkes zu einem guten Teil umsetzen müssen, auch wenn dies eine höhere Verschuldung nach sich zieht. Für die Finanzen kann man - so war es in den Südländern üblich - später mit der Notenbank eine Lösung finden. Ob Währungsschnitt oder hohe Inflationsraten, irgendwie wurde die Staatsschuld auf dem Rücken der Bevölkerung abgetragen. Was ist also wichtiger: Politik oder Geld? In Deutschland haben wir es geschafft, der Politik fiskalische Handschellen anzulegen und trotzdem konnten die wichtigsten politischen Ziele bislang immer erreicht werden. In Italien war das nicht möglich. Nun sagen die Südländer, Deutschland sei ein reiches Land, weil auf dem Rücken der Südländer viel Geld verdient würde. Also könne man sich diese fiskalpolitische Disziplin leisten. Doch in Italien sei das nicht möglich, dort müssen man mit Steuergeschenken schlimmste Verhältnisse in der Bevölkerung bekämpfen. Entsprechend entwickeln sich die Staatsfinanzen seit Jahren auseinander: Während Deutschland auch in dieser historischen Krise reichlich Reserven hat, um wirtschaftliche Folgen abzufedern, reißt die Krise Länder wie Italien endgültig in den finanziellen Ruin. Spätestens seit der "Whatever it takes" - Rede des ehemaligen (italienischen) Notenbankchefs Mario Draghi gehen die Falken in Deutschland auf die Barrikaden. Nein, so die Überzeugung, die Notenbank darf den Staaten nicht rettend zur Hand gehen, sondern die Politik muss durch harte Einschnitte und Strukturreformen dafür sorgen, dass jedes Land alleine wieder aus Krisen kommt. Und so wurden die Anleihekäufe, die Draghi damals im Alleingang und entgegen unzähliger Aufschreie in Deutschland durchsetzte, in Deutschland vor Gericht gebracht. Die Frage, die gestellt wurde, lautete sinngemäß: Darf die EZB Risiken eingehen, für die Nationalstaaten später einmal asymmetrisch gerade stehen müssen? Oder greift die EZB damit mittelbar in die Staatskasse einzelner Länder ein, ohne dafür ein politisches Mandat zu haben? Zunächst enthielt sich das Bundesverfassungsgericht eines Urteils und gab das Verfahren an den Europäischen Gerichtshof ab. Dieser stellte klar, dass die EZB als politisch unabhängige Institution alles tun darf, was zur Erfüllung ihres Mandats erforderlich ist. Sonst wäre sie ja nicht unabhängig. Mit diesem Urteil im Rücken hat sich das Bundesverfassungsgericht diese Woche endlich zu der Frage geäußert: Wenn "whatever it takes" - also Anleihekäufe und somit mittelbare Staatsfinanzierung - tatsächlich zur Erfüllung ihres Mandats erforderlich sei, dann müsse diese weitreichende Entscheidung ausreichend begründet sein, damit auch Bundestag und Regierung darüber entscheiden können, ob man diesem mittelbaren Griff in den eigenen Haushaltssäckel zulasse. Immerhin können Bundestag und Regierung der Bundesbank, die durch die EZB mit der Umsetzung der beschlossenen Anleihekäufe beauftragt werden muss, untersagen, diese Weisung umzusetzen. Victor Constacio, ehemals zuständig für die inhaltliche Begründung dieser EZB-Entscheidung, twitterte umgehend seine Empörung: Wenn die Umsetzung von EZB-Entscheidungen gegen deutsches Gesetz verstoße, müsse man endlich das deutsche Gesetz anpassen. Die Reaktionen aus Italien sind wesentlich schärfer: Deutschland entziehe sich der Solidarität. Der Ausweg: Die EZB wird wohl eine Begründung nachreichen. Dafür hat ihr das Bundesverfassungsgericht drei Monate Zeit eingeräumt, diese Begründung könnte dann in Deutschland akzeptiert werden. Beim wirtschaftlichen Verständnis, das ich Mutti zuspreche, gehe ich davon aus, dass Sie dies tun wird. Als Volkswirt muss ich dem Bundesverfassungsgericht Recht geben: Ich freue mich, dass der EZB endlich Grenzen aufgezeigt werden. Nur wenn nationale Politiker, ja auch in Italien, merken, dass die Rettungsmöglichkeiten der EZB beschränkt sind, werden strukturelle Reformen umgesetzt. Eine Disziplin, die schon an Kasteiung erinnert, wie bei uns in Deutschland üblich, ist in der südländischen Politik nicht zu finden. Als überzeugter Europäer muss ich mir jedoch gleichzeitig auch die Frage gefallen lassen, was mir der europäische Frieden wert ist? Ist ein Euro, der letztlich nach südländischen Gepflogenheiten betrieben werden kann, tatsächlich der Preis für den Frieden? Ist das alternativlos, wie wir vermutlich von Mutti bald hören werden? Ich bin der Ansicht, dass ökonomisch vernünftige Systeme die Basis für eine gleichberechtigte Freundschaft sein müssen. Wenn Mutti das anders sieht, sollte sie das gut begründen. ZWEI BÖRSENWELTEN Wir haben uns in den vergangenen Wochen immer wieder mit der Unterteilung in Corona-Gewinner und Corona-Verlierer beschäftigt. Die Einteilung bleibt bestehen und ist diese Woche aktueller denn je: Aktien der Techbranche haben diese Woche um 8% zugelegt, Aktien des Gesundheitssektors um 5,5%. Hingegen treten die Aktien der Automobilbranche mit +1% und der Finanzbranche mit -2% auf der Stelle. Logistiker verloren ebenfalls 2%, der Rohstoffsektor gab 1% ab. Es gibt sie, die Corona-Gewinner! Und deren Gewinne sind so groß, dass sie den gesamten Aktienmarkt nach oben ziehen. Doch wie immer am Ende einer Rallye werden die Index-Gewinnen von immer weniger Aktien getrieben, deren Einzelgewinn immer größer wird. Morphosys sprang diese Woche um 21% an, Sartorius, Compugroup, Eckert&Ziegler sowie die Shop Apotheke um je 11-15%. Im, Techbereich legten TeamViewer, Delivery Hero, Bechtle, Cancom, Dialog Semi, S&T sowie New Work (Xing) um 8-15% an. Vielleicht sollten wir noch Einzelhandelsaktien, die technologiegetrieben sind, dazu nehmen: Zalando +16%, Hello Fresh +15% und Zooplus +17%. In den USA ergibt sich ein ganz ähnliches Bild: Peloton, Twilio, Paypal, Beyond Meat, T-Mobile, Workday, Liveperson, Mercadolibre, Fortinet, Zoom Video, Activision Blizzard, Okta, Zscaler, Crowdstrike und ServiceNow schießen in die Höhe. So ziemlich alle aufgezählten Unternehmen haben überraschend gute Q-Zahlen vorgelegt. Schauen wir mal, wie sich diese Entwicklungen auf die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich ausgewirkt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (07.05.2020) Woche Δ Σ '20 Δ Dow Jones 24.250 0,0% -15,3% DAX 10.904 0,4% -17,7% Nikkei 20.179 -0,1% -14,7% Shanghai A 3.035 1,2% -4,7% Euro/US-Dollar 1,09 -0,7% -3,0% Euro/Yen 115,59 -1,1% -5,4% 10-Jahres-US-Anleihe 0,66% 0,07 -1,28 Umlaufrendite Dt -0,55% -0,05 -0,32 Feinunze Gold $1.711 1,1% 13,2% Fass Brent Öl $30,28 20,0% -56,0% Kupfer 5.199 0,3% -16,3% Baltic Dry Shipping 514 -20,1% -52,8% Bitcoin 9.898 16,0% 35,7% | ||
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