Alt 22.06.09, 19:55
Ifo-Index: Zeichen für eine Stabilisierung der Wirtschaft?
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Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zum dritten Mal in Folge angestiegen und notiert nun bei 85,9 Punkten. Normalerweise wird ein dreimaliger Anstieg von Ökonomen als Zeichen für eine Stabilisierung der Wirtschaft angesehen. Normalerweise...

Schauen wir uns dazu die Entwicklung des Ifo-Index im Vergleich zur Entwicklung des DAX an:



Wir sehen hier seit der ersten Veröffentlichung aller Komponenten des Ifo-Index im Januar 1991 drei weitere für unsere Betrachtung relevante Tiefpunkte: 1992 / 1993, 2001 und 2002 / 2003. (Anmerkung: Das Tief des Jahres 1996 lassen wir aus zwei Gründen außen vor. Erstens wurde es nicht von einem markanten Tief an den Märkten begleitet, zweitens wurde die 90-Punkte-Marke nicht signifikant unterschritten. Letzteres gilt auch für den Einbruch 1998 / 1999.)

Das 1992/1993er Tief

Bis zum Tief Ende 1992 bis Anfang 1993 brach der Ifo-Index vergleichbar deutlich ein. Dieser Einbruch war dadurch gekennzeichnet, dass sowohl die Einschätzung zur aktuellen Lage, wie auch die Erwartung in schöner Harmonie steil zurückgingen.

Nachdem der Ifo-Index im Februar 1993 mit 84,8 Punkten ein Tief ausgebildet hatte, entwickelte sich zunächst die Erwartungskomponente (grün) deutlich nach oben, während die allgemeine Lage anfing seitwärts zu laufen und erst später etwas zögerlich, dann jedoch dynamisch anstieg. Der DAX selbst hatte sein Tief bereits etwas früher, im Oktober 1992, ausgebildet.

September 2001

Etwas anders entwickelte sich die Lage nach dem 11. September 2001. Wieder erreichte der Ifo-Index im September 2001 mit 88,2 Punkten Werte unter der 90-Punkte-Marke, blieb jedoch über 85 Punkten. Bis zum 11. September fielen ebenfalls die beiden Unterindizes gleichzeitig und dynamisch und das schon seit Januar 2001. Nach dem Tief im September kam es zunächst wieder zu einem Anstieg der Ewartungskomponente. Auch hier zog der Markt anfangs mit. Allerdings verschlechterte sich die Einschätzung der allgemeinen Lage trotz steigenden Marktes und steigender Erwartungen. Das führte dazu, dass die Schere zwischen Ewartungskomponente und tatsächlicher Lage immer weiter aufging.

Im Jahr 2002 wurde dieses Auseinandergehen der Schere im Aktienmarkt über fallende Kurse aufgelöst. Offensichtlich reagierte der Markt damit darauf, dass sich die aktuelle Lage entgegen der Erwartung nicht stabilisiert hatte, sondern sogar weiter zurückging. Es kam somit zu einem Enttäuschungseinbruch der letztendlich die Erholung des DAX nach dem 11. September als einfache Bärenmarktrallye enttarnte.

Das eigentliche Tief 2002 / 2003

Kommen wir damit zu dem Tief, dass Ende 2002 ausgebildet wurde. Der Ifo-Index erreichte im Dezember 2002 mit 87,2 Punkten ein neues, tieferes Tief. Der DAX folgte im März 2003, also drei bis vier Monate später. Nach dem Tief des Ifo-Index zog sowohl die Erwartung als auch die Einschätzung der aktuellen Lage an. Es folgte eine starke Rally an den Märkten, die durch das weitere Ansteigen des Index zur „Einschätzung der aktuellen Lage“ bestätigt wurde.

Wenn man also diese Beobachtungen zusammenfast, kommt man zu einem sehr eindeutigen Ergebnis, das sogar volkswirtschaftlich Sinn macht:

Es kommt auf die Einschätzung der aktuellen Lage an

Die Erwartungskomponente neigt dazu, sehr schnell anzusteigen. Sie weist zwar allein noch nicht auf einen tatsächlichen Boden hin, kann aber mit einer Erholungsrally an den Märkten zusammenfallen.
Entscheidend ist dann jedoch, ob die Erwartungshaltung von der Einschätzung der aktuellen Lage unterstützt wird. Dabei kann es zu zeitlichen Verwerfungen kommen. Das eigentliche Bodensignal entsteht also, wenn zu erkennen ist, dass die Einschätzung der aktuellen Lage bei gleichzeitig sich verbessernder Erwartungshaltung zunimmt. Allerdings besteht die Gefahr, dass wenn dieses eigentliche Bodensignal entstanden ist, die Märkte schon weit vorgelaufen sind.

Für die aktuelle Situation bedeuten diese Beobachtungen folgendes: So lange keine Erholungstendenzen in der Einschätzung der aktuellen Lage zu erkennen sind, fehlt die Bestätigung, dass es sich bei dem aktuellen Anstieg im DAX um einen Boden handelt. Die Einschätzung zur aktuellen Lage hat sich sogar in den letzten drei Veröffentlichungen noch weiter verschlechtert: Sie sank von April bei 83,5 Punkten auf 82,5 Punkte im Mai, um schließlich im Juni auf 82,4 Punkte zu sinken.

Der dreimalige Anstieg des Ifo-Index darf also nicht überbewertet werden. Das Signal wird erst dann signifikant, wenn auch der Unterindex zur Lagebeurteilung wieder anzieht. Sollte dieser Unterindex bei den nächsten Veröffentlichungen noch weiter fallen, wäre das sogar eher ein Hinweis darauf, dass der aktuellen Erholung das Fundament fehlt und es zu weiter fallenden Kursen kommen wird! Bereits die heutige Veröffentlichung muss man als kleinen Warnhinweis sehen, dass der Erholung eventuell dieses Fundament fehlt. Das war auch der Grund dafür, dass der Dax auf diese auf den ersten Blick positive Signal nicht reagierte. Also bleiben Sie vorsichtig!

Wird die Fed die Zinsen anheben?

Insgesamt bin ich etwas über die heutige Schwäche an den Märkten überrascht. Nachdem der Nasdaq100 in der letzten Woche so schön das Gap geschlossen hatte und anschließend auch noch am Freitag angestiegen ist, hätte ich zumindest damit gerechnet, dass er das obere Gap auch noch schließt. Aber vielleicht war es zu klein, wer weiß. Als offizielle Begrüngung für den heutigen Abverkauf wird die Nachricht gennant, dass die Weltbank ihre Konjunkturprognosen für die USA, die Euro-Zone und Japan gesenkt hat.

Vielleicht ist es auch etwas anderes: Anscheinend machen sich bereits institutionelle Anleger in den USA Sorgen, dass die Fed am Mittwoch doch schon sehr früh auf die ersten Anzeichen einer Stabilisierung der Wirtschaft und auf die bessere Lage an den Finanzmärkten reagiert und die Zinsen wieder anhebt.

Meines Erachtens ist es dafür viel zu früh, eben weil wichtige Inflationsindikatoren noch auf Deflation stehen.
Aber wir wissen, dass viele auf eine liquiditätsgetriebene Rally gesetzt haben. Wenn nun die Fed den Geldhahn anfangen sollte zuzudrehen, wird das der Erholungsrallye die Luft nach oben abdrehen.

Viele Grüße

Jochen Steffens
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