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Gefährlicher Populismus?
Es ist soweit: In dieser Woche werden die EU-Mitgliedsstaaten das Europäische Parlament wählen. Damit verbunden ist die Sorge, dass populistische Parteien an Boden gewinnen und die Reform- und Integrationsbemühungen der EU blockieren könnten. Blendet man die Nebengeräusche aus, ist die Realität allerdings keineswegs so bedenklich wie einige sorgenvolle Betrachter vermuten. Das Erstarken der Populisten wird die politische Landschaft auf EU-Ebene in die Breite ziehen und stärker fragmentieren - dieses Phänomen konnte bereits mehrfach auf Länderebene beobachtet werden. Mit dem Resultat, dass das jeweilige Parlament tief im politischen Stillstand versinkt. Auch auf europäischer Ebene stehen die Zeichen somit gut, dass das legislative Risiko gering ausfällt. Ein breites Feld Europäische „Parteien“ sind als breite Gruppierungen zu verstehen, die sich aus Vertretern der nationalen Parteien mit ideologischen Überlappungen zusammensetzen. So ist beispielsweise die CDU der demokratisch-konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zuzuordnen und die SPD der Sozialdemokratischen Partei Europas (S&D). Innerhalb einer europäischen Partei ist es durchaus üblich, dass nicht sämtliche Vertreter politisch voll auf einer Linie sind. Fasst man jedoch die pro-europäischen Parteien der politischen Mitte sehr breit zusammen, vereinen sie immer noch rund zwei Drittel der Wählerstimmen - obwohl in den aktuellsten Umfragewerten deutlich wird, dass die populistischen Parteien mehr Zuspruch erhalten. Angeführt wird das euroskeptische Lager von der EFDD um Nigel Farage und der Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit (ENF). Welche Überraschungen hält die Parlamentswahl bereit? Politischer Stillstand Nüchtern betrachtet lässt sich feststellen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Koalition entsteht, die von einer zentristischen Partei angeführt wird. Denkbar wäre eine Kombination aus EVP (23 Prozent), S&D (19 Prozent) und der liberalen ALDE (14 Prozent), unzählige Alternativkombinationen sind möglich. Unabhängig vom tatsächlichen Wahlausgang steht ein Ergebnis bereits fest: politische Uneinigkeit. Innerparteiliche Konflikte sind per Definition gegeben, eine Koalition aus mindestens drei Parteien spricht zusätzlich für erforderliche Kompromisslösungen am laufenden Band. Die politischen Pattsituationen aus den einzelnen Ländern, hervorgerufen durch Populismus und einer geschwächten politischen Mitte, werden auf europäischer Ebene nochmals an Komplexität gewinnen. Ist politischer Stillstand gut oder schlecht? Aus der reinen Anlegerperspektive ist das geringe legislative Risiko ein großer Pluspunkt. Unternehmen erhalten Planungssicherheit, der schädliche Einfluss politischer Fehlentscheidungen ist minimal. Dagegen wirkt politischer Stillstand natürlich negativ, wenn dringende Reformen für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt benötigt werden. Angesichts der Tatsache, dass sich die EU aktuell vor allem Gedanken um neue Regulierung und Besteuerung macht, ist die politische Uneinigkeit sicherlich als positiver Einflussfaktor für die Märkte zu werten. Fazit Anleger können den Ergebnissen der EU-Wahl gelassen entgegenblicken: Aufkeimender Populismus wird die EU nicht zerstören oder wirtschaftlich schwächen, sondern lediglich das politische Spektrum in die Breite ziehen. Endlose politische Diskussionen sind vorprogrammiert, marktrelevante Entscheidungen sind dagegen nicht zu erwarten. Sobald die Unsicherheit schwindet, die mit der Wahl einhergeht, können die europäischen Aktienmärkte das politische Patt begrüßen. Den aktuellen Kapitalmarktausblick von Grüner Fisher Investments können Sie unter www.gruener-fisher.de kostenlos anfordern. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Thomas Grüner die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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