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Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
im Rückblick erscheint der Mai als ein durch und durch durchwachsener Monat – sowohl was das Wetter als auch die Börse betrifft. Bei vielen Anlegern dürfte mit Blick auf den DAX inzwischen die Meinung verbreitet sein, dass „Sell in May…“, also „Verkaufe im Mai“ doch eine gute Strategie gewesen wäre. „Sell in May…“ – die richtige Strategie? Allerdings lautet die vollständige Börsenweisheit: „Sell in May and go away – but remember to come back in September“ (Verkaufe im Mai und ziehe von dannen – aber denke daran, im September zurückzukommen). Und was den zweiten Teil der Regel betrifft, können wir uns nicht ganz so sicher sein. Denn wer sagt denn, dass die Märkte nicht vorher schon wieder zulegen? In der Woche nach Pfingsten markierte der S&P 500 zumindest ein neues Allzeithoch. Den nachhaltigen Ausbruch nach oben schaffte er zwar noch nicht – aber was nicht ist, kann ja noch werden! Der Schlüssel dazu, welche Richtung die Märkte in den nächsten Wochen nehmen werden, könnten – wieder einmal – die Notenbanken sein. Die EZB z.B. bleibt offenbar weiterhin gewillt, im Bedarfsfall in die Märkte einzugreifen. Das zeigte die jüngste Verlautbarung über die Modifizierung der Anleihekäufe für den Sommer (siehe Steffens Daily vom 19.05.2015). Die Fed hat schon alles gesagt Aber auch die Fed wird demnächst wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Am 16. Und 17. Juni steht die nächste Fed-Sitzung an, die – wie am Ende jeden Quartals – von einer Pressekonferenz von Fed-Chefin Yellen begleitet wird. Da vor allem immer noch viele Ökonomen dabei mit der ersten Zinserhöhung rechnen, dürfte die Sitzung wieder viel Aufmerksamkeit erhalten. Diese ist jedoch eigentlich unverdient, denn bereits am Freitag vor Pfingsten hat Fed-Chefin Yellen in einer Rede sehr klar Stellung zum weiteren Kurs der Fed in Sachen Zinserhöhung bezogen. Sie sagte dabei unmissverständlich, dass sie davon ausgehe, dass die Notenbank sehr wohl noch 2015 die Zinswende einleiten werde. Das war quasi eine direkte Antwort auf Spekulationen, die Fed könne – angesichts des schwachen Wachstums im ersten Quartal – die Zinswende womöglich erst im kommenden Jahr einläuten. Yellen betonte daher, sie sehe die US-Wirtschaft auf gutem Weg, die Schwäche vom Jahresanfang abzuschütteln. Fehlausbruch! Bisher ohne Konsequenzen Am Dienstag nach Yellens Rede wurde eine Reihe von Konjunkturdaten aus dem zu Ende gehenden zweiten Quartal veröffentlicht. Diese fielen allesamt besser aus als erwartet. So legten die Ausrüstungsinvestitionen das zweite Mal in Folge und dann gleich um 1,0 % zu, die Verbraucherstimmung hellte sich unerwartet auf und der Verkauf neuer Häuser stieg im Vergleich zum Vormonat um 6,8 statt der erwarteten 5,6 Prozent. Ob das der Grund war, warum am vergangenen Dienstag die Kurse an der Wall Street einknickten, sei einmal dahingestellt. Immerhin fielen sie nicht weiter, wie nach dem offensichtlichen Fehlausbruch des S&P 500 zu erwarten gewesen wäre. Nach Yellens Rede und den verbesserten Konjunkturdaten sprangen jedenfalls die Fed Funds Futures kräftig nach oben. Diese messen die Leitzinserwartungen der Anleger für die kommenden Fed-Sitzungstermine. Damit haben die Anleger nun wieder eine frühere Zinswende – konkret für September – eingepreist. Dies ist tatsächlich der wahrscheinlichste Termin, denn dann hat Frau Yellen das nächste Mal Gelegenheit, auf einer Pressekonferenz die zuvor verkündete erste Zinserhöhung seit 2006 zu erläutern. Und es ist kaum zu erwarten, dass ein so wichtiger Schritt ohne begleitende Erklärungen der Fed-Chefin vollzogen wird. Der besondere saisonale Zyklus für 2015 Mit Yellens Erklärung könnte also eine bedeutende Unsicherheit für die Märkte – der Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung der Fed – nun endgültig beseitigt sein. Damit haben vor allem die US-Märkte wieder Raum für die Fortsetzung der Rally. Dann könnte es tatsächlich zu dem typischen Verlauf während eines Vorwahljahres im US-Präsidentschaftszyklus kommen. Und dieser würde eben – entgegen der eingangs erwähnten “Sell in May“-Regel – keine Schwäche in den Sommermonaten aufweisen: Danach folgt einer kleineren Korrektur im Mai – die wir in den vergangenen Wochen erlebt hatten – ein deutlicher Anstieg bis Ende Juli oder sogar Anfang September (siehe Chart oben). Die Chancen dafür sind mit der jüngsten Bereinigung an den Märkten wieder deutlich gestiegen! Sofern also die Fed weiterhin „planmäßig“ auf die erste Zinserhöhung zusteuert und die EZB die europäischen Anleihemärkte im Zaum halten kann, könnten die Märkte schon bald – also vor dem September – nach oben ausbrechen. Vielleicht wird es also nach dem kühlen Mai doch noch ein heißer Sommer an der Börse…. Mit besten Grüßen Ihr Torsten Ewert | ||
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