Alt 08.07.15, 11:35
Standard Panik in China zieht Nachbarbörsen mit nach unten
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SCHANGHAI/TOKIO (Dow Jones) - Die Abwärtsspirale an den chinesischen Börsen dreht sich immer weiter. Und das obwohl Peking nicht müde wird, immer neue Maßnahmen zu ergreifen, die den Kursverfall bremsen sollen. Zunehmend wird nun auch die Nachbarbörse in Hongkong in Mitleidenschaft gezogen. Der Shanghai-Composite brach am Mittwoch um weitere 5,9 Prozent ein auf 3.506 Punkte. Zu Beginn hatte das Minus sogar über 8 Prozent betragen. Der Hang-Seng-Index in Hongkong knickte um 5,8 Prozent ein.

"Der jüngste Versuch Pekings, die Märkte zu beruhigen, bewirkt genau das Gegenteil. Die Panik weitet sich aus und die Behörden klammern sich an Strohhalme, um die Flut aufzuhalten....", kommentierten die Marktexperten von IG.

Anders als zuletzt ging die Malaise in China diesmal auch an den anderen Plätzen in Ostasien nicht spurlos vorbei, weil sie allmählich Konjunktursorgen schürt. So sind auch die Rohstoffpreise ins Trudeln geraten, aus Angst vor einem Überschwappen der Aktienmarktschwäche in China auf die Wirtschaft des Landes und damit die Rohstoffnachfrage. In Tokio verlor das Aktienbarometer 3,1 Prozent auf 19.737 Punkte. Damit liegt der Nikkei-Index erstmals seit rund drei Wochen wieder unter der psychologisch wichtigen 20.000er Marke.

An der stark von Rohstoffunternehmen dominierten Börse in Sydney gaben die Kurse im Schnitt um 2 Prozent nach. Damit wurden die kräftigen Vortagesgewinne auf einen Schlag wieder wettgemacht.

Verkauft würden selbst qualitativ hochwertige Anleihen von staatlich kontrollierten Unternehmen, berichteten Marktteilnehmer in China. Die Angst vor einem Überschwappen der Aktienmarktkrise auf die Realwirtschaft drückte außerdem den Yuan auf ein Viermonatstief zum US-Dollar. Je Dollar waren im freien Handel 6,2290 Yuan fällig - verglichen mit 6,2212 am Vortag. Gesucht war am Devisenmarkt dagegen der als Fluchthafen geltende Yen. Der Dollar kostete zuletzt 121,58 Yen und war damit so billig wie zuletzt vor fünf Monaten.

Deng Ge, Sprecher der chinesischen Finanzmarktaufsicht, sprach mit Blick auf das Kursdebakel von "Panikstimmung": "Die irrationalen Aktienverkäufe haben stark zugenommen und das sorgt am Aktienmarkt für eine angespannte Liquiditätssituation". Seit ihren Hochs am 12. Juni haben die chinesischen Indizes in Schanghai und Shenzhen rund ein Drittel an Wert verloren.

Unterdessen haben weitere Unternehmen aus Angst vor Kursverlusten ihre Aktien vom Handel aussetzen lassen. Am Mittwoch waren bereits 1.287 Aktien ausgesetzt, 45,6 Prozent der in Schanghai und Shenzhen notierten Aktien, entsprechend einer Marktkapitalisierung von 2,5 Billionen Dollar, wie aus Daten von Factset hervorgeht.

Als jüngste Maßnahme zum Stopp des Kursverfalls kündigte die zur Finanzaufsicht gehörende China Securities Finance, die Kapital für kreditfinanzierte Aktienkäufe bereitstellt, an, ihre Käufe kleinerer Aktien erhöhen zu wollen. Die Maßnahme folgt einer am Wochenende gemachten Zusage, zunächst Aktien hoch kapitalisierter Unternehmen zur Stützung des Marktes zu kaufen.

Zudem sprach die chinesische Notenbank China Securities Finance Hilfe zu, um sicherzustellen, dass das Unternehmen über genügend Liquidität verfügt. So könne China Securities unter anderem den Interbankenmarkt in Anspruch nehmen oder Anleihen ausgeben, um an Kapital zu kommen.

Ebenfalls am Mittwoch lockerten die Regulierer die Regeln für die Versicherungsunternehmen, damit diese mehr Aktien in ihre Portfolios nehmen dürfen. Außerdem wurden staatliche Unternehmen aufgefordert, keine Aktien aus Beteiligungen zu verkaufen. Die Maßnahmen Pekings bedeuteten einen Rückschritt für die eingeleiteten Liberalisierungen im vergangenen Jahr, monierte Gan Ai Mee, Investmentmanagerin bei Aberdeen Asset Management. Für das Anlegervertrauen sei das nicht gut.

"Die Anleger haben das Vertrauen verloren. Alles wird verkauft. Je riskanter die Anleihen, desto stärker verlieren sie. Mit am schlimmsten trifft es die Grundstücksentwickler", sagte Frank Huang von SinoPac Securities mit Blick auf die Verluste bei chinesischen Unternehmensbonds. Erstklassige Anleihen staatlicher Unternehmen hätten sich zuletzt zwar noch recht widerstandsfähig gezeigt, gerieten aber nun ebenfalls in den Strudel. So stiegen beispielsweise die Renditen von State Grid Corp und Cnooc um bis zu 10 Basispunkte.

Was die Akteure in China besonders beunruhigt und den Abwärtstrend noch verstärkt ist, dass der Kursabsturz vom Hoch am 12. Juni bei 5.178 Punkten ungebremst weitergeht, obwohl Peking eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen hat, um die Talfahrt zu stoppen. Zudem könnten die zunehmend verzweifelt wirkenden Schritte selbst wieder neue Risiken für das Finanzsystem heraufbeschwören, hieß es. Beispielsweise die Zusage der Notenbank, der China Securities Finance unbegrenzt Liquidität zur Verfügung zu stellen.

"Der Rettungsplan erhöht potenziell die systemischen Risiken", warnen die Analysten der Societe Generale. "Anfangs lag das von den Aktienmärkten ausgehende meiste Risiko bei den privaten Haushalten, nun gehen aber immer mehr systemisch relevante Institutionen Risiken am Aktienmarkt ein. Und das in einer Phase, in der der Markt immer noch stark unter Druck steht. Unsere größte Sorge ist, dass darunter Fortschritte bei den strukturellen Reformen leiden könnten".

Am Rohstoffmarkt fiel der Kupferpreis, der vielen als Indikator für die Weltwirtschaft gilt, auf ein Sechsjahrestief. China ist der größte Kupferverbraucher weltweit mit einem Anteil von 40 Prozent. Auch den Ölpreisen machte die Sorge vor einer nachlassenden Nachfrage aus China zu schaffen. Sie bewegten sich weiter im Bereich ihrer jüngsten Tiefs, beim Nordseeöl Brent zuletzt um 56,10 Dollar je Barrel.

Unterdessen stellte neben China für die übrigen Börsen in Ostasien die Hängepartie um Griechenland einen Belastungsfaktor dar, nachdem das Euro-Gipfeltreffen am Dienstag erneut keine Fortschritte brachte, weil Griechenland erneut keine konkreten Vorschläge für ein drittes Hilfsprogramm gemacht hatte. Nun warte der Markt gespannt auf den Sonntag und den nächsten anberaumten, angeblich diesmal wirklich entscheidenden Gipfel. Möglich sei, so Teilnehmer, dass viele Anleger im Vorfeld des Wochenendes auf Nummer sicher gehen werden und riskante Positionen abbauen.

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

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