Alt 06.08.09, 20:49
Ein Indikator für Topbildungen?
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Wie gestern schon unter den US-Konjunkturdaten geschrieben, ist der ISM-Dienstleistungsindex (ISM-D) im Gegensatz zum ISM-Index des verarbeitenden Gewerbes (ISM-V) gefallen. Auffällig ist auch, dass der ISM-D nun unterhalb des ISM-V notiert.

Sie kennen mich, da musste ich doch mal in der Historie der beiden Indizes nachforschen, ob so ein Fall häufiger vorkommt. Dazu folgendes Diagramm.



Tatsächlich hält sich der ISM-Dienstleistungsindex (rot) normalerweise deutlich oberhalb des Index des verarbeitenden Gewerbes (grün) auf. Regelmäßig in Crashphasen nähert er sich aber dem Index des verarbeitenden Gewerbes an und bildet auf vergleichbarem Niveau ein Tief. Das geschieht nahezu zeitglich, wobei der ISM-D zum Teil etwas früher sein Tief ausbildet als der ISM-V.

An Hochs reagiert er schneller

Auffallend ist jedoch, dass der ISM-D an Hochs offenbar wesentlich schneller reagiert, als der ISM-V. So fällt der ISM-D zum Beispiel Ende 1999 auf das Niveau des ISM-V. Ein Warnzeichen für den folgenden Crash (linke blaue senkrechte Linie)? Auch Ende 2003 nach der ersten Erholung in Folge des Crashs (2000-2003) trifft er auf den ISM-V (zweite blaue Linie von links). Anschließend folgt eine mehrmonatige Konsolidierungsphase. Daraus lässt sich folgende These ableiten: Wenn der ISM-D nach einer Aufwärtsbewegung auf oder unter das Niveau des ISM-V fällt, folgt mit einer zeitlichen Verzögerung ein stärkerer Einbruch.

Ein erstes Fehlsignal

So schön diese Theorie ist, sie wird sofort durch ein Fehlsignal im Herbst 2005 eingetrübt. Auch hier berührt der ISM-D wieder den ISM-V, und es kommt auch noch kurz zu einer Fortführung einer kleinen Abwärtsbewegung im S&P500, nicht jedoch zu einem anhaltenden Einbruch (dunkelrote, senkrechte Linie).

Im Januar 2008 unterschreitet der ISM-D nachhaltig und in beeindruckender Weise den ISM-V. Das hing meines Wissens mit dem Milliarden-Betrug bei der Société Générale zusammen. Anschließend folgte ein heftiger Crash. Ist das auch wieder ein deutliches Vorzeichen gewesen, oder sind das jeweils nur Zufälle?

Leider wird der ISM-D erst seit Juli 1997 erhoben, so dass ein weiteres Backtesting nicht möglich ist. Das ist sehr, sehr schade. Also müssen wir versuchen uns von anderer Seite dieser These zu nähern.

Fundamentale Betrachtung

Die USA ist eine Dienstleistungsgesellschaft, die Wirtschaft ist damit hauptsächlich vom Dienstleistungssektor abhängig. Auch wenn die meisten Analysten hautpsächlich auf den ISM-V achten, so ist der eigentlicher Taktgeber der ISM-D. Und so könnte es sich auch aus fundamentaler Sicht durchaus um ein gutes Warnsignal für den weiteren Verlauf handeln, wenn der ISM-D vor dem ISM-V reagiert und auf dessen Niveau fällt. Auch in den Crashs sehen wir schließlich, dass der ISM-D zum Teil schneller reagiert.

Jetzt erleben wir, ähnlich wie im Jahr 2004, wieder eine Situation, in der der ISM-D unter den ISM-V fällt. Und auch das macht fundamental Sinn:

Der Dienstleistungssektor (tertiärer Sektor)

Zum Dienstleistungssektor gehören: Handel, Verkehr / Logistik, Tourismus, Hotel- und Gaststättengewerbe, Nachrichtenübermittlung, Wohnungsvermietung, private Haushalte und öffentliche Haushalte. Das alles sind Bereiche, die unter einer höheren Arbeitslosigkeit und einer massiven Staatsverschuldung leiden werden.
Natürlich gehören auch Kreditinstitute und Versicherungen zum Dienstleistungssektor. Aber diese habe ich in der Aufzählung einmal außen vor gelassen, da sich diese in einer Sondersituation befinden.

Das verarbeitende Gewerbe (sekundäre Sektor)

Zum sekundären Sektor gehört die Industrie, das Handwerk, die Energiewirtschaft, die Wasserversorgung und auch das Baugewerbe. Hier wird sich zwar auch in einigen Bereichen die Arbeitslosigkeit auf das Geschäft auswirken, allerdings können hier zumindest zeitweise die Konjunkturprogramme diesen Effekt überkompensieren.

Zwischenfazit:

Gerade auch aufgrund dieser Konjunkturprogramme und der immer noch angespannten Lage der Finanzinstitute könnte es durchaus sein, dass es in nächster Zeit zu einem Paradigmenwechsel kommt. Sprich, dass der ISM-D nun sogar eine längere Weile unterhalb des ISM-V notiert.

Gefährliche Situation

Da die US-Wirtschaft zum überwiegenden Teil von dem Dienstleistungssektor abhängig ist, bedeutet das, dass auch die US-Wirtschaft kein nachhaltiges und starkes Wachstum generieren kann, so lange sich der Dienstleistungssektor schwach zeigt. Das entspricht auch den Prognosen der Fed.

Für die Börsen würde das bedeuten, dass wir nach der aktuellen Erholungsrally bestenfalls ähnlich wie 2004 seitwärts laufen würden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die aktuelle Begeisterung sich wieder eintrübt und die Kurse fallen (zum großen "Aber" gleich mehr).

Ich gebe zu, dass das alles etwas vereinfacht dargestellt ist, aber ich will hier nur die Tendenzen aufzeigen. Alles andere würde heute im Rahmen dieses Newsletters sicherlich zu weit führen. Bestimmte Bereiche werde ich eventuell in den nächsten Tagen wieder aufgreifen und ausführen.

Fazit:

Die Frage ist nach wie vor, wie stark sich die hohe Arbeitslosigkeit in den USA auswirken wird. Man kann das oben beschriebene Signal der ISM-Indizes sowohl aus fundamentaler als auch aus historischer Sicht als ein Warnsignal bezeichnen. Leider liegen nicht genug Daten vor, um die Prognosequalität dieses Signals zu bestätigen. Es ist aber, wie die vielen anderen Hinweise, die ich Ihnen in den letzten Tagen vorgestellt habe, ein weiterer Baustein in der Kette der Warnhinweise.

Normalerweise würde ich aufgrund der Gesamtanalyse dieser und der zuvor hier genannten Faktoren dazu raten, zu verkaufen. Und nun kommt das große "Aber", das Sie schon kennen: Nach wie vor sind wir in einer extremen Situation. Und ich kann leider zurzeit immer noch nicht beurteilen, ob die Ausweitung der Liquidität, die US-Konjunkturmaßnahmen aber auch die niedrigen Zinsen diese negativen Faktoren überkompensieren. Hier scheitert einfach die fundamentale Analyse an den finanz- und geldpolitischen Maßnahmen.

Sie glauben nicht, wie sehr ich mich darauf freue, wenn wir wieder „normalere“ Verhältnisse haben und solche Analysen wieder höhere Eintrittswahrscheinlichkeiten haben.

Aber was ist an den Börsen schon normal?

Viele Grüße

Jochen Steffens
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