Alt 30.04.09, 16:58
Mit einem positiven Szenario ins Wochenende
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Erwartungsgemäß ließ die Fed die Zinsen am Mittwoch unverändert. Interessanter war da schon das Statement. In diesem heißt es im ersten Absatz:

Aus den seit der letzten FOMC-Sitzung im März eingegangenen Informationen wird ersichtlich, dass die Wirtschaft weiter schrumpft, allerdings scheint sich die Geschwindigkeit der Schrumpfung zu verlangsamen. Der Immobilienmarkt zeigt erste Anzeichen einer Stabilisierung,er wird jedoch weiterhin durch den anhaltenden Abbau von Arbeitsplätzen, das sinkende Immobilienvermögen, sowie die eingeschränkte Kreditvergabe belastet.

Die Fed gibt damit wieder, was wir in den letzten Wochen in den US-Konjunkturdaten herausgearbeitet haben. Das ist nicht verwunderlich, da die Fed natürlich unter anderem die gleichen Daten wie wir analysiert. Außen vor gelassen hat die Fed den Aspekt, dass wir zum Teil mittlerweile wieder eine Verschlechterung bei einigen US-Konjunkturdaten erkennen können. Ebenfalls ist nicht wirklich sicher, dass sich der US-Immobilienmarkt bereits stabilisiert. Wir sehen in den Zahlen bisher nur eine kleine Gegenreaktion nach einem doch sehr dramatischen Einbruch.

Wie gestern bereits geschrieben, den interessiert den Markt das nicht. Er will offensichtlich nach oben. Das kann neben den gestern genannten Gründen auch damit zu tun haben, dass viel Geld an der Seitenlinie darauf wartet, endlich investiert zu werden und wenn die Kurse steigen, nährt die Hausse die Hausse.

Schnelle wirtschaftliche Erholung

Dabei bin ich mir eigentlich sicher, dass wir nicht so schnell eine wirtschaftliche Erholung in den USA sehen. Zwar kann es sein, dass nach einem derart drastischen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, den wir gestern gesehen haben, die nächsten Werte besser ausfallen. Das wäre jedoch ein rein statistischer Effekt. Es sind schließlich immer nur prozentuale Angaben im Vergleich zum Vorquartal.

Durchaus vorstellbar ist auch, dass die US-Konjunkturprogramme einen zumindest kurzfristig positiven Einfluss auf die US-Wirtschaft haben. Mittel- bis langfristig sehe ich jedoch, dass die großen strukturellen Probleme in den USA bestehen bleiben.

Renaissance des US-Immobilienmarktes?

Diese strukturellen Probleme waren eigentlich schon für die Krise des Jahres 2000 verantwortlich. Damals war es der US-Immobilienmarkt, der die US-Wirtschaft aus der Krise in einen Wirtschaftsboom führte. Die Bauindustrie ist schließlich sehr gut geeignet, einen Wirtschaftsboom auszulösen, zumal sie eine sehr ressourcenintensive Industrie ist. Alle möglichen Materialien müssen produziert, verarbeitet und verbaut werden. Meistens werden die Häuslebauer auch auf neue Küchengeräte, Möbel etc. zurückgreifen. Ein Garten wird angelegt, neue Elektrik wird verlegt, eine neue Telefonanlage, ein neuer Fernseher wird gekauft, etc., etc.

An dem Bau eines Hauses können sehr viele Unternehmen, Handwerker, Architekten, Behörden, Bauarbeiter etc. beteiligt sein. Diese Menschen verdienen ihr Geld und können unter Umständen auf die Idee kommen, sich ebenfalls ein neues Haus zu bauen. So entsteht ein sich selbst erhaltender und fördernder Prozess. Das ist der Grund, warum ein Immobilienboom grundsätzlich geeignet ist, einen allgemeinen Wirtschaftsboom auszulösen.

Und es war meines Erachtens dieser Immobilienboom, der in den USA in den Jahren 2002-2006 die strukturellen Probleme überlagerte, beziehungsweise überkompensiert hat. Es war auch der Immobilienboom, der den Bankencrash, der eigentlich jeder größeren wirtschaftlichen Krise folgt, zeitlich nach hinten verschoben hat. Interessanterweise war es letztlich wiederum dieser Immobilienboom, der die Bankenkrise schlussendlich eingeleitet hat.

Wird die Krise wieder durch einen Immobilienboom bereinigt?

Damit ist die im Moment alles entscheidende Frage: Kann der Immobilienmarkt in den USA erneut als Motor der US-Gesamtwirtschaft auftreten? Das Problem dabei ist, wie ich gestern schon geschrieben habe, ein Großteil der US-Bevölkerung steht der Immobilienspekulationen nach dem Immobiliencrash sehr skeptisch gegenüber. Der andere Teil hat schlichtweg nicht mehr das Geld, Immobilien zu kaufen, zumal die Kreditvergabe sehr erschwert wurde. Und natürlich besteht noch ein starkes Überangebot an bereits vorhandenen Immobilien. Diese Faktoren erschweren eine Echo-Blase im Immobiliensektor erheblich.

Wird die Infrastruktur an die Stelle des Immobilienbooms treten?

Die US-Konjunkturprogramme sind darauf angelegt, die Infrastruktur in den USA zu verbessern. Zwar ist die Infrastruktur eine entscheidende Komponente für eine funktionierende Industrie, aber sie hat keine sich selbst erhaltende Komponente. Unternehmen, Handwerker, Architekten, die an diesen Infrastrukturmaßnahmen verdienen, werden das Geld nicht wieder in Infrastrukturmaßnahmen investieren (das macht keinen Sinn). Sie werden sich höchstens ein Haus kaufen. Aber ob das ausreicht einen neuen Boom auszulösen, ist angesichts der oben genannten Faktoren zumindest fraglich. Von den negativen Folgen solcher staatlicher Stimulation (z.B. Angebots- Nachfrage- und Wettbewerbsverzerrungen) hatte ich schon berichtet.

Babyboomer gehen in Rente

Doch auch ohne die aktuelle Krise würden die USA in den nächsten Jahren Probleme bekommen. Die Baby-Boomer Generation geht seit 2006 in Rente. Der große Schwung an Rentnern wird erst in den Jahren 2011-2014 auf die USA zukommen. Weitere 15 Jahre lang kommen immer neue Rentner hinzu.



Das Problem ist: Rentner sind bei weitem weniger konsumfreudig als junge Menschen. Zudem werden viele auch nicht mehr über so viel Geld verfügen, da die Renten zum Teil deutlich unter den aktuellen Löhnen liegen. Sprich, auch hier wird es, unabhängig von der aktuellen Krise, zu einer negativen Belastung des US-Konsums kommen.

Seit Jahren wird von Analysten und Notenbänkern, darunter Alan Greenspan, angemahnt, dass die US-Regierung doch bitte für diese Phase Vorsorge treffen solle. Man hätte Geld zur Seite legen müssen, so der Tenor. Doch die Bush-Regierung hat stattdessen den Staatshaushalt in das größte Defizit in der Geschichte der USA manövriert.

Woher soll die Nachfrage kommen?

Ich frage mich also, wo soll die Binnennachfrage in den USA her kommen? Und bis ich hier keine Antwort finde, glaube ich einfach, dass sich die US-Binnenkonjunktur in den nächsten Jahren tendenziell immer nahe einer Rezession aufhalten wird (wobei es hier auch immer wieder zu kürzeren Phasen kommen kann, in denen die Wirtschaft wächst.) Zudem ist davon auszugehen, dass die USA tendenziell auch eher mit deflationären Phasen zu kämpfen haben wird.

Komfortable Situation?

Nun könnte man auf die Idee kommen, dass das für die Fed eigentlich eine ganz komfortable Situation ist. Sie kann die Zinsen niedrig halten und damit die Refinanzierung der Banken garantieren, ohne allzuviel Angst vor Inflation haben zu müssen. Selbst im Falle einer Inflation würde genug Zeit bleiben, zu reagieren, da die Grundtendenz (Babyboomer) deflationär ist.

Geht man nun davon aus, dass die ungeheure Ausweitung der Geldmenge zu einer Asset Inflation im Aktienmarkt führt, wie gestern vorgestellt, könnte das auch den US-Pensionsfonds nützen, die zurzeit noch unterfinanziert sind. Und wenn dann alles sehr gut läuft, wird ein steigender Aktienmarkt im Zusammenhang mit den Konjunkturprogrammen, wie anderen Maßnahmen dazu führen, dass sich auch der US-Immobilienmarkt etwas später deutlich stabilisiert. Und schon erleben wir einen neuen Boom.

Das ist natürlich das positivste aller denkbarer Szenarien und viele andere eher negative Faktoren sind in diesem außen vor gelassen. Aber auf diese verschiedenen Varianten gehe ich ein anderes Mal ein.

Denn es ist doch wesentlich besser, mit diesem positiven Szenario im Kopf in das verlängerte Wochenende zu gehen, als mit den diversen Horrorszenarien.

Viele Grüße

Jochen Steffens
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