Alt 18.12.21, 17:29
Standard So tickt die Börse: EZB außer Kontrolle
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CHRISTINE LAGARDE VERSTETIGT GELDFLUTUNG.

Corona hat zu Problemen auf der Angebotsseite geführt, nicht auf der Nachfrageseite. Durch Lieferkettenprobleme und Chipknappheit sind die Rohstoffpreise vorübergehend angesprungen, nun beobachten wir, wie sich dieser Preissprung in den Endprodukten niederschlägt. Es gibt MEHR GELD ALS GÜTER. Die Folgen der Corona-Pandemie können daher nicht durch mehr Geld gelöst werden, das hat US-Notenbankchef Jay Powell verstanden.

Bis März wird Powell das Notfallprogramm der Corona-Pandemie auslaufen lassen, die monatlich dafür zur Verfügung gestellten Summen für Anleihekäufe sinken bereits seit Oktober. Ursprünglich war ein Auslaufen für den Herbst 2022 geplant, doch diese Woche hat Powell das Tempo der Reduktionen erhöht, so dass bereits im Frühjahr Schluss ist. Kurz danach sind dann Zinserhöhungen zu erwarten, mit denen die Geldflutung langsam auslaufen werden soll.

Von derzeit 0-0,25% könnte der US-Leitzins schon Ende 2022 bei 1% stehen, bis 2024 wäre dann ein "normales" Niveau von etwas über 2% möglich. Natürlich kann von diesem Fahrplan jederzeit abgewichen werden, wenn die Konjunkturentwicklung dies erfordert. Der Volkswirtschaftsprofessor Jay Powell mit sozialer Ader weiß um die unsoziale Wirkung der Inflation und versucht sie daher zu vermeiden.

Die Juristin Christine Lagarde ist von dieser Erkenntnis weit entfernt. Als letzter Protagonist einer stabilen Währung hat Jens Weidmann kürzlich bei der EZB das Handtuch geworfen, Lagarde darf ihre Geldflutung seither nahezu unwidersprochen fortführen. Sie sieht weder eine beschleunigte Reduzierung des Pandemie-Notprogramms PEPP vor, noch überhaupt eine Reduzierung: Die genehmigten 1,85 Billionen werden bis zum März voll ausgeschöpft, die monatliche Menge an Anleihekäufen i.H.v. 70 Mrd. EUR wird unvermindert beibehalten.

Im April ist das PEPP dann ausgelaufen. Schon heute kündigt Lagarde an, das Asset Purchase Programme (APP) aus dem Jahr 2015, das zur Überwindung der Euro-Krise aufgelegt wurde, ab April von heute 20 Mrd. EUR pro Monat auf 40 Mrd. Euro auszuweiten. In Q3 2022 soll es dann auf 30 Mrd. EUR reduziert werden, ab Q4 dann nur noch 20 Mrd. EUR. Wir dürfen gespannt sein, ob es dabei bleibt.

Ziel der EZB ist weiterhin eine Inflationsrate von 2%. Vor rund einem Jahr schätzte die EZB die Inflation für das Jahr 2021 auf 0,8%, da waren entsprechende Maßnahmen bereits eingerechnet, mit denen die Inflation nach oben geschraubt werden sollte. Nun steht die Inflation für das laufende Jahr bei 2,1% und nicht bei 0,8%. Allein im November betrug die Inflation zum Vorjahresmonat in Europa sogar 4,9%. Die EZB hat sich geirrt, und zwar mächtig. Daher gibt es keinen Grund mehr für ein Festhalten an der Liquiditätsflutung.

Doch statt mit Fakten zu argumentieren, ergoss sich Lagarde gestern weiterhin in Erwartungen: Wenn auch vorübergehend eine höhere Inflation zu verzeichnen sei, so rechne man fest damit, dass ab 2024 wieder ein Wert von 1,8% erreicht werde. Daher sei das Ziel der Inflationserwartung von 2% noch immer nicht erreicht.

Für 2022 hat die EZB ihre Inflationserwartung verdoppelt. Auch für 2023 liegt der Wert deutlich über 2%. Das Jahr 2024 nun als Richtwert für die Geldpolitik heranzuziehen, halte ich für abenteuerlich.

Die Differenz zwischen Inflation und Zinsen ist derzeit negativ, eine Anomalie, die es in der Finanzgeschichte kaum gab. Die Kaufkraft des Euros verliert täglich an Wert. Insbesondere Besitzer von Barvermögen werden auf diese Weise zur Kasse gebeten, ohne dass sie es merken. Das EU-Land, in dem die Bürger die höchsten Barvermögen besitzen, heißt Deutschland. Der Grund: Immobilienbesitz ist hierzulande sehr niedrig. In den überschuldeten Südländern wird der Privatbesitz in Immobilien gesteckt, deren Wert parallel zur Inflation wächst. Der jährliche Kaufkraftverlust (Inflation abzgl. Guthabenzins auf Barvermögen) ist in Deutschland höher als die gezahlte Einkommenssteuer.

Meine Kritik: Wenn man schon Vermögen von Nord nach Süd transferiert, dann sollte man das Kind auch beim Namen nennen. Christine Lagarde ist ernannt und nicht gewählt und besitzt Möglichkeiten, die demokratisch gewählten Politikern mit gutem Grund verwehrt wurden.

NACH WIRECARD NUN S & T

Viceroy, das Researchhaus, das bereits den Wirecard-Skandal aufdeckte, hat sich nun S&T zugewandt: Das Softwarehaus aus Österreich verstecke Unternehmensbeteiligungen, über die maßgebliche Umsätze generiert würden. Außerdem würde in der Ukraine wegen Bestechung gegen S&T ermittelt werden und in China würde die Technologie von S&T genutzt, um gegen die unterdrückten Uiguren vorzugehen (Thema Gesichtserkennung).

Starker Tobak, würde ich sagen: Die Aktie von S&T ist gestern um ein Drittel eingebrochen. Schauen wir uns das Ganze mal an.

S&T ist die Mutter von Kontron. Kontron kennen wir als Anbieter von embedded Systems, also von spezialisierten Chips - ich habe sie gedanklich in den Bereich der "dummen" Chips geschoben. Gerade die dummen Chips, die für ganz spezielle Anwendungen vorkonfiguriert und optimiert sind, gibt es derzeit nicht. Die Gewinnmarge ist deutlich geringer als bei intelligenten Chips, wie sie in PCs und Servern eingesetzt werden.

Derzeit beklagt S&T entsprechend, das der Umsatz hinter den Erwartungen zurück bleibt. Man könnte viel mehr umsetzen, wenn die Chipknappheit nicht wäre, so das Management.

Es wird ein Bild vermittelt, dass S&T spezialisierte Chips für das Internet der Dinge (IoT) anbietet und nicht so viel produzieren kann wie nachgefragt wird. Unternehmen aus dieser Branche werden derzeit gerne mal mit einem x-fachen Umsatzmultipel bewertet.

S&T wurde jedoch nur mit einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von 1 bewertet, nach dem heutigen Kursverfall nur noch 0,7. Warum ist S&T so günstig?

Viceroy liefert eine Erklärung: Das Unternehmen sei ein wahllos zusammengekauftes Sammelsurium von nicht miteinander integrierbaren Tochtergesellschaften, die teils aus Insolvenzmassen heraus aufgeschnappt wurden. Häufig seien Technologien redundant im Konzern vorhanden. Die einzelnen Töchter liefern nach Überzeugung von Viceroy keine Synergien und, schlimmer noch, würden nach der Übernahme durch S&T regelhaft Umsatz verlieren. Betrugsvorwürfe seien bei den übernommenen Unternehmen an der Tagesordnung, staatliche Untersuchungen, Opfer von Hackerangriffen, Insolvenzen, ...

Entsprechende Tochterunternehmen würden nicht in der Bilanz auftauchen, obwohl S&T häufig 10% Anteil an ihnen besitze. Diese OBEs (Off Balancesheet Entities - Töchter, die nicht in der Bilanz erscheinen) würden teilweise nennenswerte Aufträge von Regierungen erhalten. Ein entsprechender Umsatz tauche jedoch ebenso wenig in der Bilanz von S&T auf, wie die Töchter selbst.

S&T hat zu den Vorwürfen kurz Stellung genommen: Man werde die Sachlage prüfen und dann in einigen Tagen ausführlich Stellung nehmen, hieß es kurz. In der Ukraine gebe es kein Verfahren gegen S&T oder eine ihrer Töchter.

Wenn ich mir eine rosarote Brille aufsetze, dann ist es durchaus möglich, dass Viceroy hier aus einer Mücke einen Elefanten macht: Übernahmen gehen ziemlich häufig in die Hose. Daraus jedoch einen systematischen Betrug abzuleiten, ist vielleicht vorschnell. Das Geschäft von S&T wächst mit 20% p.a. Da kann es durchaus Wachstumsfehler geben, die zwar dramatisch aussehen, doch letztlich nur eine Nachkommastelle betreffen. Entsprechende Zahlen, um das Ganze ins Verhältnis zu setzen, blieb Viceroy schuldig.

Doch ich wäre trotzdem vorsichtig: Viceroy habe ich seit Jahren in meiner Twitter-Liste, ich lese häufig, was die veröffentlichen. In der Regel gibt es einen Intitial-Report, der für Aufruhr sorgt. Es folgt eine Stellungnahme des Unternehmens und dann liefert Viceroy häufig noch weitere Fakten, um die eigene Position zu untermauern. In diesem Hin und Her leidet die Aktie in der Regel stark, sofern das Management nicht frühzeitig und transparent auf alle Vorwürfe eingeht.

Doch kaum ein Management ist in der Lage, so umfangreiche Vorwürfe in kürzester Zeit inhaltlich zu entkräften. Dazu müssen im eigenen Unternehmen erst einmal aufwendige Untersuchungen eingeleitet werden. Und am Ende bleibt immer etwas Schmutz an der Wand kleben, egal wie ausführlich die Vorwürfe aufgeklärt werden konnten. Man kann es auch andersherum formulieren: Es wäre doch gelacht, wenn Viceroy bei einem Unternehmen wie S&T nicht ein paar unzufriedene Mitarbeiter aufstachelt und im Verlauf der kommenden Monate nicht wirklich einige krumme Dinger präsentieren kann.

Vielleicht hat Viceroy einfach nur ein schlechtes Management erwischt: Schon Kontron hatte es nicht geschafft, ein eigentlich attraktives Geschäft erfolgreich zu führen. Die Autoindustrie, soweit ich mich erinnere, insbesondere BMW waren Kunde bei Kontron. Komisch, dass das Unternehmen nicht eigenständig überleben konnte.

Daran scheint sich nicht viel geändert zu haben, wenn ich mir die Ausführungen von Viceroy anschaue. Insbesondere der Umstand, dass S&T so niedrig bewertet ist, nährt den Verdacht, dass da doch irgendwas nicht stimmen kann. Ich wäre also vorsichtig.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (16.12.2021) Woche Δ Σ '21 Δ

Dow Jones 35.898 0,2% 17,7%
DAX 15.486 -0,9% 12,9%
Nikkei 28.546 0,4% 4,0%
Shanghai A 3.807 -0,9% 6,4%
Euro/US-Dollar 1,13 0,0% -7,9%
Euro/Yen 128,31 0,1% 1,2%
10-Jahres-US-Anleihe 1,40% -0,07 0,46
Umlaufrendite Dt -0,42% 0,00 0,14
Feinunze Gold $1.809 1,3% -4,0%
Fass Brent Öl $73,83 -1,2% 43,7%
Kupfer $9.506 -0,8% 21,3%
Baltic Dry Shipping $2.498 -25,3% 82,9%
Bitcoin $46.871 -1,8% 66,5%
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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